Körpergröße und Lebenserwartung. Innerhalb derselben Art: Kleinere Individuen leben tendenziell länger.

Körpergröße und Lebenserwartung. Innerhalb derselben Art: Kleinere Individuen leben tendenziell länger.

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Dr. Steven Austad, MD, ein führender Experte für Altern und Langlebigkeit, beleuchtet das komplexe Zusammenspiel von Körpergröße und Lebenserwartung. Er erläutert das Paradoxon, dass größere Tierarten zwar länger leben als kleinere, innerhalb derselben Art jedoch häufig kleinere Individuen ihre größeren Artgenossen überdauern. Anhand faszinierender Beispiele wie dem Nacktmull, der zehnmal älter wird als eine gleichgroße Maus, untersucht er die Einflüsse von DNA-Reparaturmechanismen, Krebsprävention und Stoffwechselrate auf die Langlebigkeit.

Körpergröße und Langlebigkeit: Das Paradoxon der Lebensspanne bei Tieren

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Das Größen-Lebensspanne-Paradoxon

Dr. Steven Austad weist auf ein faszinierendes Paradoxon in der Altersforschung hin: Während größere Tierarten tendenziell länger leben als kleinere, kehrt sich dieses Muster innerhalb einer Art um. Kleinere Individuen – etwa bei Hunderassen oder Mäusen – haben meist eine längere Lebenserwartung als ihre größeren Artgenossen. Dieser innerartliche Trend steht im genauen Gegensatz zum zwischenartlichen Muster und stellt die Wissenschaft vor ein komplexes Rätsel.

Nacktmull-Langlebigkeitsmodell

Dr. Steven Austad stellt den Nacktmull als außergewöhnliches Modell für die Langlebigkeitsforschung vor. Obwohl er in etwa die Größe einer Labormaus hat, lebt er fast zehnmal so lange. Dieser extreme Unterschied macht ihn zu einem faszinierenden Forschungsobjekt, um die Mechanismen verlangsamten Alterns zu entschlüsseln. Möglicherweise trägt sein einzigartiger unterirdischer Lebensraum mit niedrigem Sauerstoff- und hohem Kohlendioxidgehalt zu diesen Anpassungen bei – die genauen Gründe für seine bemerkenswerte Langlebigkeit sind jedoch noch nicht vollständig geklärt.

DNA-Reparatur und Krebsprävention

Moderne molekulare Methoden helfen, die Ursachen für Langlebigkeitsunterschiede einzugrenzen. Nacktmulle verfügen im Vergleich zu Mäusen über effizientere DNA-Reparaturmechanismen – wenn auch nicht so gut wie der Mensch – und haben ausgefeilte Strategien zur Krebsprävention entwickelt. Diese intrinsischen Prozesse stehen im Fokus der Forschung. Dr. Austad betont, wie wichtig es ist, mehrere langlebige Arten zu untersuchen, anstatt sich auf eine einzige zu konzentrieren. Dieser triangulierende Ansatz hilft, gemeinsame Mechanismen zu identifizieren, die zur Verlängerung der menschlichen Gesundheitsspanne genutzt werden könnten.

Die Rolle der Stoffwechselrate beim Altern

Im Interview mit Dr. Anton Titov wird der umstrittene Zusammenhang zwischen Stoffwechselrate und Langlebigkeit diskutiert. Dr. Austad hat einen Großteil seiner Karriere darauf verwendet, die Annahme zu widerlegen, ein schneller Stoffwechsel führe zwangsläufig zu kürzerer Lebensdauer. Zwar spielt der Stoffwechsel eine Rolle im Alterungsprozess, doch ist er nicht allein entscheidend für die Langlebigkeit. So kann eine Riesenschildkröte trotz extrem langsamen Stoffwechsels 175 bis 180 Jahre alt werden. Dies zeigt, dass auch langsame Zellumtriebsraten und andere Faktoren eine kritische Rolle spielen.

Erforschung langlebiger Arten für die menschliche Gesundheit

Dr. Austad skizziert einen strategischen Ansatz, um Erkenntnisse aus der tierischen Langlebigkeitsforschung auf den Menschen zu übertragen. Seiner Ansicht nach sind Arten mit hohen Stoffwechselraten, die dennoch lange leben – wie der Nacktmull – besonders aufschlussreich. Gemessen an seinem Stoffwechsel lebt der Nacktmull sogar länger als der Mensch, was ihn zu einem wertvollen Modell macht. Im Gegensatz dazu ist eine Riesenschildkröte bei ihrem langsamen Stoffwechsel tatsächlich kurzlebiger als der Mensch. Dr. Austad ist überzeugt, dass diese vergleichende Biologie der Schlüssel ist, um die besten Methoden zur Verlängerung der gesunden menschlichen Lebensspanne zu entdecken.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov: Das ist sehr interessant. Sie weisen ja auch darauf hin, dass generell kleinere Tiere länger leben. Das gilt für Hunde: Kleinere Rassen leben länger als größere. Aber dann gibt es Tiere ähnlicher Größe – der Nacktmull ist etwa so groß wie eine Labormaus, lebt aber fast zehnmal so lange. Was könnte solche Unterschiede im Altern erklären?

Dr. Steven Austad: Mit den modernen molekularen Werkzeugen, die uns heute zur Verfügung stehen, können wir uns genau auf diese Unterschiede konzentrieren. Wir sind zwar noch nicht am Ziel, aber sicher spielen intrinsische Prozesse eine Rolle. Nacktmulle reparieren DNA beispielsweise besser als Mäuse – wenn auch nicht so gut wie Menschen –, und wir verstehen immer mehr über ihre Krebspräventionsstrategien. Warum sie aber zehnmal so lange leben wie eine Maus, ist noch unklar. Es ist ein faszinierendes Modell und zeigt, wie wir weiter vorgehen sollten.

Allerdings dürfen wir uns nicht nur auf eine langlebige Art konzentrieren, da wir sonst wahrscheinlich artenspezifische Besonderheiten finden. Nacktmulle leben unterirdisch in einer sauerstoffarmen, kohlendioxidreichen Atmosphäre. Ob das mit ihrer Anpassung zu tun hat, wissen wir nicht. Wir müssen uns stattdessen auf mehrere besonders langlebige Arten konzentrieren, um die besten Ansätze zur Verlängerung der menschlichen Gesundheit einzugrenzen.

Übrigens: Sie haben vorhin etwas angesprochen, das meiner Erfahrung nach oft Verwirrung stiftet. Zwischen Arten gilt: Größere leben länger. Innerhalb einer Art ist es umgekehrt: Kleinere Individuen leben länger. Kleinere Hunderassen, Mäuse oder Pferde haben eine höhere Lebenserwartung als ihre größeren Artgenossen. Das innerartliche Muster ist also das genaue Gegenteil des zwischenartlichen Musters.

Dr. Anton Titov: Faszinierend. Was könnte Ihrer Meinung nach diese Diskrepanz zwischen den Arten und innerhalb einer Art erklären? Die Stoffwechselraten sollten innerhalb einer Art doch ähnlicher sein, oder?

Dr. Steven Austad: Ja, ich habe viel Zeit darauf verwendet, die Idee zu widerlegen, dass der Stoffwechsel zwangsläufig die Langlebigkeit bestimmt. Bei näherer Betrachtung ist er nicht der alleinige Faktor – aber er spielt durchaus eine Rolle. Daher sollten wir bei Arten, von denen wir lernen wollen, solche mit hoher Stoffwechselrate in den Blick nehmen, weil sie potenziell mehr intrazelluläre Schäden erleiden. Riesenschildkröten werden zwar 175 bis 180 Jahre alt, also älter als Menschen, aber ihr Stoffwechsel ist extrem langsam. Von ihnen lernen wir probably wenig über die Verlängerung der menschlichen Gesundheit. Beim Nacktmull ist das anders: Gemessen an seinem Stoffwechsel lebt er länger als der Mensch, während Riesenschildkröten gemessen an ihrem Stoffwechsel sogar kurzlebiger sind.