Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Blutdruckrichtlinien

Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Blutdruckrichtlinien

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Diese umfassende Analyse vergleicht die beiden einflussreichsten internationalen Blutdruckrichtlinien der amerikanischen und europäischen Herzgesellschaften. Obwohl beide Leitlinien ähnliche Kernprinzipien zur Behandlung von Bluthochdruck teilen, unterscheiden sie sich vor allem in den Schwellenwerten für die Diagnose (130/80 mm Hg vs. 140/90 mm Hg) und im Zeitpunkt des Therapiebeginns. Bei Lebensstilinterventionen, medikamentösen Ansätzen und der Bedeutung einer präzisen Blutdruckmessung zeigen die Leitlinien weitgehende Übereinstimmung. Forscher empfehlen eine künftige Harmonisierung, um die globale Hypertoniekontrolle zu verbessern.

Unterschiede zwischen amerikanischen und europäischen Blutdruckrichtlinien verstehen

Inhaltsverzeichnis

Einführung: Warum Blutdruckrichtlinien wichtig sind

Bluthochdruck (Hypertonie) zählt weltweit zu den größten Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit und betrifft laut aktuellen Schätzungen fast die Hälfte der erwachsenen US-Bevölkerung. Eine angemessene Behandlung kann Herzinfarkte, Schlaganfälle, Nierenerkrankungen und andere schwerwiegende Komplikationen verhindern. In den Jahren 2017 und 2018 wurden zwei wegweisende Richtliniendokumente veröffentlicht: die Leitlinie des American College of Cardiology/American Heart Association (ACC/AHA) und die Leitlinie der European Society of Cardiology/European Society of Hypertension (ESC/ESH).

Diese Dokumente bieten evidenzbasierte Empfehlungen für medizinisches Fachpersonal zur Prävention, Erkennung, Bewertung und Behandlung von Bluthochdruck. Obwohl beide in strengen Prozessen und umfangreichen Peer-Reviews entwickelt wurden, zeigen sie wichtige Unterschiede – insbesondere bei der Diagnosestellung und dem Beginn einer medikamentösen Therapie, die Patienten verstehen sollten.

Der auffälligste Unterschied betrifft die empfohlenen Blutdruckgrenzwerte für die Hypertonie-Diagnose. Die amerikanische Leitlinie plädiert in manchen Fällen für einen intensiveren Behandlungsansatz. Trotz dieser Differenzen besteht in den Kernempfehlungen eine größere Übereinstimmung als in früheren Versionen.

Wie die Richtlinien entwickelt wurden

Beide Richtlinien durchliefen strenge Entwicklungsprozesse, wiesen jedoch Unterschiede in ihren Ansätzen auf. Die ACC/AHA-Leitlinie wurde von einem 21-köpfigen Autorengremium erstellt, das Haus- und Fachärzte, Epidemiologen, eine Pflegekraft, einen Physician Assistant, einen Apotheker und zwei Patientenvertreter umfasste. Die Mitglieder repräsentierten die beiden Hauptsponsoren und neun kooperierende Fachgesellschaften.

Bemerkenswerterweise verlangte die ACC/AHA von allen Ausschussmitgliedern, keine Beziehungen zu blutdruckrelevanten Unternehmen zu unterhalten. Die ESC/ESH-Leitlinie wurde hingegen von einem 28-köpfigen Ausschuss aus Ärzten und Pflegekräften aus 14 europäischen Ländern entwickelt, wobei jede Gesellschaft die Hälfte der Mitglieder stellte. Der europäische Ausschuss forderte lediglich die Offenlegung von Geschäftsbeziehungen, nicht deren vollständiges Verbot.

Der ACC/AHA-Prozess sah vor, dass systematische Übersichten und Metaanalysen von einem unabhängigen Evidenzprüfungsausschuss durchgeführt werden, was zu 448 detaillierten Evidenztabellen führte, die zusammen mit den Empfehlungen veröffentlicht wurden. Der ESC/ESH-Ausschuss konnte zusätzliche Evidenzprüfungen in Auftrag geben, entschied sich jedoch dafür, auf vorhandene systematische Übersichten zurückzugreifen.

Beide Richtlinien durchliefen eine umfangreiche Peer-Review und benötigten die finale Genehmigung durch die Leitungsgremien ihrer Trägerorganisationen. Die ACC/AHA-Leitlinie enthält 106 formelle Empfehlungen, die ESC/ESH-Leitlinie 122. Jede Empfehlung in beiden Dokumenten enthält eine Empfehlungsklasse (Stärke) und eine Evidenzstufe, wobei beide Ausschüsse über Formulierung und Einstufung abstimmten.

Standards der Blutdruckmessung

Eine präzise Blutdruckmessung ist für die korrekte Diagnose und Behandlung entscheidend, da Messfehler eine Hauptquelle für Fehlklassifikationen darstellen. Beide Richtlinien betonen die Bedeutung validierter Geräte und mehrfacher Messungen.

Die ACC/AHA empfiehlt die Mittelwertbildung von Praxis-Blutdruckmessungen nach bewährtem Ansatz: ≥2 Messungen bei ≥2 Gelegenheiten. Sie rät zudem, die Praxis-Hypertonie durch Messungen außerhalb der Praxis zu bestätigen. Die ESC/ESH empfiehlt 3 Messungen in der Praxis, mit weiteren Messungen, wenn die ersten beiden um >10 mm Hg abweichen oder der Blutdruck aufgrund von Arrhythmien instabil ist.

Beide Richtlinien empfehlen Messungen außerhalb der Praxis, um maskierte Hypertonie (normale Praxiswerte, aber hohe Werte außerhalb) und Weißkittelhypertonie (hohe Praxiswerte, aber normale Werte außerhalb) zu identifizieren. Die Behandlungsempfehlungen für diese Zustände weichen leicht voneinander ab, wobei beide die Unsicherheit solcher Empfehlungen anerkennen.

Die ACC/AHA bietet entsprechende Werte für Praxis- und Außer-praxis-Messungen im Bereich von 120/80 mm Hg bis 160/100 mm Hg. Die ESC/ESH nennt nur die Grenzwerte für die Hypertonie-Diagnose bei Heim- und ambulanter Überwachung, die jedoch mit denen der ACC/AHA-Leitlinie übereinstimmen:

Messart Entspricht Praxis 140/90 mm Hg
Heimüberwachung 135/85 mm Hg
Tagesambulant 135/85 mm Hg
Nachtambulant 120/70 mm Hg
24-Stunden-ambulant 130/80 mm Hg

Blutdruckklassifikationssysteme

Der bedeutendste Unterschied zwischen den beiden Richtlinien liegt in ihren Blutdruckklassifikationssystemen und den Diagnosegrenzwerten. Die ACC/AHA schlägt Kategorien für normalen Blutdruck, erhöhten Blutdruck und zwei Hypertonie-Stadien vor und verwendet einen Grenzwert von systolischem Blutdruck (SBP) ≥130 mm Hg und/oder diastolischem Blutdruck (DBP) ≥80 mm Hg.

Dies stellt eine Änderung gegenüber der Leitlinie von 2003 dar, die SBP ≥140 mm Hg und/oder DBP ≥90 mm Hg vorsah, außer bei Erwachsenen mit Diabetes oder chronischer Nierenerkrankung, wo der Grenzwert SBP ≥130 mm Hg und/oder DBP ≥80 mm Hg betrug. Die ESC/ESH klassifiziert den Blutdruck in optimal, normal, hoch normal, drei Hypertonie-Grade und isolierte systolische Hypertonie und behält die Grenzwerte SBP ≥140 mm Hg und/oder DBP ≥90 mm Hg aus ihrer Leitlinie von 2013 bei.

Laut Daten der National Health and Nutrition Examination Survey von 2011-2014 würde die ACC/AHA-Neuklassifizierung die Hypertonieprävalenz unter US-Erwachsenen von 32 % auf 46 % erhöhen – ein Anstieg von etwa 14 %. Diese Analyse überschätzt wahrscheinlich die tatsächliche Prävalenz, da der Blutdruck nur einmalig gemessen wurde, ohne Bestätigung durch Messungen außerhalb der Praxis.

Die ACC/AHA-Kategorisierung ist einfacher und erfasst mehr kardiovaskuläres Risiko, stellt jedoch Herausforderungen dar, da sie bei einem höheren Prozentsatz von Erwachsenen Hypertonie festlegt und die Bewertung des zugrunde liegenden kardiovaskulären Risikos für Behandlungsentscheidungen erfordert, insbesondere bei Hypertonie im Stadium 1. Das ESC/ESH-System hat mehr Kategorien, bietet aber einen einfacheren Ansatz für Medikationsentscheidungen.

Patientenevaluationsprozess

Beide Richtlinien empfehlen ähnliche Ansätze zur Patientenevaluation, einschließlich:

  • Persönliche und familiäre Krankengeschichte
  • Körperliche Untersuchung inklusive Blutdruckmessung
  • Grundlegende Labortests

Die empfohlenen spezifischen Labortests zeigen einige Unterschiede:

Beide Richtlinien empfehlen:

  • Nüchternblutzucker
  • Blut-/Serumnatrium und -kalium
  • Lipidprofil (Cholesterintestung)
  • Serumkreatinin/geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (Nierenfunktion)
  • Urinanalyse
  • EKG (Elektrokardiogramm)

Nur ACC/AHA empfiehlt:

  • Vollblutbild
  • Serumkalzium
  • Thyroid stimulating hormone (TSH, Schilddrüsen-stimulierendes Hormon)

Nur ESC/ESH empfiehlt:

  • Hämoglobin/Hämatokrit
  • Blutharnsäure
  • Glykiertes Hämoglobin A1c (Langzeit-Blutzuckermesswert)
  • Leberfunktionstests
  • Urinproteintest oder Urinalbumin-Kreatinin-Quotient

Optionale Tests in der ACC/AHA-Leitlinie umfassen Echokardiogramm, Harnsäure und Urinalbumin-Kreatinin-Quotient. Die ESC/ESH-Leitlinie erwähnt zusätzlich Echokardiographie, Karotis-Ultraschall, Pulswellengeschwindigkeit, Knöchel-Arm-Index, kognitive Funktionstests und Hirnbildgebung zur Identifizierung von hypertoniebedingten Organschäden.

Kardiovaskuläre Risikobewertung

Die Bewertung des kardiovaskulären Erkrankungsrisikos (KVE-Risiko) hilft, Personen mit erhöhtem Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Nierenschäden und Tod im Zusammenhang mit Hypertonie zu identifizieren. Beide Richtlinien empfehlen die KVE-Risikobewertung zur Ergänzung von Blutdruckwerten bei Behandlungsentscheidungen, wobei die ESC/ESH auch ihre Bedeutung für zusätzliche Interventionen wie Statine und Thrombozytenaggregationshemmer betont.

Die Richtlinien unterscheiden sich in ihren Risikoschätzmethoden:

ACC/AHA-Ansatz:

  • Vorhandensein von kardiovaskulärer Erkrankung zeigt automatisch hohes Risiko an
  • Für Erwachsene von 40-79 ohne KVE verwendet Pooled Cohort Equations zur Schätzung des 10-Jahres-Risikos für atherosklerotische kardiovaskuläre Erkrankung (ASCVD)
  • Risikoschätzer berücksichtigt Alter, Blutdruck, Cholesterinwerte, Diabetesanamnese, Raucherstatus und aktuelle Medikation
  • Verwendet ≥10 % und <10 % 10-Jahres-ASCVD-Risikokategorien
  • Hypertonie mit Diabetes, chronischer Nierenerkrankung oder Alter ≥65 Jahre gilt als Marker für höheres Risiko
  • Empfiehlt Lebenszeitrisikobewertung für Erwachsene unter 40

ESC/ESH-Ansatz:

  • Verwendet vier Kategorien des KVE-Risikos
  • Erwachsene mit bestehender KVE, Diabetes, sehr hohen Risikofaktoren oder Nierenerkrankung gelten als hoch oder sehr hoch riskant
  • Für andere verwendet Systematic Coronary Risk Evaluation (SCORE)-System zur Schätzung des 10-Jahres-KVE-Sterberisikos
  • SCORE berücksichtigt Alter, Geschlecht, Cholesterin, Raucherstatus und systolischen Blutdruck
  • Betonung der Berücksichtigung hypertoniebedingter Organschäden in der Risikobewertung
  • Beinhaltet Herzfrequenz >80 Schläge/Minute als kardiovaskulären Risikofaktor

Beide Richtlinien erkennen Herausforderungen bei der Verwendung und Interpretation von Risikoschätztools an, betonen aber deren Bedeutung für personalisierte Behandlungsentscheidungen.

Wann mit der Medikation begonnen werden soll

Die Richtlinien unterscheiden sich erheblich in ihren Empfehlungen, wann mit einer antihypertensiven medikamentösen Therapie begonnen werden soll:

ACC/AHA-Empfehlungen:

  • Medikamentöse Therapie empfohlen für alle Erwachsenen mit SBP ≥140 mm Hg oder DBP ≥90 mm Hg, unabhängig vom kardiovaskulären Risiko
  • Auch empfohlen für etwa 30 % der Erwachsenen mit Hypertonie im Stadium 1 (SBP 130-139 mm Hg oder DBP 80-89 mm Hg), die ein höheres KVE/ASCVD-Risiko haben
  • Dieser Ansatz betrifft insbesondere ältere Patienten, da Alter ein starker Risikofaktor ist
  • Für Erwachsene über 80 mit unbehandelter Hypertonie empfiehlt die Behandlung nur in Betracht zu ziehen, wenn der Praxis-SBP ≥160 mm Hg beträgt

ESC/ESH-Empfehlungen:

  • Sofortige medikamentöse Therapie für Hochrisiko- oder sehr hochrisiko Patienten mit systolischem Blutdruck (SBD) ≥140 mmHg oder diastolischem Blutdruck (DBD) ≥90 mmHg, die an kardiovaskulären Erkrankungen (KVE), Nierenerkrankungen oder hypertoniebedingten Organschäden leiden
  • Für Patienten mit niedrigem oder moderatem Risiko und diesen Blutdruckwerten wird zunächst eine Lebensstilintervention empfohlen, mit Hinzufügung von Medikamenten, wenn der Blutdruck nach 3 Monaten nicht kontrolliert ist
  • Eine medikamentöse Therapie kann bei Erwachsenen mit SBD 130–139 mmHg oder DBD 85–89 mmHg nur in Betracht gezogen werden, wenn sie an KVE, insbesondere koronarer Herzkrankheit (KHK), leiden
  • Bei über 80-jährigen Erwachsenen mit unbehandelter Hypertonie sollte eine Behandlung nur erwogen werden, wenn der Praxis-SBD ≥160 mmHg beträgt

Empfehlungen zu Lebensstilinterventionen

Beide Leitlinien identifizieren Lebensstilmodifikationen als Grundstein zur Prävention und Behandlung von Bluthochdruck, da ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und Alkoholkonsum wesentlich zu hohem Blutdruck bei vielen Erwachsenen beitragen.

ACC/AHA-Empfehlungen zur Lebensweise:

  • Gesunde Ernährung, insbesondere die Dietary Approaches to Stop Hypertension (DASH)-Diät
  • Gewichtsreduktion bei übergewichtigen/adipösen Erwachsenen
  • Reduzierung der Natriumaufnahme
  • Erhöhte Kaliumzufuhr
  • Regelmäßige körperliche Aktivität
  • Mäßiger Alkoholkonsum oder Abstinenz

ESC/ESH-Empfehlungen zur Lebensweise:

  • Gesunde Ernährung, insbesondere mediterrane Diät
  • Gewichtsreduktion bei übergewichtigen/adipösen Erwachsenen
  • Reduzierung der Natriumaufnahme
  • Regelmäßige körperliche Aktivität
  • Mäßiger Alkoholkonsum
  • Raucherentwöhnung

Beide Leitlinien betonen, dass diese Lebensstilinterventionen grundlegend für Prävention und Behandlung von Hypertonie sind und allen Patienten nahegelegt werden sollten, unabhängig davon, ob sie Medikamente benötigen.

Wesentliche Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Während die Leitlinien in vielen Bereichen übereinstimmen, bestehen einige wichtige Unterschiede, die Patienten verstehen sollten:

Gemeinsamkeiten:

  • Betonung genauer Blutdruckmessung mit validierten Geräten
  • Bedeutung außerklinischer Messungen zur Diagnosesicherung
  • Umfassende Patientenbewertung inklusive Anamnese, körperlicher Untersuchung und Labortests
  • Zentrale Rolle von Lebensstilmodifikationen als Behandlungsgrundlage
  • Notwendigkeit kardiovaskulärer Risikobewertung zur Therapiesteuerung
  • Ähnliche Blutdruckzielwerte für die meisten Patienten
  • Empfehlungen spezifischer Medikamentenklassen basierend auf Patientenmerkmalen

Wesentliche Unterschiede:

  • Diagnoseschwellen: ACC/AHA verwendet ≥130/80 mmHg, ESC/ESH ≥140/90 mmHg
  • Therapiebeginn: ACC/AHA empfiehlt Medikamente für Hochrisiko-Patienten mit Hypertonie Stadium 1, während ESC/ESH Medikamente überwiegend für Stadium-2-Patienten oder bei spezifischen Begleiterkrankungen vorsieht
  • Risikobewertungssysteme: Unterschiedliche Systeme (Pooled Cohort Equations vs. SCORE)
  • Labordiagnostik: Einige Abweichungen bei empfohlenen Tests
  • Klassifikationssystem: ACC/AHA verwendet 4 Kategorien, ESC/ESH 7 Kategorien

Was dies für Patienten bedeutet

Diese Leitliniendifferenzen haben praktische Auswirkungen auf Patienten:

Nach ACC/AHA-Kriterien diagnostizierte Patienten könnten früher als hyperton eingestuft und gegebenenfalls schneller medikamentös behandelt werden, insbesondere bei weiteren Risikofaktoren. Diese frühere Intervention könnte Komplikationen vorbeugen, bedeutet aber auch, dass mehr Menschen Medikamente mit entsprechenden Kosten und potenziellen Nebenwirkungen einnehmen.

Nach ESC/ESH-Ansatz könnten Patienten länger Lebensstilinterventionen durchführen, bevor Medikamente beginnen, es sei denn, sie haben sehr hohen Blutdruck oder zusätzliche Risikofaktoren. Dieser Ansatz könnte den Medikamenteneinsatz reduzieren, aber in einigen Fällen, in denen eine frühere Intervention vorteilhaft wäre, die Behandlung verzögern.

Die unterschiedlichen Risikobewertungsmethoden könnten zu unterschiedlichen Therapieempfehlungen für denselben Patienten führen, je nachdem, welches System der behandelnde Arzt verwendet. Patienten mit grenzwertigen Blutdruckwerten könnten je nach befolgter Leitlinie unterschiedliche Ratschläge erhalten.

Trotz dieser Unterschiede sind sich beide Leitlinien in den wichtigsten Aspekten des Hypertoniemanagements einig: genaue Messung, umfassende Evaluation, Lebensstilmodifikation als Basis und personalisierte Behandlung basierend auf individuellem Risikoprofil.

Empfehlungen für künftige Leitlinien

Die Autoren dieses Vergleichsartikels geben mehrere Empfehlungen für die künftige Leitlinienentwicklung:

  1. Erhöhte Harmonisierung: Künftige Leitlinien sollten auf größere Konsistenz in den Empfehlungen hinarbeiten, insbesondere bei Diagnoseschwellen und Therapieeinleitungskriterien
  2. Standardisierte Prozesse: Entwicklungsprozesse sollten zwischen verschiedenen Leitliniengremien besser abgestimmt werden
  3. Klare Kommunikation: Leitlinien sollten klare Erklärungen für Bereiche mit Uneinigkeit und die Evidenz für unterschiedliche Ansätze liefern
  4. Patientenbeteiligung: Fortgesetzte Einbeziehung von Patientenvertretern in Leitlinienentwicklungsprozesse
  5. Umsetzungsunterstützung: Leitlinien sollten von praktischen Tools und Ressourcen zur Unterstützung der Implementierung in der klinischen Praxis begleitet werden

Eine stärkere Harmonisierung zwischen US-amerikanischen und europäischen Leitlinien würde helfen, die Gemeinsamkeiten ihrer Kernempfehlungen zu betonen und könnte Praxisänderungen katalysieren, die zu verbesserter Prävention, Aufklärung, Behandlung und Kontrolle von Hypertonie weltweit führen.

Quellenangaben

Originalartikeltitel: Harmonisierung der Blutdruck-/Hypertonie-Leitlinien des American College of Cardiology/American Heart Association und der European Society of Cardiology/European Society of Hypertension: Vergleiche, Reflexionen und Empfehlungen

Autoren: Paul K. Whelton, MB, MD, MSc; Robert M. Carey, MD; Giuseppe Mancia, MD; Reinhold Kreutz, MD; Joshua D. Bundy, PhD, MPH; Bryan Williams, MD

Veröffentlichung: Circulation. 2022;146:868–877. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.054602

Hinweis: Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf begutachteter Forschung, ursprünglich veröffentlicht in Circulation, European Heart Journal und Journal of the American College of Cardiology.