Atemnotsyndrom des Neugeborenen. Frühgeborene. 1

Atemnotsyndrom des Neugeborenen. Frühgeborene. 1

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Dr. Tore Curstedt, ein führender Experte für das neonatale Atemnotsyndrom, war maßgeblich an der Entwicklung des lebensrettenden Medikaments Curosurf beteiligt. Dabei handelt es sich um ein exogenes Surfactant, das Frühgeborenen verabreicht wird, die noch nicht in der Lage sind, ihren eigenen Oberflächenfilm zu produzieren. Dr. Curstedt erklärt, wie das Medikament innerhalb weniger Minuten nach der Gabe die Sauerstoffaufnahme deutlich verbessert: Es reduziert die Oberflächenspannung in den Lungenbläschen, verhindert so einen Kollaps der Lunge und erleichtert die Entfaltung während der Einatmung. Vor der Einführung dieses Medikaments verstarben selbst Kinder, die wie der Sohn von Präsident Kennedy in der 34. Schwangerschaftswoche geboren wurden, trotz optimaler medizinischer Versorgung häufig an dieser Erkrankung.

Neonatales Atemnotsyndrom und Surfactant-Therapie verstehen

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Was ist das neonatale Atemnotsyndrom?

Das neonatale Atemnotsyndrom (Respiratory Distress Syndrome, RDS) ist eine lebensbedrohliche Erkrankung, die vor allem Frühgeborene mit unreifen Lungen betrifft. Kernproblem ist ein kritischer Mangel an pulmonalem Surfactant. Laut Dr. Tore Curstedt, MD, können die winzigen Lungenbläschen (Alveolen) ohne dieses Surfactant nicht richtig funktionieren. Das führt zu Atemproblemen und einem gefährlichen Sauerstoffmangel im Blut und Gewebe.

Wie die Surfactant-Therapie wirkt

Exogene Surfactant-Präparate wie Curosurf ahmen die Funktion des natürlichen Surfactants nach. Dr. Curstedt erläutert, dass die Behandlung zwei Hauptaufgaben erfüllt: Sie verringert die Oberflächenspannung in den Alveolen und überzieht diese, um ihre Ausdehnung zu erleichtern. Diese doppelte Wirkung erleichtert das Öffnen der Lungen bei der Einatmung und ermöglicht so die lebenswichtige Sauerstoffaufnahme. Zudem verhindert sie den Kollaps der Alveolen bei der Ausatmung, was typisch für RDS ist.

Curosurf-Behandlungsprotokoll und Dosierung

Das Behandlungsprotokoll für den Surfactant-Ersatz ist äußerst effizient. Dr. Tore Curstedt, MD, erklärt, dass das Medikament meist nur ein-, zwei- oder maximal dreimal verabreicht wird, da seine Halbwertszeit etwa ein bis zwei Tage beträgt. Das entscheidende Behandlungsfenster sind die ersten zwei bis vier Lebenstage. In dieser Phase benötigen etwa 40 % der Babys nur eine Dosis, während die übrigen 40–60 % zwei oder drei Dosen brauchen, bis ihre Lungen eigenes Surfactant produzieren.

Sofortige Effekte der Surfactant-Therapie

Die klinischen Effekte der Surfactant-Gabe sind schnell und eindrücklich. Dr. Curstedt beschreibt, wie ein zyanotisches (bläuliches) Frühgeborenes mit schwerem Sauerstoffmangel binnen zwei bis vier Minuten zu einem rosigen, gut oxygenierten Baby werden kann. Diese sofortige Besserung tritt ein, weil das Surfactant den Lungen ermöglicht, Sauerstoff aus der Luft aufzunehmen und ins Blut zu übertragen – essenziell für Stoffwechsel und Überleben.

Historischer Kontext und Entwicklung

Der Zusammenhang zwischen Surfactant-Mangel und dem Atemnotsyndrom bei Frühgeborenen wurde in den späten 1950er Jahren von Dr. Mary Ellen Avery hergestellt. Doch eine wirksame Behandlung blieb jahrzehntelang aus. Dr. Tore Curstedt, MD, verweist auf ein bewegendes Beispiel: Der Sohn von Präsident John F. Kennedy, 1963 in der 34. Schwangerschaftswoche mit 2,1 Kilogramm geboren, starb an RDS – trotz Behandlung in einem der besten Bostoner Krankenhäuser. Diese Tragödie unterstrich den dringenden medizinischen Bedarf, dem Dr. Curstedt und sein Kollege Dr. Bengt Robertson mit ihrer bahnbrechenden Surfactant-Forschung begegneten.

Auswirkung auf das Überleben frühgeborener Kinder

Die Entwicklung von Curosurf und ähnlichen exogenen Surfactants revolutionierte die Neonatologie. Vor ihrer Verfügbarkeit war RDS eine Haupttodesursache bei Frühgeborenen, da sie keinen Sauerstoff aufnehmen konnten. Die Arbeit von Dr. Curstedt bot eine einfache, aber hocheffektive Lösung, die direkt die Ursache des Syndroms angeht. Das Medikament unterstützt die Atmung in den kritischen ersten Lebenstagen und gibt Frühgeborenen Zeit zu reifen und eigenes Surfactant zu bilden – und rettet so weltweit Millionen Leben.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: Dr. Curstedt, Sie haben mit Curosurf ein Medikament erfunden, das weltweit Millionen Babys das Leben rettet. Könnten Sie kurz beschreiben, welches Problem Ihr Medikament so erfolgreich behandelt?

Dr. Tore Curstedt, MD: Frühgeborenen fehlt Surfactant. Ohne Surfactant können sie nicht atmen, denn es überzieht die Alveolen. So kollabieren die Alveolen bei der Ausatmung nicht, und das Medikament erleichtert ihre Ausdehnung bei der Einatmung. Überleben die Babys zwei oder drei Tage, beginnen sie, eigenes Surfactant zu produzieren.

Dr. Anton Titov, MD: Es kommt also auf die ersten Lebenstage an?

Dr. Tore Curstedt, MD: Genau, auf die ersten zwei, drei oder vier Tage. Normalerweise gibt man dieses exogene Surfactant nur ein-, zwei- oder dreimal – nicht öfter. Die Halbwertszeit beträgt ein bis zwei Tage.

Dr. Anton Titov, MD: Das Medikament, das Sie miterfunden haben, muss einem frühgeborenen Baby also nur ein- bis dreimal verabreicht werden, um lebensrettend zu wirken.

Dr. Tore Curstedt, MD: Ja. Etwa 40 % der Babys brauchen es nur einmal, die anderen 40 bis 60 % vielleicht zwei- oder dreimal.

Dr. Anton Titov, MD: Wie wirkt das Medikament?

Dr. Tore Curstedt, MD: Es verringert die Oberflächenspannung in der Lunge und überzieht die Alveolen. So können sich die Alveolen besser öffnen. Das Surfactant senkt die Oberflächenspannung und erleichtert das Öffnen der Lungen bei der Einatmung. Es verhindert auch, dass die Alveolen bei der Ausatmung kollabieren.

Dr. Anton Titov, MD: Wenn Sie das Medikament einem frühgeborenen Baby geben, verhindert es also den Alveolen-Kollaps – das Kennzeichen des Atemnotsyndroms.

Dr. Tore Curstedt, MD: Ja, und es erleichtert das Öffnen, damit Sauerstoff in die Lungen gelangt und vom Blut aufgenommen werden kann.

Dr. Anton Titov, MD: Die Wirkung scheint einfach, ist aber dramatisch. Bevor Curosurf verfügbar war, starben Babys, weil Sauerstoff nicht in ihre Gewebe gelangte.

Dr. Tore Curstedt, MD: Ja, sie konnten keinen Sauerstoff aufnehmen. Man sieht ein zyanotisches, blaues Baby – es kann weder Sauerstoff aufnehmen noch nutzen. Es fehlt der Sauerstoff für den Stoffwechsel. Gibt man Surfactant, wird das blaue Baby binnen Minuten rosig.

Dr. Anton Titov, MD: Ein sehr schnell sichtbarer Effekt.

Dr. Tore Curstedt, MD: Sehr schnell, in zwei, drei oder vier Minuten.

Dr. Anton Titov, MD: Sie haben ein Medikament erfunden, das ein- bis dreimal verabreicht wird und Leben verändert.

Dr. Tore Curstedt, MD: Es verändert Leben und ermöglicht Überleben. Natürlich war Surfactant als oberflächenaktive Substanz schon bekannt. Dr. Mary Avery hatte in den späten 1950ern gezeigt, dass Frühgeborene einen Mangel daran haben.

Dr. Anton Titov, MD: Der Zusammenhang mit dem Mangel an oberflächenaktivem Material bei Frühgeborenen war also seit den späten 1950ern bekannt. Dennoch starb 1963 das frühgeborene Kind von Präsident Kennedy – geboren in der 34. Woche.

Dr. Anton Titov, MD: Es war nicht extrem früh...

Dr. Tore Curstedt, MD: Nein, nur etwas früh.

Dr. Anton Titov, MD: Sechs Wochen vor dem Termin.

Dr. Tore Curstedt, MD: Sechs Wochen... das Gewicht betrug 2,1 Kilogramm, also ein großes Baby. Es starb am Atemnotsyndrom. Obwohl man über Surfactant Bescheid wusste, war es 1963 unmöglich, den Babys exogenes Surfactant zu geben.

Dr. Anton Titov, MD: Es wurde in einem der besten US-Krankenhäuser in Boston behandelt.

Dr. Tore Curstedt, MD: Ja, es war das Kind des Präsidenten.

Dr. Anton Titov, MD: Das beste Krankenhaus.

Dr. Tore Curstedt, MD: Das beste Krankenhaus. Die beste damalige Behandlung.

Dr. Anton Titov, MD: Tausende Meilen entfernt begann ein junger Forscher, Dr. Tore Curstedt, an einer Lösung zu arbeiten.

Dr. Tore Curstedt, MD: Ja, ich und mein Kollege Dr. Bengt Robertson starteten damit. Natürlich forschten auch anderswo Teams an Surfactant.