Diese Fallstudie beschreibt eine 64-jährige Patientin mit akut einsetzenden, stärksten Kopfschmerzen ihres Lebens. Die Diagnostik ergab eine Blutung an der Hirnoberfläche (konvexitale Subarachnoidalblutung) sowie erhöhte Herzenzymwerte. Nach umfassender Abklärung wurde ein reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RCVS) in Kombination mit einer stressinduzierten Kardiomyopathie (Takotsubo-Kardiomyopathie) diagnostiziert. Dabei handelt es sich um ein Krankheitsbild, bei dem emotionaler Stress vorübergehende Gefäßverengungen im Gehirn und eine akute Herzschwäche auslöst.
Donnerschlagkopfschmerz verstehen: Eine Fallstudie zu plötzlich einsetzenden starken Kopfschmerzen und ihren Ursachen
Inhaltsverzeichnis
- Fallvorstellung: Die stärksten Kopfschmerzen ihres Lebens
- Erstuntersuchung und Testergebnisse
- Bildgebende Befunde
- Differenzialdiagnose: Was könnte die Ursache sein?
- Verständnis von Donnerschlagkopfschmerz
- Häufige Ursachen von Donnerschlagkopfschmerz
- Seltene und sehr seltene Ursachen
- Endgültige Diagnose und Erklärung
- Was dies für Patientinnen und Patienten bedeutet
- Einschränkungen dieser Fallstudie
- Empfehlungen für Patientinnen und Patienten
- Quelleninformationen
Fallvorstellung: Die stärksten Kopfschmerzen ihres Lebens
Eine 64-jährige Frau stellte sich in der Notaufnahme vor, nachdem sie plötzlich starke Kopfschmerzen entwickelt hatte, die sie als „die stärksten Kopfschmerzen meines Lebens“ beschrieb. Die Symptome traten auf, als sie bei einer Eigentümerversammlung aufstand, um zu sprechen.
Der Kopfschmerz setzte abrupt ein: beidseitig, frontal, pulsierend und erreichte innerhalb von Sekunden seine maximale Intensität. Die Patientin bewertete den Schmerz auf der Skala von 0 bis 10 mit der Höchststufe 10. Er war so stark, dass sie ihren Satz nicht beenden konnte und das Gefühl hatte, ohnmächtig zu werden.
Sie litt unter Übelkeit, erbrach jedoch nicht. Als sich ihre Beschwerden nach 30 Minuten nicht besserten, wurde der Rettungsdienst gerufen und sie ins Krankenhaus gebracht. Wiederholt sagte sie zu ihrem Ehemann: „Irgendetwas stimmt wirklich nicht“ – ein Hinweis darauf, dass sie spürte, dieser Kopfschmerz unterschied sich von allen vorherigen.
Erstuntersuchung und Testergebnisse
In der Krankengeschichte der Patientin waren Bluthochdruck und eine zervikale Bandscheibenerkrankung mit chronischen Nackenschmerzen verzeichnet. Ihre Medikation umfasste Hydrochlorothiazid (ein blutdrucksenkendes Mittel) und oral verabreichte konjugierte Östrogene, die sie alle drei Tage gegen Wechseljahrsbeschwerden einnahm.
Die Vitalzeichen bei Aufnahme:
- Temperatur: 36,3 °C (normal)
- Blutdruck: 157/77 mm Hg (erhöht)
- Herzfrequenz: 77 Schläge pro Minute (normal)
- Atemfrequenz: 16 Atemzüge pro Minute (normal)
- Sauerstoffsättigung: 96 % bei Raumluft (normal)
Die neurologische Untersuchung war unauffällig, einschließlich Sprache, Hirnnervenfunktion, Gesichtsfelder, Muskelkraft, Sensibilität, Reflexe und Kleinhirnfunktion. Blutuntersuchungen – Glukose, Elektrolyte, Blutbild, Nierenwerte und Gerinnung – waren alle im Normbereich.
Weitere Laborwerte:
- Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit: 8 mm/h (Norm: 0–20)
- C-reaktives Protein: 2,7 mg/l (Norm: <8,0)
- Troponin T: 0,36 ng/ml (erhöht, Norm: <0,03)
Das EKG zeigte einen Sinusrhythmus mit AV-Block ersten Grades und diffusen, submillimetrigen ST-Streckensenkungen.
Bildgebende Befunde
Die zwei Stunden nach Kopfschmerzbeginn durchgeführte native CCT zeigte eine Subarachnoidalblutung entlang des linken Lobulus parietalis superior und der paramedianen Parietalsulci. Dieses Muster ist als konvexe Subarachnoidalblutung bekannt, bei der die Blutung über der Gehirnoberfläche und nicht an der Basis auftritt, wie es für aneurysmatische Blutungen typisch ist.
Die CT-Angiographie des Kopfes mit Kontrastmittel ergab eine subtile, diffuse segmentale Verengung mehrerer distaler Äste der intrakraniellen Gefäße. Es fanden sich keine Hinweise auf ein Aneurysma oder andere Gefäßanomalien, die die Blutung erklären könnten.
Differenzialdiagnose: Was könnte die Ursache sein?
Das Behandlungsteam zog mehrere mögliche Ursachen in Betracht, wobei der Fokus auf drei Schlüsselelementen lag: dem Donnerschlagkopfschmerz, der konvexen Subarachnoidalblutung und dem erhöhten Troponinspiegel.
Ein Donnerschlagkopfschmerz bezeichnet einen schweren Kopfschmerz, der innerhalb von Minuten seine maximale Intensität erreicht. Die Internationale Kopfschmerzgesellschaft definiert ihn als einen plötzlich beginnenden, intensiven Kopfschmerz, der innerhalb von weniger als einer Minute seinen Höhepunkt erreicht, mindestens fünf Minuten anhält und nicht durch eine andere Diagnose erklärt werden kann. Studien zeigen jedoch, dass etwa 15 % der Patienten mit aneurysmatischer Subarachnoidalblutung angeben, der Kopfschmerz habe seinen Höhepunkt erst nach einer Minute erreicht, bei manchen sogar erst nach bis zu 60 Minuten.
Verständnis von Donnerschlagkopfschmerz
Ein Donnerschlagkopfschmerz ist ein medizinischer Notfall, der sofort abgeklärt werden muss. Etwa 2 % aller Notaufnahmebesuche erfolgen aufgrund von Kopfschmerzen, und 15 % davon betreffen die Abklärung eines Donnerschlagkopfschmerzes.
Es ist entscheidend, dass Patienten mit Donnerschlagkopfschmerz umgehend und gründlich auf zugrunde liegende Ursachen untersucht werden. Dass die Schmerzen dieser Patientin nach Gabe von intravenösem Morphin und Promethazin nachließen, entbindet nicht von der Notwendigkeit, die Ursache zu identifizieren – eine erfolgreiche Schmerzkontrolle schließt ernste Erkrankungen nicht aus.
Häufige Ursachen von Donnerschlagkopfschmerz
Das Behandlungsteam erwog folgende häufige Ursachen:
Aneurysmatische Subarachnoidalblutung: Dies ist die wichtigste „nicht zu übersehende“ Diagnose, da eine wirksame Behandlung existiert und die Prognose ohne zeitnahe Intervention schlechter ist. Typischerweise verursacht sie jedoch Blutungen an der Gehirnbasis und nicht an der Oberfläche. Bei Patienten mit Donnerschlagkopfschmerz und unauffälliger neurologischer Untersuchung haben 5–7 % eine aneurysmatische Subarachnoidalblutung.
Reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RZVSS): Diese Erkrankung ist gekennzeichnet durch fluktuierende, reversible Verengungen intrakranieller Arterien und tritt häufiger bei Frauen auf. Etwa 8 % der Patienten, die sich mit Donnerschlagkopfschmerz in der Notaufnahme vorstellen, haben ein RZVSS. Ungefähr 35 % der RZVSS-Patienten weisen eine konvexe Subarachnoidalblutung auf.
RZVSS wird oft durch emotionale, körperliche, medizinische oder pharmakologische Auslöser verursacht. Typischerweise erleben die Patienten multiple Donnerschlagkopfschmerzen über Tage bis Wochen, wobei jeder Fall mit einem ersten Kopfschmerz beginnt.
Seltene und sehr seltene Ursachen
Das Team zog auch diese selteneren Möglichkeiten in Betracht:
Zerebrale Venensinusthrombose (ZVST): Donnerschlagkopfschmerz ist ein Leitsymptom bei 15 % der ZVST-Patienten und kann ebenfalls eine konvexe Subarachnoidalblutung verursachen. Die Einnahme konjugierter Östrogene durch die Patientin ist ein Risikofaktor für ZVST.
Arteriendissektion: Eine seltene Ursache für Donnerschlagkopfschmerz, die eine konvexe Subarachnoidalblutung verursachen kann. Allerdings wird dies vor allem bei Frauen nach der Geburt oder bei Dissektionen mit ischämischem Schlaganfall berichtet, was beides nicht zum Bild dieser Patientin passte.
Posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom (PRES): Eine weitere seltene Ursache, die eine konvexe Subarachnoidalblutung verursachen kann; Kopfschmerzen bei PRES entwickeln sich jedoch meist allmählich und nicht plötzlich.
Andere seltene Ursachen, die erwogen und ausgeschlossen wurden, umfassten Meningitis/Enzephalitis, symptomatisches nicht rupturiertes Aneurysma, Kolloidzyste, retroklivales Hämatom, Riesenzellarteriitis, transiente globale Amnesie, schmerzlose Aortendissektion und akuten Myokardinfarkt.
Endgültige Diagnose und Erklärung
Die endgültige Diagnose lautete: Reversibles zerebrales Vasokonstriktionssyndrom (RZVSS) mit Takotsubo-Kardiomyopathie.
Das RZVSS erklärte sowohl den Donnerschlagkopfschmerz als auch die konvexe Subarachnoidalblutung. Der emotionale Stress des öffentlichen Sprechens löste wahrscheinlich eine sympathische Hyperaktivität und Vasokonstriktion aus. Die Erkrankung gilt als „reversibel“, weil die Gefäßverengung typischerweise innerhalb von ein bis drei Monaten zurückgeht.
Der erhöhte Troponinspiegel (0,36 ng/ml, deutlich über dem Normwert <0,03 ng/ml) wurde durch eine Takotsubo-Kardiomyopathie, auch stressinduzierte Kardiomyopathie genannt, erklärt. Diese Erkrankung wurde mit RZVSS in Verbindung gebracht, was darauf hindeutet, dass die Vasokonstriktion bei RZVSS möglicherweise nicht auf Hirnarterien beschränkt ist.
Die Patientin entsprach dem typischen Profil für Takotsubo-Kardiomyopathie: In einem internationalen Register mit 1.750 Patienten waren 90 % Frauen mit einem Durchschnittsalter von 67 Jahren. Die Erkrankung geht mit einer vorübergehenden Schwächung des Herzmuskels einher, oft ausgelöst durch emotionalen Stress.
Was dies für Patientinnen und Patienten bedeutet
Dieser Fall veranschaulicht mehrere wichtige Punkte für Patienten:
Erstens: Jeder plötzliche, starke Kopfschmerz, den Patienten als „die stärksten Kopfschmerzen meines Lebens“ beschreiben, erfordert sofortige medizinische Abklärung. Dies gilt besonders, wenn der Schmerz anders als vorherige Kopfschmerzen ist oder innerhalb von Minuten seine maximale Intensität erreicht.
Zweitens: Emotionaler Stress kann ernste medizinische Erkrankungen jenseits von Angst auslösen. Der Stress des öffentlichen Sprechens löste in diesem Fall wahrscheinlich sowohl die zerebrale Vasokonstriktion als auch die Herzmuskelschwäche aus.
Drittens: Normale anfängliche Untersuchungsergebnisse schließen ernste Erkrankungen nicht immer aus. Diese Patientin hatte eine unauffällige neurologische Untersuchung und die meisten Blutwerte waren normal, dennoch bestanden signifikante Blutungen an der Gehirnoberfläche und eine Beteiligung des Herzens.
Viertens: Postmenopausale Frauen, die Östrogen einnehmen, sollten sich potenzieller kardiovaskulärer und zerebrovaskulärer Risiken bewusst sein, auch wenn der Zusammenhang komplex ist und individuelle Gespräche mit dem Arzt erfordert.
Einschränkungen dieser Fallstudie
Dieser Fallbericht beschreibt die Erfahrung einer einzelnen Patientin, sodass die Ergebnisse nicht auf alle Patienten mit ähnlichen Symptomen verallgemeinert werden können. Die Diagnose basierte auf klinischem Bild und bildgebenden Befunden, nicht auf pathologischer Bestätigung.
Die Patientin wurde während der akuten Phase begleitet, Langzeitergebnisse werden hier nicht beschrieben. RZVSS bildet sich typischerweise innerhalb von Wochen bis Monaten zurück, aber einige Patienten können anhaltende Symptome oder Komplikationen entwickeln.
Die Verbindung zwischen RZVSS und Takotsubo-Kardiomyopathie, obwohl plausibel aufgrund ähnlicher Auslöser und Pathophysiologie, stellt eine Assoziation und keine bewiesene kausale Beziehung in diesem Einzelfall dar.
Empfehlungen für Patientinnen und Patienten
Basierend auf diesem Fall sollten Patienten:
- Für jeden plötzlichen, starken Kopfschmerz, der anders als vorherige ist, sofort medizinische Hilfe suchen
- Symptome genau beschreiben, einschließlich Zeitpunkt, Intensität und auslösender Ereignisse
- Verschriebene Medikamente weiter einnehmen, sofern nicht anders vom Arzt angeordnet, selbst wenn eine potenzielle Nebenwirkung vermutet wird
- Angemessen nachverfolgen nach Notaufnahmebesuchen wegen ernster Symptome
- Risiken und Nutzen der Hormontherapie mit ihrem Arzt besprechen, besonders bei weiteren kardiovaskulären Risikofaktoren
- Stress effektiv bewältigen durch gesunde Strategien, im Bewusstsein, dass schwerer emotionaler Stress körperliche Folgen haben kann
Patienten sollten auch verstehen, dass Schmerzlinderung wichtig ist, aber nicht die Notwendigkeit ersetzt, die Ursache schwerer Symptome zu identifizieren. Eine umfassende Abklärung sollte parallel zur symptomatischen Behandlung erfolgen.
Quelleninformationen
Originalartikeltitel: Fall 18-2024: Eine 64-jährige Frau mit den stärksten Kopfschmerzen ihres Lebens
Autoren: Jonathan A. Edlow, M.D., Aneesh B. Singhal, M.D., und Javier M. Romero, M.D.
Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 13. Juni 2024
DOI: 10.1056/NEJMcpc2402484
Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf begutachteter Forschung aus The New England Journal of Medicine. Er bewahrt alle wesentlichen medizinischen Informationen der ursprünglichen Fallstudie und macht sie für interessierte Laien zugänglich.