Optionen zur Fertilitätserhaltung bei Frauen vor einer Krebstherapie: Ein umfassender Leitfaden

Optionen zur Fertilitätserhaltung bei Frauen vor einer Krebstherapie: Ein umfassender Leitfaden

Can we help?

Dieser umfassende Übersichtsartikel vergleicht drei Methoden zur Fertilitätserhaltung bei Frauen unter Krebstherapie: das Einfrieren von Eierstockgewebe, die Kryokonservierung von Eizellen und die Kryokonservierung von Embryonen. Die Auswertung von Daten aus 23 Studien mit 3.271 Patientinnen ergab, dass die Eizellkryokonservierung mit 27 % die höchste Lebendgeburtenrate aufwies, gefolgt vom Einfrieren von Ovarialgewebe mit 8,76 % und der Embryokryokonservierung mit 6,74 %. Obwohl alle Verfahren vielversprechend sind, bleibt die Ovarialgewebekonservierung besonders wertvoll für junge Mädchen und Patientinnen, bei denen eine Verzögerung der Krebstherapie nicht möglich ist.

Fruchtbarkeitserhalt bei Frauen vor Krebstherapie: Ein umfassender Leitfaden

Inhaltsverzeichnis

Einleitung: Warum Fruchtbarkeitserhalt wichtig ist

Moderne Krebstherapien haben die Überlebensraten deutlich verbessert, weshalb die Lebensqualität nach der Erkrankung stärker in den Fokus rückt. Für viele Frauen ist die Möglichkeit, Kinder zu bekommen, ein entscheidender Aspekt ihrer körperlichen, psychischen und sozialen Gesundheit. Chemo- und Strahlentherapien können jedoch die Eierstockfunktion schädigen und zu einer vorzeitigen Ovarialinsuffizienz (POI) führen – einem vorzeitigen Versagen der Eierstöcke vor dem 40. Lebensjahr.

Bestimmte Chemotherapeutika, insbesondere alkylierende Substanzen, können eine follikuläre Atresie verursachen, also das Absterben eihaltiger Follikel in den Eierstöcken. Diese Schädigung kann die Fruchtbarkeit erheblich mindern oder aufheben. Nationale und internationale Leitlinien empfehlen daher, Krebspatientinnen vor Therapiebeginn an Fruchtbarkeitsspezialisten zu überweisen. Die meisten verfügbaren Daten stammen allerdings von Patientinnen mit soliden Tumoren und weniger von Blutkrebspatientinnen.

Aktuell werden drei Hauptoptionen zum Fruchtbarkeitserhalt anerkannt: Kryokonservierung von Embryonen (Einfrieren befruchteter Eizellen), Kryokonservierung von Oozyten (Einfrieren unbefruchteter Eizellen) und Kryokonservierung von Ovarialgewebe (Einfrieren von Eierstockgewebe mit enthaltenen Eizellen). Die Ovarialgewebekryokonservierung ist besonders wichtig, da sie die einzige Option für Mädchen vor der Pubertät und für Frauen ist, deren Krebstherapie nicht verzögert werden kann.

Methodik der Studie

Die Forschenden führten eine systematische Übersichtsarbeit durch, indem sie die verfügbare wissenschaftliche Literatur umfassend durchsuchten und analysierten. Dafür durchforsteten sie drei große medizinische Datenbanken – PubMed, Cochrane Library und EBSCOHost – mit spezifischen Suchbegriffen zum Fruchtbarkeitserhalt bei Krebspatientinnen.

Die Suche ergab zunächst 4.188 potenzielle Studien aus den Jahren 2013 bis 2021. Nach sorgfältiger Prüfung blieben 23 Studien übrig, die den strengen Einschlusskriterien entsprachen. Diese setzten sich wie folgt zusammen:

  • 9 Fallberichte (detaillierte Beschreibungen einzelner Patientinnen)
  • 10 retrospektive Kohortenstudien (Auswertung vorhandener Patientendaten)
  • 3 prospektive Kohortenstudien (begleitende Erfassung von Patientinnen über die Zeit)
  • 1 Fragebogenstudie

Es fanden sich keine randomisierten klinischen Studien, die die Methoden direkt verglichen – was die ethischen Herausforderungen in diesem Forschungsbereich widerspiegelt. Die Qualität der nicht-randomisierten Studien bewertete das Team mit der Newcastle-Ottawa-Skala, einem Standardinstrument. Studien mit einer Bewertung von 6 oder höher (von maximal 9 Punkten) galten als von mittlerer bis guter Qualität.

Die Analyse umfasste Daten von 3.271 Patientinnen, wobei die meisten Studien in den USA durchgeführt wurden. Erfasst wurden detaillierte Informationen zu Krebsarten, Behandlungsschemata, Methoden des Fruchtbarkeitserhalts sowie Outcomes wie Lebendgeburten, Schwangerschaften, Wiederherstellung der Eierstockfunktion und Lebensqualität.

Detaillierte Ergebnisse: Erfolgsraten verschiedener Methoden

Das Forschungsteam wertete die Ergebnisse für jede Methode des Fruchtbarkeitserhalts separat aus, basierend auf den 23 eingeschlossenen Studien. Die Erfolgsraten variierten je nach Verfahren.

Kryokonservierung von Ovarialgewebe

Das Einfrieren von Eierstockgewebe war die am häufigsten untersuchte Methode: 1.382 Patientinnen in 17 Studien entschieden sich dafür. Nach Reimplantation des Gewebes wurden 121 Lebendgeburten verzeichnet, was einer Erfolgsrate von 8,76 % entspricht.

Weitere Beobachtungen zur Ovarialgewebekryokonservierung:

  • Zwei Studien schlossen Patientinnen ein, die sowohl Ovarialgewebe- als auch Eizellenkryokonservierung durchführten
  • Eine Studie erfasste Patientinnen, die mehrere Methoden kombinierten
  • Das Durchschnittsalter bei der Kryokonservierung betrug 23,6 Jahre
  • Es wurden 43 Fehlgeburten und 2 erfolglose IVF-Versuche dokumentiert
  • In einer großen Studie mit 418 Patientinnen gab es bislang keine Lebendgeburten; 84 Frauen waren jedoch noch in Remission und hatten noch keinen Schwangerschaftsversuch unternommen

Zusätzlich zeigten sich nach der Reimplantation ausreichend Antralfollikel (Eibläschen mit heranreifenden Eizellen) und eine wiederhergestellte Eierstockfunktion. Der operative Eingriff zur Gewebeentnahme (Ein-Trokar-Laparoskopie) verlief erfolgreich und mit minimaler Blutung; es traten 10 erfolgreiche Schwangerschaften auf.

Kryokonservierung von Oozyten

Das Einfrieren von Eizellen wurde von 647 Patientinnen in 8 Studien gewählt. Diese Methode führte zu 175 Lebendgeburten – einer Erfolgsrate von 27 % und damit der höchsten unter den drei Verfahren.

Wichtige Ergebnisse zur Eizellenkryokonservierung:

  • Drei Studien überschnitten sich mit Patientinnen, die auch andere Methoden wählten
  • Studien, die Eizell- und Embryokryokonservierung kombinierten, verzeichneten 14 Lebendgeburten bei 359 Patientinnen
  • Es gab zwei Fehlgeburten, und 5 Frauen wurden nicht schwanger
  • Eine prospektive Studie mit 538 Patientinnen ergab Lebendgeburten bei 46 % der Frauen mit Eizelleinfrieren gegenüber 54 % bei Embryokryokonservierung
  • Eine große Studie mit 217 chemotherapiebehandelten Patientinnen verzeichnete 164 Lebendgeburten
  • Lebendgeburten traten häufiger bei Frauen auf, die nach der Pubertät bestrahlt wurden

Das Durchschnittsalter beim Eizelleinfrieren betrug 31,2 Jahre. Es wurden 10 Fehlgeburten und 6 erfolglose Schwangerschaften dokumentiert.

Kryokonservierung von Embryonen

Das Einfrieren von Embryonen wurde von 267 Patientinnen in 4 Studien gewählt und führte zu 18 Lebendgeburten – einer Erfolgsrate von 6,74 %.

Bemerkenswerte Ergebnisse zur Embryokryokonservierung:

  • Zwei Lebendgeburten resultierten aus dem Transfer zuvor eingefrorener Embryonen bei einer 33-jährigen Patientin mit Astrozytom
  • Sechs Lebendgeburten traten in einer Studie auf, die Embryo- und Eizellkryokonservierung kombinierte
  • Eine Studie verzeichnete eine Fehlgeburtenrate von 20 %
  • Acht Lebendgeburten wurden in einer Studie mit Embryo- und Ovarialgewebekryokonservierung erfasst
  • Es gab 8 nicht zuordenbare erfolglose Schwangerschaften
  • Eine Studie berichtete über 2 Lebendgeburten (Zwillinge) bei einer von 20 Patientinnen

Alle Patientinnen in diesen Studien hatten Brustkrebs und erhielten eine Hormontherapie (Aromatasehemmer). Das Durchschnittsalter bei der Embryokryokonservierung betrug 31 Jahre. Es wurden 18 Fehlgeburten und 5 erfolglose Konzeptionen bzw. Implantationen dokumentiert.

Bedeutung der Ergebnisse für Patientinnen

Diese Forschung bietet wertvolle Einblicke für Frauen, die vor einer Krebstherapie ihre Fruchtbarkeit erhalten möchten. Die unterschiedlichen Erfolgsraten – 27 % für Eizelleinfrieren, 8,76 % für Ovarialgewebeeinfrieren und 6,74 % für Embryoeinfrieren – müssen im Kontext betrachtet werden.

Das Eizelleinfrieren erzielte derzeit die höchste Anzahl an Schwangerschaften und Lebendgeburten. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass die Technik länger etabliert ist, was mehr Erfahrung und berichtete Ergebnisse mit sich bringt. Daher erscheint sie als vertrauenswürdige Option.

Die niedrigeren Raten bei der Embryokryokonservierung könnten den Anwendungskontext widerspiegeln: Embryonen werden mit dem Sperma eines Partners erzeugt, was diese Option vor allem für Frauen in festen Partnerschaften attraktiv macht. Dies führt zu einer kleineren Patientinnengruppe im Vergleich zum Eizelleinfrieren.

Die Ovarialgewebekryokonservierung, obwohl prozentual mit der niedrigsten Erfolgsrate, ist für bestimmte Gruppen ein entscheidender Fortschritt. Sie ist besonders wertvoll für:

  • Mädchen vor der Pubertät, bei denen keine Eizellstimulation möglich ist
  • Frauen, deren Krebstherapie nicht verzögert werden kann
  • Patientinnen, bei denen eine Hormonstimulation riskant wäre

Die niedrigere Quote beim Ovarialgewebeeinfrieren dürfte darauf zurückzuführen sein, dass viele Patientinnen zum Zeitpunkt der Entnahme jünger waren und noch keine Schwangerschaftsversuche unternommen haben – und weniger auf eine mangelnde Wirksamkeit der Methode.

Einschränkungen der Studie

Bei der Interpretation der Ergebnisse sind mehrere Einschränkungen zu beachten. Die größte Herausforderung war das Fehlen einheitlicher Definitionen und Berichterstattung erfolgreicher Outcomes in den Studien.

Einige Studien konzentrierten sich auf Lebendgeburtenraten, andere nutzten verschiedene Fertilitätsmarker wie:

  • ovarielle Reserve
  • Antralfollikel-Zahl
  • Anzahl gewonnener Eizellen nach Stimulation
  • Hormonspiegel (insbesondere AMH)
  • Schwangerschaftsraten
  • Wiederaufnahme des Menstruationszyklus

Diese Variabilität machte eine Meta-Regressionsanalyse unmöglich, die präzisere Wirksamkeitsschätzungen geliefert hätte. Zudem wurden Outcomes zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfasst, was Vergleiche erschwerte.

Nicht alle Patientinnen unternahmen nach dem Fruchtbarkeitserhalt Schwangerschaftsversuche: Einige blieben in Remission ohne Versuch, andere verstarben vorher. Die Forschung konnte auch wichtige Faktoren nicht berücksichtigen wie:

  • Unterschiede in Krebsarten und Behandlung
  • Variationen in operativen Techniken und Einfrierprotokollen
  • Zeit zwischen Einfrieren und Reimplantation
  • Alter und ovarielle Reserve der Patientinnen

Praktische Empfehlungen für Patientinnen

Basierend auf dieser Übersichtsarbeit hier evidenzbasierte Empfehlungen für Frauen vor Krebstherapie, die Fruchtbarkeitserhalt erwägen:

  1. Frühzeitige Beratung: Sprechen Sie vor Therapiebeginn mit Ihrem Onkologieteam über Fruchtbarkeitserhalt. Eine frühe Überweisung an Spezialisten verbessert die Optionen.
  2. Alter und Situation berücksichtigen:
    • Eizellenkryokonservierung eignet sich für Frauen nach der Pubertät, die Behandlung verschieben können
    • Ovarialgewebekryokonservierung ist die einzige Option für Mädchen vor der Pubertät und bei sofortigem Therapiebedarf
    • Embryonenkryokonservierung kommt für Frauen mit Partner infrage, die sich für gemeinsame Kinder entschieden haben
  3. Erfolgsquoten im Kontext verstehen: Die 27 % beim Eizelleinfrieren spiegeln die längere Erfahrung wider und sind nicht für jede Patientin die "beste" Option. Neuere Methoden wie Ovarialgewebekryokonservierung weisen möglicherweise nur deshalb niedrigere Raten auf, weil weniger Frauen bisher Schwangerschaftsversuche unternommen haben.
  4. Kombination erwägen: Einige Patientinnen in den Studien nutzten mehrere Methoden. Wenn möglich, kann die Kombination von Ansätzen die zukünftigen Optionen erweitern.
  5. Erfahrung des Zentrums erfragen: Die Erfolgsquoten können zwischen Zentren variieren. Fragen Sie nach den spezifischen Ergebnissen und der Erfahrung Ihrer Klinik.
  6. Finanzielle Aspekte bedenken: Fruchtbarkeitserhalt kann kostspielig sein, und die Kostenübernahme variiert. Besprechen Sie dies mit Ihrem Behandlungsteam.
  7. Langfristig denken: Selbst wenn eine Schwangerschaft nicht sofort geplant ist, können erhaltene Optionen psychologische Vorteile und Zukunftsperspektiven bieten.

Quelleninformation

Originaltitel: Ovarian Tissue Cryopreservation versus Other Fertility Techniques for Chemoradiation-Induced Premature Ovarian Insufficiency in Women: A Systematic Review and Future Directions

Autoren: Eman N. Chaudhri, Ayman Salman, Khalid Awartani, Zaraq Khan, and Shahrukh K. Hashmi

Veröffentlichung: Life 2024, 14(3), 393

Hinweis: Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf einer peer-reviewten Studie und zielt darauf ab, komplexe medizinische Informationen verständlich darzustellen, ohne die Kernaussagen der Originalarbeit zu verändern.