Diese umfassende Übersicht eines 12-jährigen Programms zur Kryokonservierung von Ovarialgewebe bei pädiatrischen Patientinnen zeigt ein deutliches Wachstum der Fertilitätserhaltungsangebote für junge Patientinnen unter onkologischer Behandlung. Im Rahmen des Programms wurden 184 Eingriffe durchgeführt, mit steigenden Fallzahlen pro Jahr, einem sinkenden Durchschnittsalter der Patientinnen im Zeitverlauf und einer bemerkenswert hohen Forschungsbeteiligungsrate von über 90%. Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie spezialisierte pädiatrische Programme den Zugang zum Fertilitätserhalt verbessern und gleichzeitig Forschung vorantreiben, die künftigen Patientinnen zugutekommen wird.
12 Jahre Kryokonservierung von Ovarialgewebe bei Kindern: Fortschritte in der Fertilitätserhaltung
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung: Bedeutung der Fertilitätserhaltung für junge Patientinnen
- Studiendesign und Methodik
- Patientenmerkmale und Diagnosen
- Zeitpunkt der Behandlung und Versorgungskoordination
- Studienteilnahme und Gewebespenden
- Programmentwicklung und Meilensteine
- Klinische Bedeutung für Patientinnen und Familien
- Studienbeschränkungen
- Zukünftige Entwicklungen in der Fertilitätserhaltung
- Quellenangaben
Einleitung: Bedeutung der Fertilitätserhaltung für junge Patientinnen
Die Fertilitätserhaltung ist heute ein zentraler Bestandteil der umfassenden Versorgung von Mädchen und jungen Frauen, die sich Behandlungen unterziehen müssen, die ihre Fruchtbarkeit gefährden könnten. Da die Überlebensraten bei pädiatrischen Krebserkrankungen mittlerweile über 80 % liegen, erreichen die meisten Patientinnen das Erwachsenenalter. Damit gewinnen Lebensqualitätsaspekte wie die spätere Familienplanung zunehmend an Bedeutung.
Rund 60 % der Kinder, die eine Krebserkrankung überleben, leiden unter schwerwiegenden Spätfolgen – Unfruchtbarkeit ist dabei eine der größten Sorgen. Bestimmte Krebstherapien, insbesondere alkylierende Chemotherapien und Bestrahlungen im Beckenbereich oder am Gehirn, können das Risiko für ein vorzeitiges Versagen der Eierstöcke (vorzeitige Menopause) und Unfruchtbarkeit erheblich steigern.
Große medizinische Fachgesellschaften – darunter die American Society of Clinical Oncology, das National Comprehensive Cancer Network, die American Academy of Pediatrics und die American Society for Reproductive Medicine – empfehlen ausdrücklich, Patientinnen und ihre Familien vor Beginn einer potenziell fruchtbarkeitsschädigenden Behandlung umfassend über Möglichkeiten der Fertilitätserhaltung zu beraten.
Die Kryokonservierung von Ovarialgewebe, also das Einfrieren von Eierstockgewebe für eine spätere Verwendung, hat sich als einzige Option zur Fruchtbarkeitserhaltung für präpubertäre Patientinnen etabliert. Sie kommt auch für solche in Frage, deren Behandlung nicht um die für eine Eizellgewinnung notwendigen Wochen verzögert werden kann.
Studiendesign und Methodik
Die vorliegende Studie wertete Daten aus einem Zeitraum von 12 Jahren aus dem Fertility & Hormone Preservation & Restoration Program des Ann & Robert H. Lurie Children's Hospital of Chicago aus. Es handelte sich um eine retrospektive Analyse aller Patientinnen, bei denen zwischen März 2011 und Februar 2023 Ovarialgewebe kryokonserviert wurde.
Das Programm arbeitete nach strengen ethischen Richtlinien mit Genehmigung der zuständigen Ethikkommission. Von allen Patientinnen und ihren Familien wurde eine informierte Einwilligung eingeholt. Volljährige Patientinnen willigten selbst ein, bei Minderjährigen erfolgte die Einwilligung durch die Eltern zusammen mit der Zustimmung der Patientin.
Das Operationsteam entfernte minimal-invasiv, meist laparoskopisch, einen Eierstock (unilaterale Ovarektomie) zur Kryokonservierung. Wo möglich, wurde der Eingriff mit anderen notwendigen Prozeduren – wie der Implantation eines Portkatheters oder Knochenmarkbiopsien – kombiniert, um die Anzahl der Narkosen zu reduzieren.
Die Aufbereitung des Ovarialgewebes folgte standardisierten Protokollen: Der Eierstock wurde auf eine Dicke von 1,5–2,0 mm ausgedünnt und in 3–5 mm breite Streifen geschnitten, bevor das Gewebe mit speziellen Gefrierlösungen und unter kontrollierter Temperaturabsenkung kryokonserviert wurde. Anschließend wurde es in Langzeitlagerungsanlagen transferiert.
Es wurden umfangreiche Daten zu Demografie, Diagnosen, Behandlung, Pubertätsstatus und Studienteilnahme erfasst. Die statistische Auswertung erfolgte mit spezialisierter Software, um Trends über den 12-Jahres-Zeitraum zu identifizieren.
Patientenmerkmale und Diagnosen
Im Studienzeitraum wurde bei 184 Patientinnen Ovarialgewebe kryokonserviert. Das mediane Alter zum Zeitpunkt des Eingriffs betrug 8,99 Jahre, die Altersspanne reichte vom Neugeborenenalter bis 27 Jahre. Dies unterstreicht den Fokus des Programms auf pädiatrische und junge erwachsene Patientinnen.
Die Patientinnenpopulation wies folgende demografische Merkmale auf:
- 73,2 % gaben ihre ethnische Zugehörigkeit als weiß an
- 8,2 % als schwarz
- 5,4 % als asiatisch
- 13,2 % mit anderem ethnischen Hintergrund
- 75,5 % waren nicht-hispanisch
- 15,8 % identifizierten sich als Hispanic oder Latino
- 8,7 % machten keine Angabe zur ethnischen Herkunft
Zum Zeitpunkt des Eingriffs waren 115 Patientinnen (62,5 %) präpubertär und 69 (37,5 %) postpubertär. Im Laufe der Zeit behandelte das Programm zunehmend jüngere Patientinnen – das mediane Alter sank von anfangs 16,4 auf 6,6 Jahre.
Die Krebsdiagnosen variierten je nach Altersgruppe: Präpubertäre Patientinnen litten am häufigsten an:
- Anderen soliden Tumoren (meist Wilms-Tumor oder Neuroblastom)
- Sarkomen
- Tumoren des Gehirns oder Rückenmarks
Postpubertäre Patientinnen waren am häufigsten betroffen von:
- Sarkomen
- Leukämien oder Lymphomen
- Gutartigen hämatologischen Erkrankungen
Das Programm versorgte auch Patientinnen aus dem gesamten Bundesgebiet; 48 von ihnen (26,0 %) reisten aus externen Einrichtungen an – einige sogar aus so entlegenen Städten wie Seattle, Washington.
Zeitpunkt der Behandlung und Versorgungskoordination
Ein wichtiger Befund war, dass 128 Patientinnen (69,6 %) bereits einen Teil ihrer Krebstherapie erhalten hatten, bevor das Ovarialgewebe entnommen wurde. Dies traf gleichermaßen auf prä- und postpubertäre Patientinnen zu.
Die Verzögerung hatte meist zwei Gründe: die Dringlichkeit, die lebensrettende Krebstherapie sofort einzuleiten, oder der zusätzliche Bedarf an Bedenkzeit für die Familien. Alle vorbehandelten Patientinnen hatten bösartige Erkrankungen, die ein sofortiges Eingreifen erforderten.
Das Behandlungsteam koordinierte die Eingriffe hervorragend, um die Belastung der Patientinnen zu minimieren. In 61,4 % der Fälle wurde die Gewebeentnahme während derselben Narkose wie andere notwendige Prozeduren durchgeführt – davon profitierten 63,5 % der präpubertären und 58,0 % der postpubertären Patientinnen.
Häufig parallel durchgeführte Eingriffe waren:
- Implantation von Portkathetern
- Knochenmarkbiopsien
- Lumbalpunktionen
- Anlage von Ernährungssonden (Gastrostomie)
Studienteilnahme und Gewebespenden
Seit 2018 bot das Programm systematisch die Möglichkeit an, biologisches Material für Forschungszwecke zu spenden. Die Beteiligungsraten waren bemerkenswert hoch – ein Zeichen großer Unterstützung durch Patientinnen und Familien für die Weiterentwicklung der Fertilitätserhaltung.
Von den 113 zwischen 2018 und 2022 behandelten Patientinnen:
- spendeten 104 (92,0 %) Gewebe für die Forschung
- 99 (87,6 %) gaben Blutproben
- 102 (90,2 %) überließen Aufbereitungsmedien, die normalerweise verworfen worden wären
Bemerkenswerterweise hatten 52 der Gewebespenderinnen (50,0 %) bereits eine Krebstherapie erhalten – wertvolles Material, um Behandlungseffekte auf Ovarialgewebe zu erforschen. Besonders gesucht wurden Spenden von vorbehandelten Patientinnen, um die Auswirkungen gonadotoxischer Therapien auf kindliche Eierstöcke besser zu verstehen.
Stand nicht genügend Gewebe zur Verfügung (weniger als 80 % nach Abzug der Forschungsprobe), wurde stets die Kryokonservierung für die Patientin priorisiert, um das primäre Ziel der Fertilitätserhaltung nicht zu gefährden.
Programmentwicklung und Meilensteine
Das Programm entwickelte sich über die 12 Studienjahre erheblich weiter. 2011 startete es mit dem Beitritt des Lurie Children's Hospital zum Oncofertility Consortium der Northwestern University, um Kryokonservierung von Ovarialgewebe anzubieten.
Wichtige Meilensteine:
- 2011: Erste Kryokonservierung von Ovarialgewebe im Krankenhaus
- 2012: Die ASRM stufte die Eizellenkryokonservierung nicht länger als experimentell ein
- 2016: Etablierung des Fertility & Hormone Preservation & Restoration Program mit Forschungsunterstützung
- 2018: Ausweitung auf Patientinnen mit Differenzen der Geschlechtsentwicklung; mehr als 30 Fälle pro Jahr
- 2019: Die ASRM erkannte auch die Kryokonservierung von Ovarialgewebe als etablierte Methode an
- 2020: Eröffnung eines spezialisierten Labors für die Gonadengewebe-Aufbereitung innerhalb des Krankenhauses
Die steigenden Fallzahlen – über 30 Eingriffe jährlich – machten den Aufbau eines eigenen Labors notwendig. Der Betrieb der neuen Gewebeaufbereitungseinheit begann im Dezember 2020, mitten in der COVID-19-Pandemie, nach erfolgter Registrierung bei der FDA und dem Gesundheitsministerium von Illinois.
Klinische Bedeutung für Patientinnen und Familien
Die 12-Jahres-Bilanz zeigt deutliche Fortschritte beim Zugang zur Fertilitätserhaltung für junge Patientinnen. Steigende Fallzahlen, sinkendes Behandlungsalter und hohe Forschungsbeteiligung deuten auf eine wachsende Akzeptanz und Implementierung hin.
Für Familien, die mit einer Krebsdiagnose konfrontiert sind, bestätigt diese Studie:
- Die Aufklärung über Fertilitätserhaltung sollte Teil der umfassenden Krebsversorgung sein
- Kryokonservierung von Ovarialgewebe ist eine praktikable Option, auch für sehr junge Mädchen
- Eingriffe lassen sich oft mit anderen Therapien kombinieren, um die Belastung zu verringern
- Forschungsteilnahme kommt künftigen Patientinnen zugute
Die Anerkennung der Methode als etabliertes Verfahren durch die American Society for Reproductive Medicine 2019 war ein wichtiger Meilenstein. Sie trug vermutlich zu besserer Kostenerstattung und größerer Verfügbarkeit bei, ähnlich wie bei der Eizellenkryokonservierung nach 2012.
Patientinnen und Familien sollten wissen: Auch wenn die Kryokonservierung keine Garantie für spätere leibliche Kinder bietet, eröffnet sie zusätzliche Optionen für Fruchtbarkeit und Hormonersatz. Weltweit führte die Transplantation von kryokonserviertem Ovarialgewebe bis 2020 zu über 140 Lebendgeburten.
Studienbeschränkungen
Obwohl die Studie wertvolle Einblicke in ein wachsendes Programm zur Fertilitätserhaltung bietet, weist sie mehrere Einschränkungen auf. Als retrospektive Auswertung einer einzelnen Einrichtung sind die Ergebnisse möglicherweise nicht auf andere Zentren übertragbar.
Der Fokus lag auf Prozessparametern und Programmentwicklung, nicht auf langfristigen Behandlungsergebnissen. Künftige Forschung muss untersuchen, wie viele Patientinnen ihr kryokonserviertes Gewebe tatsächlich nutzen und wie erfolgreich Transplantationen verlaufen.
Die demografischen Daten zeigen eine begrenzte Vielfalt – überwiegend wurden weiße, nicht-hispanische Patientinnen behandelt. Dies deutet auf Versorgungsungleichheiten hin, die addressiert werden müssen.
Die Studie konnte auch nicht die komplexen Entscheidungsprozesse von Familien nach einer Krebsdiagnose abbilden.
Zukünftige Entwicklungen in der Fertilitätserhaltung
Die Forschung in diesem Bereich wird kontinuierlich weiterentwickelt. Der Schwerpunkt liegt auf der Optimierung von Techniken zur Fertilitäts- und Hormonwiederherstellung durch Ovarialgewebetransplantation. Außerdem werden Protokolle für Patientinnen mit Differenzen der Geschlechtsentwicklung erarbeitet, die von einer Kryokonservierung von Keimdrüsengewebe profitieren könnten.
Ein wichtiger Zukunftsschwerpunkt ist der Ausbau der Versorgung durch Kooperationen mit anderen Einrichtungen. Geplant sind Partnerschaften, die es Patientinnen ermöglichen, die Gewebeentnahme in lokalen Krankenhäusern durchführen zu lassen, während die Aufbereitung und Kryokonservierung im Lurie Children's Hospital erfolgt.
Dieses Modell – bereits erfolgreich in Ländern wie Dänemark, Deutschland und dem Vereinigten Königttemberg etabliert – könnte den Zugang zur Fertilitätserhaltung für Patientinnen erheblich verbessern, die nicht in spezialisierte Zentren reisen können. Besonders Patientinnen aus unterschiedlichen geografischen und sozioökonomischen Verhältnissen würden profitieren.
Laufende Forschungen an gespendeten Gewebeproben werden dazu beitragen, Kryotechniken zu verbessern, die Auswirkungen von Krebstherapien auf Eierstockgewebe besser zu verstehen und neue Methoden zur Wiederherstellung von Fruchtbarkeit und Hormonfunktion bei Überlebenden zu entwickeln.
Quellenangaben
Originaltitel: A dozen years of ovarian tissue cryopreservation at a pediatric hospital: tracking program and patient metrics while adapting to increasing needs
Autoren: Kathryn L. McElhinney, MD; Tara Kennedy, BS; Erin E. Rowell, MD; Monica M. Laronda, PhD
Veröffentlichung: F S Reports (Band 5, Ausgabe 2, Juni 2024, Seiten 197–204)
Hinweis: Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf einer begutachteten Originalstudie. Er fasst die wesentlichen Ergebnisse, Statistiken und Schlussfolgerungen zusammen und macht sie für Patientinnen und ihre Familien verständlich.