TYSABRI (Natalizumab) ist ein intravenös verabreichtes Medikament zur Behandlung von schubförmiger Multipler Sklerose sowie mittelschwerer bis schwerer aktiver Crohn-Krankheit bei Erwachsenen, die auf andere Therapien nicht ausreichend angesprochen haben. Obwohl es wirksam Schübe und Entzündungen reduziert, birgt TYSABRI ein ernsthaftes Risiko für eine progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML) – eine seltene Gehirninfektion, die häufig zu schweren Behinderungen oder zum Tod führt. Das Medikament ist ausschließlich über ein eingeschränktes Verteilprogramm namens TOUCH® erhältlich, das regelmäßige Überwachung und spezifische Sicherheitsprotokolle zur Risikominimierung vorschreibt.
TYSABRI (Natalizumab) verstehen: Ein umfassender Patientenleitfaden
Inhaltsverzeichnis
- Was ist TYSABRI und wofür wird es eingesetzt?
- Wichtige Risiken und Sicherheitshinweise
- Dosierung und Anwendung
- Zubereitung und Infusionsablauf
- Häufige Nebenwirkungen
- Erforderliche Überwachung und Sicherheitsprogramm
- Besondere Patientengruppen
- Quellenangaben
Was ist TYSABRI und wofür wird es eingesetzt?
TYSABRI (Natalizumab) ist ein verschreibungspflichtiges Medikament zur Behandlung bestimmter Autoimmunerkrankungen bei Erwachsenen. Es gehört zur Wirkstoffklasse der Integrinrezeptorantagonisten, die verhindern, dass bestimmte Immunzellen in Gehirn, Rückenmark oder Verdauungstrakt eindringen – je nach behandelter Erkrankung.
Zugelassen ist das Medikament für zwei Hauptanwendungen: Bei Multipler Sklerose (MS) behandelt es schubförmige Verlaufsformen, einschließlich des klinisch isolierten Syndroms, der schubförmig-remittierenden MS und der aktiven sekundär progredienten MS. Bei Morbus Crohn hilft es, klinisches Ansprechen und Remission bei Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Erkrankung zu erreichen und zu erhalten, wenn konventionelle Therapien oder TNF-α-Inhibitoren nicht ausreichend wirken.
Wichtig zu wissen: TYSABRI birgt erhebliche Risiken, insbesondere die seltene Gehirninfektion PML (progressive multifokale Leukenzephalopathie). Ärzte müssen daher sorgfältig abwägen, ob die potenziellen Vorteile für den einzelnen Patienten die Risiken überwiegen.
Wichtige Risiken und Sicherheitshinweise
TYSABRI trägt eine Rahmenwarnung – die strengste Sicherheitswarnung der FDA – wegen des Risikos einer PML. Dabei handelt es sich um eine seltene, aber schwerwiegende Virusinfektion des Gehirns, die meist bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem auftritt und häufig tödlich oder mit schweren Behinderungen verläuft.
Drei Hauptfaktoren erhöhen das PML-Risiko unter TYSABRI: Das Vorliegen von Anti-JC-Virus-Antikörpern, eine Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren sowie eine vorherige Behandlung mit Immunsuppressiva wie Mitoxantron, Azathioprin, Methotrexat, Cyclophosphamid oder Mycophenolat-Mofetil.
Die geschätzte PML-Häufigkeit variiert je nach Risikoprofil: Bei Anti-JCV-Antikörper-negativen Patienten liegt sie unter 1/10.000. Bei Antikörper-positiven Patienten ohne vorherige Immunsuppression steigt das Risiko von 1/1.000 in den ersten 24 Monaten auf 4/1.000 nach 49–72 Monaten. Mit vorheriger Immunsuppression steigt es auf bis zu 7/1.000.
Weitere schwerwiegende Risiken sind Herpesinfektionen (Enzephalitis, Meningitis, akute retinale Nekrose), Leberschäden bis hin zum Leberversagen, schwere Überempfindlichkeitsreaktionen, erhöhte Infektanfälligkeit und Blutbildveränderungen wie Thrombozytopenie.
Dosierung und Anwendung
TYSABRI wird als 300 mg intravenöse Infusion über eine Stunde alle vier Wochen verabreicht. Es darf niemals als Bolus injiziert werden. Der regelmäßige Dosierungsrhythmus sorgt für konstante Wirkstoffspiegel im Körper.
Für Morbus-Crohn-Patienten gelten besondere Regeln: Zeigt sich nach zwölf Wochen kein Therapieerfolg, wird TYSABRI abgesetzt. Patienten, die mit Kortikosteroiden beginnen, müssen diese nach Wirkeintritt ausschleichen und innerhalb von sechs Monaten absetzen, sonst muss TYSABRI beendet werden.
Während der Infusion ist eine sorgfältige Überwachung erforderlich. Nach den ersten zwölf komplikationslosen Infusionen kann die Nachbeobachtungszeit individuell angepasst werden.
Zubereitung und Infusionsablauf
TYSABRI erfordert eine spezielle Zubereitung: Jede Flasche enthält 300 mg/15 ml (20 mg/ml). Unter sterilen Bedingungen werden 15 ml entnommen und in 100 ml 0,9%ige Natriumchloridlösung injiziert.
Die Lösung muss durch vorsichtiges Invertieren gemischt werden – nicht schütteln. Die Endkonzentration beträgt 2,6 mg/ml. Die zubereitete Lösung muss sofort verwendet oder bei 2–8 °C gelagert und innerhalb von 48 Stunden verbraucht werden. Eingefrorenes Medikament ist unbrauchbar.
Die Infusion erfolgt über etwa eine Stunde mit einer Rate von ca. 5 mg pro Minute. Anschließend wird der Zugang mit Kochsalzlösung gespült. Andere Medikamente dürfen nicht gleichzeitig verabreicht oder gemischt werden.
Häufige Nebenwirkungen
In klinischen Studien traten bei mindestens 10 % der Patienten folgende Nebenwirkungen auf – bei MS-Patienten:
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit
- Gelenkschmerzen
- Harnwegsinfekte
- Infektionen der unteren Atemwege
- Gastroenteritis
- Vaginitis
- Depression
- Gliederschmerzen
- Bauchschmerzen
- Durchfall
- Hautausschlag
Bei Morbus-Crohn-Patienten waren Kopfschmerzen, Infekte der oberen Atemwege, Übelkeit und Müdigkeit am häufigsten. Häufigkeit und Schweregrad variieren individuell.
Erforderliche Überwachung und Sicherheitsprogramm
Wegen des PML-Risikos ist TYSABRI nur über das eingeschränkte TOUCH®-Verschreibungsprogramm erhältlich. Dieses Programm verpflichtet Ärzte, Patienten und Einrichtungen zu besonderen Sicherheitsmaßnahmen.
Ärzte müssen zertifiziert sein und regelmäßige Kontrollen durchführen: drei und sechs Monate nach der ersten Infusion, danach halbjährlich. Auch nach Therapieende ist eine mindestens sechsmonatige Nachbeobachtung erforderlich.
Patienten müssen sich registrieren, die Informationen verstehen und Einverständniserklärungen unterschreiben. Regelmäßige Anti-JCV-Antikörpertests werden empfohlen, da 3–8 % der MS-Patienten jährlich serokonvertieren (von negativ zu positiv).
MRT-Untersuchungen sind essenziell: Vor Therapiebeginn zur Baseline-Dokumentation, bei Verdacht auf PML mit Kontrastmittel und Liquoranalyse auf JC-Virus-DNA.
Besondere Patientengruppen
In der Schwangerschaft: TYSABRI kann aufgrund seines Wirkmechanismus und tierexperimenteller Daten dem Fötus schaden. Frauen im gebärfähigen Alter sollten während der Behandlung verhüten und eine Schwangerschaftsplanung mit ihrem Arzt besprechen.
Bei Neugeborenen mit intrauteriner Exposition sind Blutbildkontrollen auf Thrombozytopenie und Anämie ratsam, da solche Veränderungen berichtet wurden.
Ältere Patienten haben möglicherweise ein erhöhtes Infektionsrisiko. Bei Kindern ist TYSABRI nicht zugelassen. Stillentscheidungen sollten nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung getroffen werden.
Quellenangaben
Originaltitel: TYSABRI- Natalizumab-Injektion
Hersteller: Biogen Inc.
Erste US-Zulassung: 2004
Letzte Aktualisierung: März 2025
Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf geprüfter Forschung und der Fachinformation zu TYSABRI. Bitte konsultieren Sie Ihren Arzt für persönliche medizinische Beratung.