Ein komplexer Fall: Ungeklärte Atemnot bei einem Patienten mit rheumatoider Arthritis.

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Bei dieser 63-jährigen Patientin mit rheumatoider Arthritis entwickelte sich über zwei Monate hinweg unter Belastung eine ausgeprägte Atemnot. Umfassende Untersuchungen ergaben eine deutliche Weichteilverdickung um Herz, große Gefäße und Nieren bei gleichzeitig stark erhöhten Entzündungswerten. Nach Ausschluss von Infektionen, Tumorerkrankungen und anderen Entzündungsprozessen wurde die Diagnose einer Erdheim-Chester-Erkrankung gestellt – einer seltenen Störung, bei der bestimmte Immunzellen multiple Organe infiltrieren.

Ein komplexer Fall: Ungeklärte Atemnot bei einer Patientin mit rheumatoider Arthritis

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund: Warum dieser Fall relevant ist

Dieser detaillierte Fallbericht zeigt, wie Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen wie rheumatoider Arthritis komplexe, multisystemische Symptome entwickeln können, die eine sorgfältige Abklärung erfordern. Der Fall verdeutlicht die Bedeutung einer umfassenden Evaluation bei neu auftretenden Symptomen, insbesondere wenn mehrere Organsysteme betroffen sind.

Für Patientinnen und Patienten mit chronischen Erkrankungen ist es entscheidend zu verstehen, dass neue Symptome entweder Komplikationen ihrer Grunderkrankung oder eine völlig neue Diagnose darstellen können. Dieser Fall zeigt, wie moderne Bildgebung und Laboruntersuchungen zusammenwirken, um komplexe medizinische Rätsel zu lösen.

Fallvorstellung: Die Krankengeschichte der Patientin

Eine 63-jährige Frau wurde am Massachusetts General Hospital wegen seit zwei Monaten bestehender Belastungsdyspnoe untersucht. Fünfzehn Monate zuvor war bei ihr in einem anderen Krankenhaus nach sechsmonatiger Schwellung und Steifheit der Handgelenke sowie Hautstraffung an mehreren Fingern eine rheumatoide Arthritis diagnostiziert worden.

Die initiale Evaluation zeigte Schwanenhalsdeformitäten an beiden Händen und knöcherne Erosionen in den Röntgenaufnahmen. Sie begann eine Behandlung mit Methotrexat, was ihre Gelenkschwellung in den folgenden zwei Monaten besserte. Etwa ein Jahr später, sieben Wochen vor der aktuellen Vorstellung, entwickelte sie Belastungsdyspnoe und Fatigue.

Die Patientin bemerkte, dass sie bei Wanderungen mit Freundinnen Schwierigkeiten hatte, obwohl sie zuvor stets als Erste das Ziel erreicht hatte. Innerhalb von zwei Wochen entwickelte sie einen trockenen Husten, und ihre Atembeschwerden verschlechterten sich so sehr, dass sie nach nur zehn Minuten auf dem Laufband oder Ellipsentrainer pausieren musste.

Zusätzliche Symptome umfassten die Notwendigkeit von drei Kissen zum Schlafen, abdominale Blähungen, Appetitverlust und Übelkeit nach dem Essen. Ein Monat vor der aktuellen Evaluation war der COVID-19-Test ihres Hausarztes negativ. Erste Bildgebung zeigte diffuse retikuläre Zeichnungen in der Lunge und verschiedene abdominale Auffälligkeiten.

Diagnostische Abklärung: Untersuchungen und Befunde

Die Patientin unterzog sich umfangreichen Laboruntersuchungen, die deutlich erhöhte Entzündungsparameter ergaben. Ihre Blutsenkungsgeschwindigkeit (BSG) betrug 70 mm/h (Norm: 0-20 mm/h). Ihr C-reaktives Protein (CRP) lag bei 47,1 mg/Liter (Norm: <8,0 mg/Liter).

Weitere bemerkenswerte Laborbefunde:

  • Positiver antinukleärer Antikörper bei 1:640 (Hinweis auf autoimmune Aktivität)
  • Erhöhter Rheumafaktor bei 57 IE/ml (Norm: 0-14 IE/ml)
  • Hochpositiver anti-citruliniertes cyclisches Peptid >500 U/ml (Norm: 0-16 U/ml)
  • Niedriges Hämoglobin bei 9,8 g/dl (Norm: 12,0-16,0 g/dl), Hinweis auf Anämie
  • Niedriger Hämatokrit bei 31,4% (Norm: 36,0-46,0%)
  • Erhöhte Thrombozytenzahl bei 346.000/μl (Norm: 150.000-400.000/μl)
  • Erhöhtes N-terminales pro-B-Typ natriuretisches Peptid bei 672 pg/ml (Norm: <900 pg/ml), Hinweis auf Herzbeteiligung

Ihre Vorgeschichte umfasste die Entfernung eines Meningeoms, einen positiven Tuberkulin-Hauttest (obwohl ein spezifischerer Bluttest negativ war), einen solitären Lungenknoten, Hypertonie, Hypercholesterinämie, Diabetes, H. pylori-Gastritis, eine mit Kortikosteroid-Injektionen behandelte Frozen Shoulder und eine Kniearthroskopie.

Detaillierte Bildgebungsergebnisse

Die Patientin unterzog sich mehreren Bildgebungsuntersuchungen, die umfangreiche Auffälligkeiten zeigten:

Computertomographie (CT): Das Thorax-CT zeigte ein Lungenödem mit beidseitigen Pleuraergüssen, einen kleinen Perikarderguss mit ausgedehnter Perikardverdickung und Weichteilverdickungen um die großen Gefäße einschließlich der Aorta ascendens und descendens.

Abdominal-CT und MRT: Diese Untersuchungen zeigten ausgedehnte abnormale Weichteilverdickungen im Retroperitonealraum um beide Nieren, die abdominale Aorta und die thorakale Aorta descendens. Der Pankreaskopf erschien vergrößert, und es bestanden Pleuraergüsse und Perikardverdickungen.

Echokardiographie: Zeigte diffuses echogenes Material im Perikardraum, Pleuraergüsse und ein atypisches Erscheinungsbild von Gewebe um die Aortenwurzel mit einer Dicke von etwa 2 cm.

Kardiales MRT: Zeigte eine abnormale Kontrastmittelanreicherung im Perikard und Weichteilödeme im Mediastinum, jedoch keine Beteiligung des Herzmuskels selbst.

Diese Befunde wiesen auf einen weitverbreiteten Prozess hin, der die schützenden Gewebe um Organe und Blutgefäße im Thorax und Abdomen betraf.

Differentialdiagnose: Alle Möglichkeiten in Betracht ziehen

Das medizinische Team zog mehrere Krankheitskategorien in Betracht:

Infektion: Angesichts der immunsuppressiven Behandlung mit Methotrexat wurden Infektionen erwogen. Tuberkulose war aufgrund ihrer ostasiatischen Herkunft und des positiven Hauttests möglich, aber ein spezifischerer Bluttest war negativ. Lyme-Borreliose war aufgrund ihres Wohnsitzes in bewaldeten Gebieten Neuenglands denkbar, aber vorherige Tests waren negativ. Das Fehlen von Fieber und normale Leukozytenwerte machten eine bakterielle Infektion unwahrscheinlich.

Malignom: Die ausgedehnte Weichteilablagerung könnte auf ein Lymphom oder metastasierenden Krebs hindeuten. Allerdings bestand keine Krebsvorgeschichte, kein berichtetes Fieber, Gewichtsverlust oder Nachtschweiß, keine Lymphknotenvergrößerung in der Bildgebung und normale Leukozyten- und Thrombozytenwerte.

Entzündliche Erkrankungen: Die bestehende rheumatoide Arthritis ließ eine rheumatoiden Vaskulitis möglich erscheinen, aber die ausgedehnte Weichteilverdickung wäre ungewöhnlich. Andere entzündliche Erkrankungen wurden erwogen:

IgG4-assoziierte Erkrankung: Diese immunvermittelte fibroinflammatorische Erkrankung betrifft multiple Organe, zeigt typischerweise erhöhte Entzündungsparameter und kann Weichteilablagerungen um das Perikard, retroperitoneale Fibrose und Periaortitis verursachen. Eine Beteiligung der Aortenwurzel und Aorta ascendens wäre jedoch atypisch, ebenso wie das Fehlen von Lymphknotenvergrößerung und Eosinophilie.

Erdheim-Chester-Erkrankung: Diese seltene Nicht-Langerhans-Zell-Histiozytose betrifft multiple Systeme. Knochenbeteiligung tritt in bis zu 74% der Fälle auf, war hier jedoch nicht dokumentiert. Kardiovaskuläre Beteiligung kommt bei etwa einem Drittel der Patientinnen und Patienten vor. Die Bildgebung mit Weichteil-"Ummantelung" von Blutgefäßen ist hochcharakteristisch.

Klinischer Eindruck: Die wahrscheinlichste Diagnose

Nach Abwägung aller Möglichkeiten bestimmte das medizinische Team die Erdheim-Chester-Erkrankung als wahrscheinlichste Diagnose:

Die ausgedehnte Weichteilverdickung um die thorakale und abdominale Aorta, die Perikardbeteiligung mit Verdickung und Erguss, die retroperitoneale Fibrose und das charakteristische bildgebende Erscheinungsbild wiesen alle auf diese seltene Erkrankung hin. Das Team merkte an, dass eine Biopsie des betroffenen Gewebes zur Diagnosebestätigung erforderlich wäre.

Diese Erkrankung erklärte ihre Herzinsuffizienzsymptome (trotz normaler Herzpumpfunktion), die weitverbreiteten entzündlichen Befunde und die Multi-Organ-Beteiligung in der Bildgebung.

Was dies für Patientinnen und Patienten bedeutet

Dieser Fall veranschaulicht mehrere wichtige Punkte für Patientinnen und Patienten mit Autoimmunerkrankungen:

Erstens sollten neue Symptome während der Behandlung chronischer Erkrankungen niemals als Teil der ursprünglichen Erkrankung abgetan werden. Die Entwicklung von Atemnot, Fatigue und Flüssigkeitsretention bei dieser Patientin stellte einen neuen Krankheitsprozess dar.

Zweitens ist eine umfassende Evaluation essentiell, wenn Symptome multiple Körpersysteme betreffen. Diese Patientin benötigte anspruchsvolle Bildgebung und Laboruntersuchungen, um die weitverbreitete Natur ihrer Erkrankung zu identifizieren.

Schließlich können seltene Erkrankungen häufige Erkrankungen imitieren. Das medizinische Team musste ungewöhnliche Diagnosen in Betracht ziehen, sobald häufige Ursachen ausgeschlossen waren.

Einschränkungen dieser Fallanalyse

Dieser Fallbericht hat mehrere wichtige Einschränkungen:

Er stellt die Erfahrung einer einzelnen Patientin dar, und ihre spezifische Präsentation mag nicht auf andere mit ähnlichen Symptomen zutreffen. Die Diagnose der Erdheim-Chester-Erkrankung basierte auf klinischen und bildgebenden Befunden, erforderte jedoch pathologische Bestätigung durch Biopsie.

Die multiplen medizinischen Erkrankungen der Patientin mögen sowohl ihre Präsentation als auch den diagnostischen Prozess beeinflusst haben. Einige diagnostische Tests (wie IgG4-Spiegel oder Knochenbildgebung) wurden in dieser Fallzusammenfassung nicht berichtet.

Empfehlungen für Patientinnen und Patienten mit ähnlichen Symptomen

Für Patientinnen und Patienten mit ähnlichen Symptomen, insbesondere mit bestehenden Autoimmunerkrankungen, ergeben sich folgende Empfehlungen:

  1. Melden Sie neue Symptome umgehend Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, besonders wenn sie eine Veränderung Ihres Grundzustands darstellen
  2. Führen Sie detaillierte Aufzeichnungen über den Symptomverlauf, einschließlich Beginn, auslösende Faktoren und Auswirkungen auf den Alltag
  3. Bewahren Sie Kopien aller Untersuchungsergebnisse auf, da der Vergleich über die Zeit entscheidende diagnostische Informationen liefern kann
  4. Fragen Sie nach einer Überweisung an ein spezialisiertes Zentrum, wenn Ihre Diagnose unklar bleibt
  5. Verstehen Sie, dass komplexe Diagnosen oft multiple Spezialisten erfordern, die zusammenarbeiten

Patientinnen und Patienten sollten sich bewusst sein, dass seltene Erkrankungen oft die Konsultation von Spezialisten an akademischen Zentren erfordern, wo Erfahrung mit ungewöhnlichen Erkrankungen und Zugang zu modernsten diagnostischen Technologien besteht.

Quellenangabe

Originalartikeltitel: Fall 18-2025: Eine 63-jährige Frau mit Belastungsdyspnoe

Autoren: Malissa J. Wood, Carola A. Maraboto Gonzalez, Reece J. Goiffon, Eric D. Jacobsen, Bailey M. Hutchison

Publikation: The New England Journal of Medicine, 26. Juni 2025

DOI: 10.1056/NEJMcpc2300897

Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf begutachteter Forschung aus den Fallberichten des Massachusetts General Hospital.