Hypertrophe Kardiomyopathie verstehen: Ein umfassender Leitfaden für Patienten.

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Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist die häufigste erbliche Herzerkrankung und betrifft schätzungsweise einen von 500 Menschen weltweit. Dieser umfassende Übersichtsartikel zeigt, dass viele Betroffene ein normales Leben führen können, HCM jedoch auch zu schwerwiegenden Komplikationen wie Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern und plötzlichem Herztod führen kann. Moderne Behandlungsstrategien – einschließlich genetischer Tests, implantierbarer Defibrillatoren und chirurgischer Eingriffe – haben die Prognose für Patienten mit dieser komplexen Diagnose erheblich verbessert.

Hypertrophe Kardiomyopathie verstehen: Ein umfassender Patientenleitfaden

Inhaltsverzeichnis

Was ist eine hypertrophe Kardiomyopathie?

Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) ist die häufigste vererbte Herzerkrankung, die durch eine einzelne Genmutation verursacht wird. Sie zeigt eine außerordentliche Vielfalt in ihrer Ausprägung und ihrem Verlauf, wird häufig von Ärzten missverstanden und in der Praxis oft übersehen. Vor 55 Jahren wurde sie erstmals umfassend von Forschern der National Institutes of Health beschrieben – damals noch als idiopathische hypertrophe subaortale Stenose bezeichnet.

Unser Verständnis der HCM hat sich in den letzten 15 Jahren erheblich verbessert, insbesondere in den Bereichen Diagnostik, Genetik, Krankheitsverlauf und Therapie. Mehr als 18.000 Studien sind zu dieser Erkrankung erschienen, und das heutige Bild der HCM unterscheidet sich deutlich von früheren Beschreibungen. Heute stehen bessere Diagnoseverfahren, wirksamere Behandlungen und ein vertieftes Verständnis für den Umgang mit dieser komplexen Erkrankung zur Verfügung.

Wie häufig ist die HCM?

Die HCM wird diagnostiziert, wenn bildgebende Verfahren einen verdickten, nicht erweiterten linken Ventrikel zeigen, ohne dass eine andere Herz-, System-, Stoffwechsel- oder Syndrom-Erkrankung die Verdickung erklärt. Echokardiographische Studien deuten darauf hin, dass etwa 1 von 500 Menschen in der Allgemeinbevölkerung betroffen ist. Berücksichtigt man jedoch sowohl klinische Diagnosen als auch Gentests bei Familienmitgliedern, steigt die Häufigkeit auf etwa 1 von 200.

Schätzungen zufolge könnten in den USA etwa 750.000 Menschen eine HCM haben, aber nur rund 100.000 sind tatsächlich diagnostiziert. Das bedeutet, dass die überwiegende Mehrheit der Betroffenen nie eine Diagnose erhält. Diese Untererfassung betrifft Frauen und benachteiligte Minderheiten überproportional; Hinweise deuten darauf hin, dass schwarze Patienten seltener zu spezialisierten HCM-Behandlungen überwiesen werden.

Die HCM wurde in 122 Ländern nachgewiesen, die etwa 90 % der Weltbevölkerung repräsentieren. Weltweit könnten schätzungsweise 20 Millionen Menschen betroffen sein – weit mehr als ursprünglich angenommen. Die Erkrankung tritt bei beiden Geschlechtern und in allen ethnischen Gruppen ähnlich häufig auf, wobei ihre klinische Präsentation und genetische Basis kaum von demografischen Merkmalen abhängen.

Genetische Faktoren und Vererbung

Die HCM wird autosomal-dominant vererbt: Hat ein Elternteil die Mutation, besteht für jedes Kind eine 50-prozentige Chance, sie zu erben. Die Erkrankung ist mit Mutationen in mindestens 11 Genen assoziiert, die Proteine des Herzmuskel-Kontraktionsapparats kodieren. Am häufigsten sind die Gene für die Beta-Myosin-Schwerkette und Myosin-Bindungsprotein C betroffen.

Gentests offenbaren eine enorme Vielfalt mit über 2.000 verschiedenen Sarkomer-Mutationen. Einige gelten als krankheitsauslösend (pathogen), bei anderen ist die Bedeutung unklar. Viele Mutationen treten nur in einzelnen Familien auf. Diese genetischen Erkenntnisse ermöglichen heute die Labordiagnose der HCM bei Patienten, die nichts von ihrem genetischen Status ahnen.

Allerdings sind Gentests nicht allumfassend. Der Zusammenhang zwischen bestimmten Mutationen und dem Krankheitsbild (Genotyp-Phänotyp-Korrelation) ist uneinheitlich. Einzelne oder multiple Sarkomer-Varianten erlauben keine zuverlässige Prognose und spielen in der Risikobewertung keine Rolle. Wichtige Therapieentscheidungen basieren ausschließlich auf klinischen Kriterien, nicht auf genetischen Befunden.

Gentests werden vor allem im Familienscreening eingesetzt, um sowohl nicht betroffene als auch (noch) nicht erkennbar betroffene Angehörige zu identifizieren. Diese Genträger haben typischerweise keine Herzereignisse oder Symptome, und viele entwickeln nie eine HCM, können die Mutation aber an ihre Kinder weitergeben.

Aktuell weist nur etwa ein Drittel der HCM-Patienten pathogene Mutationen auf, die für das Familienscreening geeignet sind. Sporadische (nicht-familiäre) HCM-Fälle könnten häufiger sein als gedacht. Gentests können auch metabolische und Speicherkrankheiten identifizieren, die eine HCM nachahmen, wie Morbus Fabry oder Amyloidose.

Wie die HCM diagnostiziert wird

Die Charakterisierung des HCM-Phänotyps stützt sich auf fast 50 Jahre echokardiographischer Bildgebung. Hochauflösende MRT-Untersuchungen können bei einigen Patienten eine präzisere Beurteilung der linksventrikulären Verdickung liefern und durch den Nachweis von Herzmuskelnarben (Fibrose) die Risikostratifizierung verbessern.

In den meisten klinisch diagnostizierten Fällen beträgt die Wanddicke des linken Ventrikels 15 mm oder mehr, im Durchschnitt 21 mm. Einige zeigen massive Verdickungen von 30 bis 50 mm. Grenzwertige Dicken (13–14 mm) erfordern oft die Abgrenzung von Bluthochdruck oder Sportlerherz. Grundsätzlich kann jede Wanddicke mit HCM vereinbar sein – auch normale Werte bei Genträgern.

Eine stärkere linksventrikuläre Verdickung geht mit einem erhöhten Risiko für plötzlichen Herztod einher, aber nicht zwangsläufig mit einer Verschlechterung der Herzschwäche. Die HCM umfasst diverse Verdickungsmuster – diffus, segmental, fokal oder diskontinuierlich – und kann sogar den rechten Ventrikel einbeziehen.

Für das Familienscreening ist der bevorzugte Ansatz die bildgebende Diagnostik alle 12 bis 18 Monate im Alter von 12 bis 21 Jahren, da sich die linksventrikuläre Verdickung oft in der Adoleszenz entwickelt. Da der Phänotyp aber bis ins mittlere Alter auftreten kann, sind bildgebende Kontrollen in 5-Jahres-Intervallen sinnvoll.

Die echokardiographische Beurteilung mit modernen Techniken hat Einblicke in die diastolische Dysfunktion und Herzmuskelmechanik geliefert, though diese die Prognose oder Therapie bislang nicht maßgeblich beeinflussen.

Symptome und klinischer Verlauf

Der klinische Verlauf der HCM ist außerordentlich vielfältig. Viele Patienten bleiben ohne nennenswerte Symptome oder Komplikationen, benötigen keine größeren Therapieeingriffe und haben eine normale oder sogar überdurchschnittliche Lebenserwartung. Diese Patienten werden zunehmend zufällig entdeckt, meist mit milder Ausprägung.

Andere erleben einen fortschreitenden Verlauf mit klinischen Ereignissen, die den natürlichen Krankheitsverlauf verändern und gezielte Behandlungen erfordern. Etwa 70 % der Patienten weisen eine mechanische Obstruktion des linksventrikulären Ausflusstrakts auf – mit Druckgradienten von mindestens 30 mm Hg in Ruhe oder unter Belastung.

Diese subaortalen Gradienten sind typischerweise dynamisch und können sich mit physiologischen Bedingungen wie Dehydrierung, Alkoholkonsum oder Lageänderungen verändern. Diese Schwankungen erklären oft tageszeitliche Symptomunterschiede. Die Obstruktion entsteht usually durch systolische Vorwärtsbewegung der Mitralklappe mit Anlagerung ans Septum, was auch zu Mitralklappeninsuffizienz führt.

Das Risiko für plötzlichen Herztod

Die HCM wurde initially im Zusammenhang mit plötzlichem Herztod beschrieben, der die auffälligste Komplikation bei Patienten mit oder ohne Obstruktion bleibt. Dies wird besonders durch Medienberichte über Herzstillstände bei Leistungssportlern deutlich. Bei plötzlichem Herztod durch ventrikuläre Tachyarrhythmien liegt ein unvorhersehbares arrhythmogenes Substrat aus desorganisierter Herzmuskelarchitektur und Narbenbildung zugrunde.

Mehrere klinische Marker sind in Therapieleitlinien zu einem Risikostratifizierungsalgorithmus zusammengefasst:

  • Familienanamnese von HCM-bedingtem plötzlichem Herztod (meist ein Verwandter ersten Grades)
  • Unerklärte Ohnmacht (Synkope)
  • Multiple, repetitive nicht-anhaltende ventrikuläre Tachykardien
  • Massive linksventrikuläre Hypertrophie (≥30 mm)
  • Linksventrikuläres apikales Aneurysma
  • Ausgedehnte Late Gadolinium Enhancement im MRT (≥15 % der linksventrikulären Masse)
  • Endstadium-Erkrankung (Ejektionsfraktion <50 %)

Diese Strategie hat sich als hochwirksam erwiesen, um die meisten Hochrisikopatienten zu identifizieren. Paradoxerweise sind HCM-Patienten, die das 70. Lebensjahr erreichen – selbst mit Risikomarkern – weitgehend vor plötzlichem Herztod geschützt (Rate von 0,2 % pro Jahr, vergleichbar mit der Allgemeinbevölkerung).

Die HCM ist die häufigste Ursache für plötzlichen Herztod bei Sportlern in den USA. Intensiver Wettkampfsport gilt als primärer Risikomarker und rechtfertigt den Ausschluss junger Leistungssportler mit HCM. Moderate Freizeitaktivitäten sind dagegen unbedenklich, da keine Hinweise auf ein erhöhtes Arrhythmierisiko vorliegen.

Implantierbare Kardioverter-Defibrillatoren (ICDs) haben die Prävention des plötzlichen Herztods in den letzten 15 Jahren revolutioniert. Diese Geräte beenden ventrikuläre Tachykardien oder Kammerflimmern mit einer jährlichen Rate von 4 % bei Primärprävention und 10 % bei Sekundärprävention nach überlebtem Herzstillstand.

Behandlungsoptionen und Therapie

Bei 90 % der Patienten mit chronischer, medikamentenresistenter Herzschwäche ist die primäre Ursache eine linksventrikuläre Ausfluss obstruction. Dies führt zu stark erhöhten Drücken im linken Ventrikel und sekundärer Mitralklappeninsuffizienz. Herzinsuffizienz bei HCM-Patienten geht oft mit pulmonaler Hypertonie und diastolischer Dysfunktion einher.

Die Rate, mit der hohe Ruhegradienten zu fortschreitender Herzschwäche führen, liegt bei etwa 5 % pro Jahr, though einige Patienten große Gradienten über lange Zeiträume – bis ins hohe Alter – mit wenigen oder keinen Symptomen haben.

Behandlungsansätze umfassen:

  1. Medikamentöse Therapie als erste Wahl, including AV-Knoten-blockierende Substanzen und Disopyramid
  2. Chirurgische Septummyektomie für geeignete Patienten mit Obstruktion
  3. Alkoholseptumablation als Alternative zur Operation
  4. Implantierbare Defibrillatoren für Hochrisikopatienten
  5. Herztransplantation bei fortgeschrittener Herzinsuffizienz (in 2–3 % der Fälle erforderlich)
  6. Antiarrhythmika und Katheterablation bei Vorhofflimmern
  7. Antikoagulation zur Schlaganfallprävention bei Vorhofflimmern

Transvenöse ICDs haben pharmakologische Strategien zur Prävention des plötzlichen Herztods weitgehend abgelöst und den Krankheitsverlauf vieler erwachsener und pädiatrischer HCM-Patienten verändert. Die Entscheidung zur ICD-Implantation erfordert die Abwägung von Gerätekomplikationen (3–5 % pro Jahr), am häufigsten inadäquate Schocks due to supraventrikuläre Tachykardien oder Sondenprobleme.

Offene Fragen

Trotz erheblicher Fortschritte bleiben wichtige Wissenslücken in unserem Verständnis der HCM bestehen. Gentests identifizieren derzeit nur bei etwa einem Drittel der Patienten pathogene Mutationen, sodass die Mehrheit keine nachweisbaren Mutationen für das Familienscreening aufweist. Die Interpretation genetischer Varianten unklarer Signifikanz wird mit technologischen Fortschritten zunehmend komplex.

Die Risikostratifizierung ist zwar besser, aber nicht perfekt. Eine kleine Minderheit von Patienten ohne konventionelle Risikomarker kann dennoch tödliche arrhythmische Ereignisse erleiden, was den Bedarf an erweiterten Risikobewertungsmethoden unterstreicht. Der europäische Risikorechner für plötzlichen Herztod hat bei der Anwendung auf Einzelpatienten eine geringe Sensitivität gezeigt, was möglicherweise Hochrisikopatienten ungeschützt lässt.

Der Zusammenhang zwischen spezifischen Mutationen und Krankheitsbild bleibt uneinheitlich, und die Prognose lässt sich allein aus Gentests nicht zuverläss ableiten. Wichtige Therapieentscheidungen müssen weiterhin auf klinischen Kriterien basieren.

Patientenempfehlungen

Wenn bei Ihnen eine HCM diagnostiziert wurde oder Sie eine familiäre Vorgeschichte haben, sind folgende Empfehlungen wichtig:

  • Suchen Sie Versorgung in einem spezialisierten HCM-Zentrum mit Erfahrung in der Behandlung dieser komplexen Erkrankung
  • Lassen Sie eine umfassende Risikobewertung durchführen, including Echokardiogramm, MRT und Langzeit-EKG
  • Besprechen Sie Gentests mit Ihrem Kardiologen und einem genetischen Berater
  • Lassen Sie Verwandte ersten Grades screenen mit bildgebenden Verfahren und gegebenenfalls Gentests
  • Vermeiden Sie intensiven Wettkampfsport bei diagnostizierter HCM mit linksventrikulärer Hypertrophie
  • Betreiben Sie moderate Freizeitaktivitäten, wie mit Ihrem Kardiologen abgestimmt
  • Melden Sie neue Symptome wie Brustschmerzen, Atemnot, Herzrasen oder Ohnmacht
  • Erwägen Sie eine ICD-Implantation bei Risikofaktoren für plötzlichen Herztod
  • Denken Sie über spezialisierte Behandlungen wie chirurgische Myektomie bei obstruktiven Symptomen nach
  • Nehmen Sie an regelmäßiger Nachsorge teil zur kontinuierlichen Überwachung Ihrer Erkrankung

Quelleninformation

Originalartikeltitel: Klinischer Verlauf und Behandlung der hypertrophen Kardiomyopathie

Autoren: Barry J. Maron, M.D.

Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 2018;379:655-68

DOI: 10.1056/NEJMra1710575

Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf begutachteter Forschung aus The New England Journal of Medicine.