Bei diesem Fall handelt es sich um einen 20-jährigen College-Ringer, der nach engem Körperkontakt mit einer Person mit ähnlichen Symptomen einen generalisierten pustulösen Ausschlag entwickelte. Trotz anfänglicher Antibiotikatherapie breitete sich der Ausschlag über mehrere Tage weiter aus, was während eines globalen Mpox-Ausbruchs zur Vorstellung in der Notaufnahme führte. Umfassende Untersuchungen ergaben eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 (HSV-1), die ein Herpes gladiatorum verursachte – eine bei Ringern häufige Diagnose – und nicht die zunächst aufgrund der ähnlichen Symptomatik vermutete, besorgniserregendere Mpox-Infektion.
Herpes gladiatorum verstehen: Eine Fallstudie zu Hautinfektionen bei Ringern
Inhaltsverzeichnis
- Fallvorstellung: Der 20-jährige Ringer
- Anamnese und Untersuchungsbefunde
- Laboruntersuchungsergebnisse
- Mögliche Ursachen: Differenzialdiagnose
- Klinischer Eindruck des Arztes
- Infektionsschutzmaßnahmen
- Diagnostische Tests und Behandlungsansatz
- Enddiagnose und Diskussion
- Bedeutung für Patienten
- Quellenangaben
Fallvorstellung: Der 20-jährige Ringer
Ein 20-jähriger männlicher College-Ringer stellte sich in der Notaufnahme mit einem sich ausbreitenden, pustulösen Hautausschlag vor, der sich über mehrere Tage entwickelt hatte. Der Ausschlag war erstmals drei Tage zuvor am linken Unterarm aufgetreten und verursachte beim Duschen stechende Schmerzen. Als Studentensportler konsultierte er seinen Athletiktrainer, der ihn an die studentische Gesundheitsambulanz überwies.
Am nächsten Tag hatte sich der Ausschlag auf seinen rechten Arm ausgebreitet. Die medizinischen Fachkräfte verordneten orales Trimethoprim-Sulfamethoxazol (eine Antibiotikakombination) und topisches Mupirocin (eine Antibiotikasalbe). Trotz dieser Behandlung schritt der Ausschlag weiter fort, und am folgenden Tag traten neue Läsionen an Brust, Gesicht und Ohren auf.
Nach Rücksprache mit seinem Hausarzt, der ihn an einen Dermatologen überwies, konnte der Patient keinen sofortigen Termin vereinbaren und suchte daher die Notaufnahme auf. Er berichtete, dass der Ausschlag stark juckte (pruriginös) und sich trotz antimikrobieller Therapie weiter ausgebreitet hatte. Wichtig war, dass er angab, engen Kontakt mit einem anderen Mann gehabt zu haben, der einige Tage vor Beginn seiner Symptome einen ähnlichen Ausschlag hatte.
Anamnese und Untersuchungsbefunde
Die Anamnese des Patienten umfasste eine orale Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV), allergische Rhinitis, Patellasehnenentzündung und Tonsillektomie. Vor drei Jahren war er wegen einer Methicillin-empfindlichen Staphylococcus-aureus-Infektion am rechten Arm mit topischen Antibiotika behandelt worden. Seine aktuellen Medikamente waren das verordnete Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Loratadin (ein Antihistaminikum) und bei Bedarf inhaliertes Salbutamol.
Er hatte zwei SARS-CoV-2-Impfungen erhalten, aber keine Affenpocken-Impfung, da er keine identifizierten Risikofaktoren hatte. Der Patient gab an, sexuell aktiv mit Frauen zu sein, hatte eine Vorgeschichte des Dampfens, konsumierte jedoch keinen Alkohol, Tabak oder illegale Substanzen. Er lebte in einem College-Wohnheim und war aktives Mitglied des Ringerteams.
Bei der Untersuchung waren seine Vitalzeichen normal: Temperatur 36,2°C, Herzfrequenz 88 Schläge pro Minute, Blutdruck 129/74 mm Hg, Atemfrequenz 18 Atemzüge pro Minute und Sauerstoffsättigung 98% bei Raumluft. Er wog 77 kg und wirkte muskulös.
Die Hautuntersuchung zeigte Dutzende gruppierte, erhabene vesikulopustuläre Läsionen (flüssigkeitsgefüllte Blasen mit Eiter) mit roten Basen in verschiedenen Entwicklungsstadien. Einige Läsionen waren pustulös, einige umbiliziert (mit zentraler Delle), und andere hatten Krusten oder Schorf (trockene, dunkle Krusten) gebildet. In einigen Bereichen zeigte sich eine Konfluenz, bei der Läsionen zusammengeflossen waren.
Läsionen waren an mehreren Bereichen verteilt, darunter:
- Fossae cubiti (Ellenbeugen)
- Wangen
- Rumpf und Rücken
- Linke Axilla (Achselhöhle)
- Unterer rechter Abdomen
- Waden
- Okziput (Hinterkopf)
- Bereich hinter den Ohren
Der Patient hatte auch Rötungen in intertriginösen Bereichen (Hautfalten, wo Haut an Haut reibt). Der Rest seiner körperlichen Untersuchung war unauffällig.
Laboruntersuchungsergebnisse
Bluttests zeigten normale Elektrolytspiegel, Glukose, Albumin, Globulin, Leberenzyme (Alanin-Aminotransferase und Aspartat-Aminotransferase) und Bilirubin. Nierenfunktionstests waren ebenfalls normal. Weitere Laborbefunde umfassten:
Ergebnisse des vollständigen Blutbilds:
- Hämoglobin: 15,3 g/dL (Normbereich: 13,5-17,5 g/dL)
- Hämatokrit: 46,8% (Normbereich: 41,0-53,0%)
- Weiße Blutkörperchen: 4.650 pro μL (Normbereich: 4.500-11.000 pro μL)
- Neutrophile: 2.390 pro μL (Normbereich: 1.800-8.100 pro μL)
- Lymphozyten: 1.150 pro μL (Normbereich: 1.200-5.200 pro μL)
- Monozyten: 740 pro μL (Normbereich: 200-1.400 pro μL)
- Eosinophile: 210 pro μL (Normbereich: 0-1.000 pro μL)
- Unreife Granulozyten: 1,5% (Normbereich: 0-0,9%) einschließlich Metamyelozyten, Myelozyten und Promyelozyten
- Thrombozyten: 198.000 pro μL (Normbereich: 150.000-400.000 pro μL)
Tests auf SARS-CoV-2 und HIV Typ 1 und 2 waren negativ. Das Vorhandensein unreifer Granulozyten gab Anlass zur Besorgnis, erforderte jedoch weitere Untersuchung mit einem manuellen Differentialblutbild.
Mögliche Ursachen: Differenzialdiagnose
Das medizinische Team zog mehrere mögliche Ursachen für den vesikulopustulösen Hautausschlag des Patienten in Betracht, kategorisiert in nicht-infektiöse und infektiöse Ursachen.
Nicht-infektiöse Möglichkeiten umfassten:
- Autoimmunerkrankungen (Sarkoidose, perforierende dermatologische Störungen, Porphyrie)
- Krebserkrankungen (Leukemia cutis oder andere hämatologische Krebsarten)
- Arzneimittelreaktionen (insbesondere auf sulfahaltige Antimikrobiotika)
- Erythema multiforme (eine allergische Hautreaktion)
- Neutrophile Dermatosen (wie Sweet-Syndrom)
- Vesikulöse Pityriasis rosea
- Eczema vaccinatum
In Betracht gezogene infektiöse Ursachen:
- Virusinfektionen: Herpesviren (HSV-1, HSV-2, Varizella-Zoster-Virus), Pockenviren (Molluscum contagiosum, Affenpockenvirus), Parvovirus, Enterovirus, Masernvirus und HIV
- Bakterielle Infektionen: Staphylococcus-aureus-Follikulitis, Pseudomonas-Follikulitis, Rickettsien-Infektion, Milzbrand, nicht-tuberkulöse mykobakterielle Infektion, Syphilis und Tsutsugamushi-Fieber
- Pilzinfektionen: Kryptokokkose, Histoplasmose und Talaromykose
- Parasitenbefall: Noduläre Skabies
Die milden Symptome des Patienten ohne Fieber oder systemische Erkrankung machten viele schwere Infektionen unwahrscheinlich. Seine Wrestling-Vorgeschichte und der Bericht über Kontakt mit jemandem mit ähnlichem Ausschlag deuteten auf eine durch Haut-zu-Haut-Kontakt übertragene Infektion hin. Die Ausbreitung des Ausschlags von den Armen zum Rumpf (zentripetale Verteilung) und Läsionen in verschiedenen Entwicklungsstadien halfen, die Möglichkeiten einzugrenzen.
Klinischer Eindruck des Arztes
Der konsultierende Arzt merkte an, dass, obwohl das Erscheinungsbild des Patienten zunächst auf Herpes gladiatorum (HSV-Infektion bei Ringern) hindeutete, die Ausdehnung des Ausschlags besorgniserregend war. Während des globalen Affenpocken-Ausbruchs zu dieser Zeit entwickelten sogar Patienten ohne typische Risikofaktoren Affenpocken-Infektionen.
Der Arzt kontaktierte den Wrestling-Trainer des Patienten und erfuhr, dass mehrere Teamkameraden kürzlich ähnliche Ausschläge hatten, die sich unter Trimethoprim-Sulfamethoxazol-Behandlung zurückbildeten. Diese Information war entscheidend, aber auch besorgniserregend, da das Team zu Wettkämpfen reiste, während diagnostische Tests ausstanden.
Die Entscheidung, auf Affenpocken zu testen, war komplex, da dies eine spezielle Handhabung erforderte, die andere diagnostische Tests verzögern konnte. Das medizinische Team kontaktierte das Massachusetts Department of Public Health und das Special Pathogens Program des Krankenhauses, um Tests sowohl auf Affenpocken als auch auf HSV-Infektion zu beschleunigen.
Infektionsschutzmaßnahmen
Angesichts des Potenzials für eine Affenpocken-Infektion setzte das Krankenhaus strenge Infektionsschutzmaßnahmen um. Das Krankenhaus verwendete ein elektronisches Entscheidungsunterstützungstool zur Leitlinie von Affenpocken-Bewertungen, und dieser Patient erfüllte die Kriterien für Besorgnis.
Infektionsschutzprotokolle für vermutete Affenpocken umfassten:
- Unterbringung des Patienten in einem Einzelzimmer mit eigenem Badezimmer
- Verwendung spezifischer persönlicher Schutzausrüstung: Kittel, Handschuhe, Augenschutz und N95-Atemschutzmaske
- Befolgung des "Identifizieren-Isolieren-Informieren"-Ansatzes für neu auftretende Infektionskrankheiten
- Kommunikation mit öffentlichen Gesundheitsbehörden
Das klinische Entscheidungsunterstützungssystem des Krankenhauses, das während des Affenpocken-Ausbruchs eingesetzt wurde, hatte einen positiven prädiktiven Wert von 35% und einen negativen prädiktiven Wert von 99% bei der Identifizierung von Affenpocken-Fällen basierend auf der Analyse von 668 Anwendungen gezeigt.
Diagnostische Tests und Behandlungsansatz
Während die Testergebnisse ausstanden, erhielt der Patient zwei Behandlungen:
- Tecovirimat über ein erweitertes Zugangsprotokoll für mögliche Affenpocken-Infektion
- Valaciclovir für mögliche Herpesvirus-Infektion
Das Massachusetts Department of Public Health Laboratory führte Nukleinsäuretests für Nicht-Pocken-Orthopockenviren (einschließlich Affenpockenvirus) durch, um die schnellstmöglichen Ergebnisse zu gewährleisten. Der Patient wurde mit der Anweisung entlassen, sich zu Hause zu isolieren, bis die Testergebnisse vorlagen.
Öffentliche Gesundheitsbeamte bestätigten, dass die reisenden Teamkameraden des Patienten keine Symptome von Affenpocken zeigten. Die Testergebnisse zeigten:
- Negativ für Nicht-Pocken-Orthopockenviren (Affenpocken)
- Negativ für HSV-2
- Negativ für Varizella-Zoster-Virus (VZV)
- Positiv für HSV-1
Diese Ergebnisse bestätigten eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ 1 als Ursache. Die Tecovirimat-Behandlung wurde abgesetzt, und die Valaciclovir-Therapie für die HSV-Infektion wurde fortgesetzt.
Enddiagnose und Diskussion
Die Enddiagnose war Herpes gladiatorum verursacht durch HSV-1-Infektion. Dieser Zustand wurde erstmals 1964 bei Ringern beschrieben und ist bei Kontaktsportarten wie Wrestling und Rugby (wo er manchmal "Herpes rugbiorum" genannt wird) gut dokumentiert.
Ein signifikanter Ausbruch ereignete sich 1989 in einem Wrestling-Camp einer High School in Minnesota, der 60 Teilnehmer betraf. Die Übertragung erfolgt typischerweise durch direkten Haut-zu-Haut-Kontakt oder Kontakt mit kontaminierten Oberflächen wie Wrestling-Matten. Die Natur des Wrestlings bietet verlängerten engen Kontakt, der die Übertragung begünstigt.
Autoinokulation (Selbstausbreitung) kann auftreten, was erklärt, warum Läsionen in verschiedenen Entwicklungsstadien erscheinen. Läsionen treten typischerweise an exponierten Hautbereichen auf, die während des Wrestlings Kontakt mit Gegnern haben, insbesondere im Gesicht, am Hals und an den Unterarmen.
Behandlungsleitlinien empfehlen:
- Valaciclovir zweimal täglich für 10-14 Tage bei Primärinfektion
- Valaciclovir zweimal täglich für 5-7 Tage bei rezidivierenden Infektionen
Bedeutung für Patienten
Dieser Fall veranschaulicht mehrere wichtige Punkte für Patienten, insbesondere Athleten in Kontaktsportarten:
Für Ringer und Kontaktsportathleten:
- Herpes gladiatorum ist ein bekanntes Risiko in Kontaktsportarten mit Haut-zu-Haut-Kontakt
- Früherkennung und Behandlung sind wichtig, um die Ausbreitung zu verhindern
- Läsionen erscheinen typischerweise an exponierten Hautbereichen, die Kontakt mit Gegnern haben
- Informieren Sie medizinische Fachkräfte über Sportteilnahme bei der Suche nach Behandlung für Hauterkrankungen
In Bezug auf Infektionskrankheiten:
- Ähnliche Symptome können verschiedene Diagnosen repräsentieren, die unterschiedliche Behandlungen erfordern
- Vollständige Informationen zu Expositionen und Aktivitäten unterstützen eine präzise Diagnosestellung
- Öffentliche Gesundheitsmaßnahmen während Ausbrüchen können Behandlungskonzepte beeinflussen
- Bei bestimmten Infektionen kann eine Isolierung bis zum Vorliegen der Testergebnisse notwendig sein
Allgemeine Gesundheitsempfehlungen:
- Melden Sie ähnliche Symptome bei engen Kontaktpersonen an medizinisches Fachpersonal
- Vervollständigen Sie verordnete Behandlungen auch bei scheinbarer Besserung der Symptome
- Befolgen Sie Isolierungsempfehlungen, um eine Übertragung von Infektionen zu verhindern
- Besprechen Sie Impfoptionen mit medizinischem Fachpersonal basierend auf Aktivitäten und Expositionen
Quellenangaben
Originaltitel: Fall 16-2024: Ein 20-jähriger Mann mit pustulösem Hautausschlag
Autoren: Demetre C. Daskalakis, Howard M. Heller, Erica S. Shenoy, Katherine Hsu
Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 30. Mai 2024
DOI: 10.1056/NEJMcpc2312737
Dieser patientengerechte Artikel basiert auf begutachteter Forschung aus den Fallakten des Massachusetts General Hospital.