Inflammaging: Entzündungsprozesse beschleunigen den Alterungsprozess.  
Hormesis: Der U-förmige Nutzen von Bewegung. 7

Inflammaging: Entzündungsprozesse beschleunigen den Alterungsprozess. Hormesis: Der U-förmige Nutzen von Bewegung. 7

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Dr. Andrea Maier, MD, eine führende Expertin für Altern und Entzündungen, erläutert, wie chronische Entzündungen den Alterungsprozess beschleunigen. Sie erklärt das Konzept des "Inflammaging" und dessen Zusammenhang mit altersbedingten Erkrankungen. Zudem geht Dr. Maier auf das Prinzip der Hormesis ein, wonach eine angemessene Menge an Stress positive Effekte haben kann. Sie beschreibt die U-förmige Kurve des Bewegungseffekts, bei der sowohl zu wenig als auch zu viel Aktivität schädlich sein können. Das Ziel ist es, ein individuell angepasstes Maß an Bewegung zu finden, das die Gesundheit fördert, ohne übermäßige Entzündungsreaktionen auszulösen.

Inflammaging verstehen: Wie chronische Entzündung das Altern und Krankheiten antreibt

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Was ist Inflammaging?

Dr. Andrea Maier, MD, definiert Inflammaging als einen Zustand erhöhter Entzündungsaktivität im Körper, die mit dem chronologischen Alter zunimmt. Es handelt sich um einen grundlegenden biologischen Prozess, der Entzündung mit dem Altern verbindet. Inflammaging ist keine eigenständige Erkrankung, sondern ein systemischer physiologischer Zustand, der vielen altersbedingten Krankheiten zugrunde liegt. Der Begriff setzt sich aus "Entzündung" und "Altern" zusammen und beschreibt diesen fortschreitenden proinflammatorischen Status.

Chronische vs. akute Entzündung

Dr. Andrea Maier, MD, unterscheidet entscheidend zwischen akuter und chronischer Entzündung. Akute Entzündungen erfüllen eine lebenswichtige Schutzfunktion gegen Krankheitserreger wie Bakterien und Viren. Diese vorübergehende Immunantwort bekämpft Infektionen und fördert die Heilung. Chronische Entzündungen hingegen sind anhaltende, niedriggradige Zustände, die Gewebe und Organe langfristig schädigen. Dr. Maier betont: Während akute Entzündungen überlebenswichtig sind, treiben chronische Entzündungen pathologische Alterungsprozesse voran.

Seneszente Zellen und Entzündung

Seneszente Zellen spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung von Inflammaging, wie Dr. Andrea Maier, MD, erläutert. Diese Zellen teilen sich nicht mehr, bleiben aber metabolisch aktiv. Statt normal zu funktionieren, setzen sie Entzündungsfaktoren und Signalmoleküle frei. Diese ständige Ausschüttung erzeugt ein proinflammatorisches Milieu, das die zelluläre Homöostase stört. Die Anreicherung dieser Zellen im Gewebe trägt maßgeblich zur chronischen Entzündung bei, die für das Altern typisch ist.

Dr. Anton Titov, MD, diskutierte mit Dr. Maier, wie dieser Prozess mit altersbedingten Erkrankungen zusammenhängt. Die anhaltenden Entzündungssignale seneszenter Zellen verursachen Gewebeschäden, die sich in verschiedenen chronischen Krankheiten äußern. Dieses Verständnis hat Forschungen zu senolytischen Therapien angestoßen, die gezielt diese dysfunktionalen Zellen entfernen.

Hormese erklärt

Dr. Andrea Maier, MD, beschreibt Hormese als ein biologisches Phänomen, bei dem optimale zelluläre Kommunikation die Homöostase aufrechterhält. Dieses Konzept umfasst eine vorteilhafte Reaktion auf milde Stressoren, die die zellulären Abwehrkräfte stärkt. Dazu gehören moderate Bewegung, bestimmte Nahrungsbestandteile und milder Hitzestress. Das Prinzip folgt der Annahme: Was einen nicht umbringt, macht einen stärker – zumindest auf zellulärer Ebene.

Dr. Maier erklärt, dass Hormese den optimalen Bereich darstellt, in dem Stress adaptive Reaktionen auslöst, ohne signifikanten Schaden zu verursachen. Dieser ausgeglichene Zustand ermöglicht es Zellen und Organsystemen, mit maximaler Kapazität zu funktionieren. Im Gespräch mit Dr. Anton Titov, MD, wurde hervorgehoben, wie wichtig das Verständnis von Hormese für die Entwicklung wirksamer Anti-Aging-Maßnahmen ist.

Der U-förmige Nutzen von Bewegung

Dr. Andrea Maier, MD, präsentiert überzeugende Belege für eine U-förmige Beziehung zwischen Bewegungsintensität und Gesundheitsnutzen. Beide Extreme – Bewegungsmangel und übermäßige Belastung – führen zu suboptimalen Ergebnissen. Zu wenig Aktivität verursacht Muskelatrophie, kardiovaskuläre Schwäche und metabolische Dysfunktion. Extrembelastungen wie Marathonlauf können erhebliche Gewebeschäden und excessive Entzündungen hervorrufen.

Das ideale Bewegungsregime liegt in der Mitte dieser U-förmigen Kurve. Moderate, regelmäßige körperliche Aktivität bietet den hormetischen Stress, der Systeme stärkt, ohne sie zu überlasten. Dr. Maier weist darauf hin, dass dieser optimale Punkt je nach Trainingszustand, Alter und allgemeinem Gesundheitsstatus erheblich variiert.

Personalisierter Bewegungsansatz

Dr. Andrea Maier, MD, betont die Notwendigkeit personalisierter Bewegungsempfehlungen. Was optimale Bewegung ausmacht, unterscheidet sich erheblich zwischen trainierten Athleten und inaktiven Personen. Ziel ist es, die Bewegungsintensität und -menge zu finden, die den Nutzen maximiert und Entzündungsschäden minimiert. Dieser Ansatz berücksichtigt individuelle Faktoren wie aktuellen Fitnesslevel, Alter, Gesundheitszustand und Regenerationsfähigkeit.

Dr. Maier erläutert Dr. Titov, dass personalisierte Bewegungsprogramme Muskelaufbau und kardiovaskuläre Vorteile gegen Entzündungsfolgen abwägen sollten. Für Untrainierte kann plötzliche extreme Bewegung aufgrund übermäßiger Muskelschäden und Entzündung mehr schaden als nützen. Angemessenes, progressives Training hingegen baut Resilienz auf und verbessert Entzündungsprofile langfristig.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: Sie haben das Konzept des Inflammaging in mehreren Ihrer Arbeiten diskutiert. Was ist Inflammaging?

Dr. Andrea Maier, MD: Inflammaging ist ein Zustand mit viel Entzündung im menschlichen Körper. Der Alternsteil in Inflammaging bedeutet, dass Entzündung mit dem chronologischen Alter zunimmt.

Was bedeutet das? Entzündung ist nicht per se schlecht, denn wir wissen: Bei Bakterien oder Viren im Körper brauchen wir diese Entzündungsreaktion, um die Erregerzahl zu reduzieren. Sie stimuliert unser Immunsystem, die Infektion zu bekämpfen – das ist sehr wichtig. Aber das ist akute Entzündung.

Beim Altern tritt chronische Entzündung auf, und das ist nicht gut. Wir brauchen akute Entzündung, um Bakterien oder andere Umweltfaktoren abzuwehren. Aber chronische Entzündung müssen wir auf ein niedriges Level reduzieren.

Chronische Entzündung bedeutet, dass keine Homöostase der Zellen besteht. Ich komme auf seneszente Zellen zurück. Diese Zellen teilen sich nicht mehr, sondern setzen Entzündungsfaktoren frei. Sie signalisieren: "Hey, ich bin seneszent. Ich bin unsicher, was ich tun soll."

Zellen setzen diese Entzündungsreaktanten frei; sie erzeugen den Status chronischer Entzündung. Wenn etwas chronisch ist, aber nicht benötigt wird, schädigt das die Zellumgebung. Das sehen wir bei altersbedingten Erkrankungen.

Es herrscht ein hoher Zustand chronischer Entzündung, bei dem das Immunsystem hochgefahren ist, ohne dass es nötig wäre. Das ist Inflammaging.

Dr. Anton Titov, MD: Bei sehr anstrengender Bewegung gibt es Daten, die negative Umbauprozesse zeigen. Das hängt mit dem Konzept der Hormese zusammen. Was ist Hormese? Können Sie es kurz definieren?

Dr. Andrea Maier, MD: Hormese ist ein Zustand, in dem Zellen und das zelluläre System gut kommunizieren. Sie brauchen Homöostase, in der Organsysteme, Gewebesysteme und die Zellen dazwischen gut kommunizieren. Diese Homöostase ist nötig, um optimal zu funktionieren.

Es kann extensive Stressoren von außen geben, wie viel zu viel Bewegung oder sehr wenig Bewegung – also sitzendes Verhalten. Dann wird die Homöostase gestört.

Wir sehen, dass wir eine gute Häufigkeit von Bewegung brauchen. Wir brauchen nicht zu viel Bewegung, die unser System zu sehr schädigt. Ich würde nicht sagen, dass Marathonlaufen schlecht ist. Für einige ist es in Ordnung.

Aber besonders für Untrainierte entsteht so viel Schaden im Muskel und in den Myofibrillen – den Muskelzellen –, dass es zu viel Entzündung verursacht. Das ist für das System zu viel, weil es nicht darauf vorbereitet ist. Es ist nicht in Homöostase.

Auf der anderen Seite: Wenn jemand wegen einer Fraktur oder anderen medizinischen Gründen Bettruhe einhalten muss oder extrem inaktiv ist, ist es dasselbe. Zu viel ist sehr schlecht, weil die Homöostase zerstört und gestört ist.

Also muss Bewegung auf individueller, sehr personalisierter Ebene basieren. Wir müssen das optimale Bewegungslevel für den größten Nutzen finden. Es geht darum, Muskelmasse oder Muskelkraft und kardiovaskuläre Fitness zu steigern, ohne das System mit zu viel Entzündung zu schädigen.

Deshalb gibt es eine U-Form zwischen Bewegungsmenge und deren Nutzen. Das ist sehr wichtig.

Dr. Anton Titov, MD: Wir haben Bewegung diskutiert. Viel wird über Ernährungseingriffe gesagt.