Bei diesem Fall handelt es sich um einen 41-jährigen Mann mit koronarer Herzkrankheit, der Knöchelschwellungen, Fieber und zwei Synkopen entwickelte. Die bildgebende Diagnostik zeigte vergrößerte Lymphknoten im Brustkorb sowie Lungenknötchen. Nach umfangreicher Abklärung diagnostizierten die Ärzte ein Löfgren-Syndrom, eine akute Verlaufsform der Sarkoidose, die typischerweise mit Knöchelarthritis, Hautausschlag und vergrößerten thorakalen Lymphknoten einhergeht. Der Fall verdeutlicht, dass Synkopen (kurzzeitige Bewusstseinsverluste) ein wichtiger Hinweis auf eine kardiale Beteiligung bei entzündlichen Erkrankungen sein können.
Verständnis eines komplexen medizinischen Falls: Synkope, Knöchelschwellung und Thoraxbefunde
Inhaltsverzeichnis
- Fallvorstellung
- Anamnese und Risikofaktoren
- Untersuchungsbefunde
- Laborergebnisse
- Bildgebende Verfahren
- Diagnostisches Vorgehen
- Differenzialdiagnose
- Endgültige Diagnose
- Klinische Implikationen
- Quelleninformation
Fallvorstellung
Ein 41-jähriger Mann stellte sich am Massachusetts General Hospital mit Schwellungen beider Knöchel und wiederholten Synkopen (Kreislaufkollaps) vor. Seine Beschwerden hatten etwa 4,5 Monate zuvor mit Belastungsdyspnoe (Atemnot bei Anstrengung) und einem brennenden Gefühl in der Brust begonnen.
Diese anfänglichen Symptome bestanden über mehrere Wochen und führten zur Aufnahme in einer anderen Klinik. Damals zeigte die Thoraxbildgebung keine Auffälligkeiten, jedoch ergab die Koronarangiographie eine hochgradige Stenose (Verengung) der rechten Koronararterie. Nach der Implantation eines Stents verschwanden die Symptome vollständig.
Zehn Tage vor der jetzigen Vorstellung entwickelte der Patient zunehmende Müdigkeit. In den folgenden drei Tagen traten Fieber, diffuse Myalgien (Muskelschmerzen), Appetitlosigkeit, leichte Kopfschmerzen, neu aufgetretene disseminierte Ekchymosen (Blutergüsse) sowie Arthralgien (Gelenkschmerzen) in Handgelenken und Knöcheln auf.
Obwohl der SARS-CoV-2-Test negativ ausfiel, hielten die Symptome an. Am fünften Krankheitstag hatte er Fieber (38,2°C) und erlitt beim Aufstehen von einem Stuhl eine Synkope, die zu einem Sturz mit Verletzung des rechten Knies führte. Am nächsten Morgen wurde ihm beim Wasserlassen übel, er war schweißgebadet und schwindlig, bevor eine weitere beobachtete Synkope auftrat, bei der er sich den Kopf anschlug.
Anamnese und Risikofaktoren
Der Patient litt unter mehreren Vorerkrankungen: koronare Herzkrankheit, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung, gestörte Glukosetoleranz, Adipositas, erektile Dysfunktion, Fettleber, Rosazea und eine Angststörung. Seine Medikation umfasste Aspirin, Ticagrelor, Atorvastatin, Metoprolol, Amlodipin und Escitalopram.
Bedeutende Risikofaktoren waren:
- Büroangestellter, lebte in einer städtischen Region Neuenglands mit einer Katze
- Vor etwa 6 Monaten ein Katzenkratzer am linken Handgelenk
- 12 Jahre lang täglich eine halbe Packung Zigaretten geraucht
- Früherer Cannabiskonsum, aktuell kein Tabak-, Alkohol- oder Drogenkonsum
- Reisen in Küstenregionen Neuenglands, mittelatlantische Staaten und den Südosten der USA
- Vor längerer Zeit zwei Jahre im Vereinigten Königreich gelebt
In der Familienanamnese fanden sich Fettstoffwechselstörungen, Bluthochdruck, systemische Sklerose bei der Mutter, Lungenfibrose bei einer Tante mütterlicherseits, rauchbedingter Lungenkrebs bei der Großmutter mütterlicherseits und Bauchspeicheldrüsenkrebs beim Großvater mütterlicherseits.
Untersuchungsbefunde
Bei der Aufnahmeuntersuchung zeigten sich folgende Vitalparameter:
- Temperatur: 36,3°C
- Herzfrequenz: 79 Schläge/Minute
- Blutdruck: 121/72 mm Hg
- Sauerstoffsättigung: 99% unter Raumluft
Er wies trockene Schleimhäute als Zeichen einer Dehydratation auf. Das rechte Knie war druckempfindlich mit eingeschränkter Beugung. Ekchymosen (Blutergüsse) fanden sich an der linken Hüfte und am rechten Bizeps. Bei der Wiedervorstellung vier Tage später mit verschlechterten Symptomen betrug die Temperatur 37,6°C, die Herzfrequenz 88 Schläge/Minute, der Blutdruck 132/62 mm Hg und die Sauerstoffsättigung 96%.
Sein Body-Mass-Index lag bei 31,4 (Adipositas). Die Handgelenke waren druckempfindlich und geschwollen, mit Schmerzen bei Streckung und Beugung. An den Knöcheln bestanden Ödeme (Schwellungen) mit erythematösen Makeln (roten Flecken). Im Gesicht zeigte sich eine Rosazea, weitere Haut- oder Nagelveränderungen wurden nicht festgestellt.
Laborergebnisse
Umfangreiche Laboruntersuchungen ergaben mehrere Auffälligkeiten:
Fünf Tage vor der Vorstellung:
- Hämoglobin: 13,3 g/dl (Norm: 13,5–17,5)
- Hämatokrit: 39,6% (Norm: 41,0–53,0)
- Leukozyten: 8840/μl (Norm: 4500–11.000)
- Thrombozyten: 262.000/μl (Norm: 150.000–400.000)
- Natrium: 130 mmol/l (Norm: 135–145)
- Kalium: 5,0 mmol/l (Norm: 3,4–5,0)
Bei der aktuellen Vorstellung:
- Hämoglobin: 11,7 g/dl (gegenüber vorher gesunken)
- Hämatokrit: 35,5% (gegenüber vorher vermindert)
- Leukozyten: 9500/μl
- Thrombozyten: 297.000/μl
- Natrium: 132 mmol/l (weiterhin erniedrigt)
- Kalium: 4,0 mmol/l
- NT-proBNP: 107 pg/ml (Norm: <900)
- BSG: 42 mm/h (Norm: 0–14) – Hinweis auf Entzündung
- CRP: 113,7 mg/l (Norm: <8,0) – deutlich erhöht, deutet auf Entzündung hin
Weitere Tests – einschließlich Leberfunktion, Urinanalyse, Blutkulturen, SARS-CoV-2-PCR, Influenza-Tests, Borreliose-Antikörper, HIV- und Syphilis-Test – waren unauffällig oder negativ.
Bildgebende Verfahren
Das initiale Röntgen-Thorax in der Notaufnahme war zunächst unauffällig, in der retrospektiven Beurteilung zeigte sich jedoch eine beidseitige Hilusvergrößerung. Das Röntgen des rechten Knies wies einen Gelenkerguss ohne Fraktur oder Luxation nach.
Die kontrastmittelgestützte CT von Thorax und Abdomen ergab signifikante Befunde:
- Diffuse mediastinale und beidseitige hiläre Lymphadenopathie (vergrößerte Lymphknoten)
- Multiple pulmonale Knötchen, einschließlich perifissuraler Knötchen
- Ein 8-mm-Knötchen im rechten Unterlappen, das seit der Bildgebung vor 4,5 Monaten gewachsen war
- Interlobuläre Septenverdickung im rechten Unterlappen
- Diffuse Bronchialwandverdickung
- Fettleber
- Koronarkalk
Diese Veränderungen waren in der CT von vor 4,5 Monaten nicht vorhanden, was auf neu aufgetretene pathologische Befunde hindeutet.
Diagnostisches Vorgehen
Das Behandlungsteam verfolgte zwei komplementäre Ansätze: einen syndromalen und einen Checklisten-Ansatz.
Der syndromale Ansatz zielt auf die Erkennung charakteristischer Symptomkonstellationen. Hier wies die Kombination aus Fieber, beidseitiger hilärer Lymphadenopathie, entzündlicher Arthritis und Hautausschlag an den Unterschenkeln deutlich auf ein Löfgren-Syndrom hin – eine akute Verlaufsform der Sarkoidose.
Beim Checklisten-Ansatz wurde für jedes Leitsymptom eine Differenzialdiagnose erstellt und nach Erkrankungen gesucht, die alle Befunde gemeinsam erklären könnten. So ließen sich die Möglichkeiten auf drei Kategorien eingrenzen: Infektionen, maligne Erkrankungen und Autoimmunerkrankungen.
Differenzialdiagnose
Infektiöse Ursachen:
- Tuberkulose und nichttuberkulöse Mykobakteriosen: Können Fieber, pulmonale Knötchen und beidseitige hiläre Lymphadenopathie verursachen, aber der Patient hatte keine entsprechenden Risikofaktoren.
- Pilzinfektionen (Blastomykose, Kryptokokkose): Aufgrund der Reisen in den Südosten der USA denkbar, jedoch verlief die Erkrankung zu rasch, und der Patient war nicht immunsupprimiert.
- Bartonellose (Katzenkratzkrankheit): Wegen des Katzenkratzers vor 6 Monaten in Betracht gezogen, doch pulmonale Manifestationen und symmetrische Oligoarthritis sind bei dieser Infektion untypisch.
Maligne Erkrankungen:
- Lymphome: Morbus Hodgkin oder diffus großzellige B-Zell-Lymphome könnten Fieber und hiläre Lymphadenopathie verursachen, aber das rasche Tempo und das Fehlen von B-Symptomen wie Nachtschweiß oder Gewichtsverlust sprachen dagegen.
Autoimmunerkrankungen:
- Systemischer Lupus erythematodes, Vaskulitiden, entzündliche Myopathien: Könnten mit Lungenerkrankung, Lymphadenopathie, Arthritis und Fieber einhergehen.
- Kristallarthropathien (Gicht): Könnten Fieber und Gelenkbeschwerden verursachen, erklären aber nicht die thorakalen Befunde.
- Sarkoidose: Passte am besten aufgrund des Verlaufs und der gleichzeitigen Präsentation der Symptomkonstellation.
Endgültige Diagnose
Bei dem Patienten wurde eine Sarkoidose, speziell ein Löfgren-Syndrom, diagnostiziert. Die Diagnose stützte sich auf die klassische Trias:
- Erythema nodosum: Schmerzhafte erythematöse Plaques an den Unterschenkeln
- Beidseitige hiläre Lymphadenopathie: Vergrößerte Lymphknoten im Brustraum beidseits
- Entzündliche Gelenkschmerzen: Periarthritis der Knöchel und Synovitis der Handgelenke
Das Löfgren-Syndrom ist eine distinkte akute Verlaufsform der Sarkoidose, die bei klassischer Präsentation – wie hier – keine Biopsie erfordert. Das Syndrom wurde erstmals 1946 von Sven Halvar Löfgren und Holger Lundbeck bei der Auswertung von Fällen mit Erythema nodosum beschrieben.
Die Synkopen des Patienten ließen eine kardiale Beteiligung vermuten, die sich in Störungen des Reizleitungssystems, ventrikulären Arrhythmien oder linksventrikulärer Dysfunktion äußern kann. Daher wurden weitere kardiologische Abklärungen empfohlen, einschließlich kardialer MRT und FDG-PET-CT.
Klinische Implikationen
Dieser Fall veranschaulicht mehrere wichtige Aspekte:
Erkennung von Symptommustern: Bestimmte Symptomkombinationen weisen auf spezifische Diagnosen hin. Die Trias aus Knöchelarthritis, Hautausschlag (Erythema nodosum) und thorakaler Lymphknotenvergrößerung ist hochverdächtig für ein Löfgren-Syndrom.
Umfassende Anamnese: Die Vorgeschichte mit Katzenkratzer, Reisen und Vorerkrankungen spielte eine entscheidende Rolle im Diagnoseprozess – ein Grund, warum Ärzte detailliert auch zu scheinbar irrelevanten Faktoren fragen.
Synkope als Warnsignal: Ohnmachtsanfälle bei entzündlichen Erkrankungen sollten eine Abklärung der Herzfunktion nach sich ziehen, da Sarkoidose das Erregungsleitungssystem und die Herzmuskelfunktion beeinträchtigen kann.
Diagnostische Herangehensweisen: Ärzte nutzen sowohl Mustererkennung (syndromaler Ansatz) als auch systematisches Ausschließen (Checklisten-Ansatz), um bei komplexen Fällen mit multiplen Symptomen zur Diagnose zu gelangen.
Therapeutische Überlegungen: Patienten mit Löfgren-Syndrom haben meist eine gute Prognose; viele Fälle heilen spontan. Bei schweren Verläufen kann eine Glukokortikoidtherapie erforderlich sein. Eine kardiale Beteiligung erfordert spezialisierte Behandlung.
Quelleninformation
Originaltitel: Fall 4-2025: Ein 41-jähriger Mann mit Synkope, Knöchelschwellung und auffälliger Thoraxbildgebung
Autoren: Daniel Restrepo, M.D., Sadia Sultana, M.B., B.S., Sanjay Divakaran, M.D., M.P.H., und Jeffrey A. Sparks, M.D., M.M.Sc.
Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 30. Januar 2025; 392:495–503
DOI: 10.1056/NEJMcpc2412513
Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf begutachteter Forschung aus den Fallakten des Massachusetts General Hospital.