Der vorliegende Fall betrifft einen 54-jährigen männlichen Sportler, der über einen Zeitraum von 17 Monaten zunehmend unter Belastungsdyspnoe und thorakalen Beschwerden bei körperlicher Aktivität litt. Trotz zunächst unauffälliger kardiologischer Bildgebung ergaben weiterführende Untersuchungen eine Verdickung der Herzwände, die schließlich zur Diagnose einer AL-Amyloidose führte – einer seltenen Erkrankung, bei der abnorme Proteine in Organen abgelagert werden. Die Belastbarkeit des Patienten verschlechterte sich deutlich auf 59 % der Sollwerte. Spezialisierte Laboranalysen wiesen extrem erhöhte Kappa-Leichtketten mit einem Verhältnis von 1178,68 nach und bestätigten damit diese schwerwiegende, jedoch behandelbare Diagnose.
Wenn die sportliche Leistung nachlässt: Ein Fall von Herzinsuffizienz, der eine verborgene Amyloidose aufdeckt
Inhaltsverzeichnis
- Fallvorstellung: Die rätselhaften Symptome des Athleten
- Erste diagnostische Untersuchungen
- Fortschreitende Symptome und sich entwickelnde Befunde
- Bewertung im kardiovaskulären Leistungsprogramm
- Differentialdiagnose: Abwägung der Möglichkeiten
- Klinischer Eindruck und Untersuchungen
- Pathologische Diagnose
- Weitere kardiale Merkmale der Amyloidose
- Was dies für Patienten bedeutet
- Einschränkungen dieses Falls
- Empfehlungen für Patienten
- Quelleninformation
Fallvorstellung: Die rätselhaften Symptome des Athleten
Ein 54-jähriger männlicher Athlet stellte sich in einer kardiovaskulären Leistungsklinik mit progredienter Belastungsdyspnoe (Atemnot bei Anstrengung) und Brustschmerzen vor, die sich über 17 Monate entwickelt hatten. Zuvor war er stets bei ausgezeichneter Gesundheit gewesen und trieb intensiv Sport, darunter Radfahren, Eishockey, Rudern und Triathlon.
Der Patient bemerkte erstmals 17 Monate vor der Untersuchung intermittierenden, nicht ausstrahlenden Brustdruck und die Unfähigkeit, „richtig durchzuatmen“ während hochintensiver aerober Belastung. Seine einzige frühere kardiale Vorgeschichte war eine Episode von dumpfen linksseitigen Brustschmerzen nach einer Flugreise vor fünf Jahren, die mit normalen Troponinwerten (einem Herzenzym-Marker) und Sinusbradykardie (langsame Herzfrequenz) im Elektrokardiogramm abgeklärt worden war.
Erste diagnostische Untersuchungen
Fünf Jahre vor seinen aktuellen Symptomen unterzog sich der Patient einer koronaren Computertomographie-Angiographie (CTA) zur Abklärung von Brustschmerzen. Diese erweiterte Bildgebung zeigte:
- CAD-RADS-Score von 0 (keine atherosklerotischen Plaques)
- Koronarkalzium-Score von 0 (keine Verkalkungen)
- Keine Lumeneinengung oder nichtverkalkte Plaques
- Normale Herzkammergrößen und Wanddicken
- Erhaltene systolische Ruhefunktion (normale Pumpleistung)
Diese Ergebnisse schlossen eine koronare Herzkrankheit als Ursache seiner aktuellen Symptome effektiv aus.
Fortschreitende Symptome und sich entwickelnde Befunde
Einen Monat nach Beginn seiner Symptome (16 Monate vor der aktuellen Vorstellung) entdeckte sein Hausarzt ein neu aufgetretenes midsystolisches Geräusch Grad 2/6. Die Elektrokardiographie zeigte besorgniserregende Veränderungen, darunter:
- Neue Rechtslage
- Reduzierte R-Zacken-Progression
- Neue inferolaterale T-Negativierungen
Normale Röntgenthorax- und Laboruntersuchungen veranlassten den Beginn einer Aspirin-Therapie. Die Belastungsechokardiographie zehn Tage später zeigte belastungsinduzierte ST-Streckensenkungen (2 mm) in inferolateralen Ableitungen trotz fehlender Wandbewegungsstörungen.
Vierzehn Monate vor der Vorstellung ergab die kardiologische Untersuchung persistierende Symptome und ausgeprägtere T-Negativierungen sowie eine neue Q-Zacke in Ableitung aVL. Die Echokardiographie zeigte nun:
- Hyperdynamer linker Ventrikel mit symmetrischer Wandverdickung (17 mm)
- Systolische intrakavitäre Obliteration des linken Ventrikels
- Biatriale und Vena-cava-inferior-Erweiterung
- Rechtsventrikuläre Wandverdickung
- Mitralklappenverdickung
Die 14 Monate vor der Vorstellung durchgeführte Kardio-MRT zeigte:
- Konzentrische linksventrikuläre Wandverdickung bis 18 mm
- Fehlende Verjüngung der Wanddicke von Basis zu Apex
- Fokales Late-Gadolinium-Enhancement von 3 % des linksventrikulären Myokards
- Leichte Verlängerung des vorderen Mitralsegels
Der Gentest auf 56 Gene, die mit hypertropher Kardiomyopathie assoziiert sind, war negativ, und die erwachsenen Kinder des Patienten zeigten keine kardialen Auffälligkeiten in Screening-Echokardiogrammen.
Bewertung im kardiovaskulären Leistungsprogramm
Bei Überweisung in die kardiovaskuläre Leistungsklinik berichtete der Patient von einem schleichenden Rückgang der Belastbarkeit, erschwerter Erholung nach Belastung, Oberbauchbeschwerden nach dem Essen und einer zweiwöchigen Heiserkeit. Er verneinte Synkopen, Schwindel, Palpitationen oder andere besorgniserregende Symptome.
Die Untersuchung ergab:
- Herzfrequenz: 81 Schläge pro Minute
- Blutdruck: 116/70 mmHg
- Jugulärvenendruck: 13 cm Wassersäule
- Kussmaul-Zeichen (paradoxer Anstieg des Jugulärvenendrucks während der Inspiration)
- Kleine Angiome (<4 mm) auf der Rumpfhaut
Die Elektrokardiographie zeigte im Vergleich zu vor fünf Jahren verschlechterte Veränderungen:
- Rechtslage
- T-Negativierungen
- Verminderte QRS-Amplituden
Die kardiopulmonale Belastungsuntersuchung ergab eine schwere Einschränkung:
- Maximale Sauerstoffaufnahme: 19,7 ml/kg/min (nur 59 % des Sollwerts)
- Normale maximale Leistung: 213 Watt (100 % des Sollwerts)
- Ventilatorische Schwelle bei 83 % der maximalen Sauerstoffaufnahme
- Eingeschränkte Sauerstoffpuls-Steigerung (hinweisend auf verminderte Schlagvolumenzunahme)
Laboruntersuchungen zeigten erhöhte kardiale Biomarker:
- High-sensitivity Troponin T: 91 ng/Liter (normal <9 ng/Liter)
- N-terminales pro-B-Typ natriuretisches Peptid: 2099 pg/ml (normal <900 pg/ml)
Differentialdiagnose: Abwägung der Möglichkeiten
Das medizinische Team erwog mehrere mögliche Ursachen für den Rückgang der Herzfunktion dieses Athleten:
Hypertrophe Kardiomyopathie wurde zunächst aufgrund der verdickten Ventrikelwände (17–18 mm), Mitralklappenanomalien und des Late-Gadolinium-Enhancements in der MRT in Betracht gezogen. Die rasche 17-monatige Progression war jedoch ungewöhnlich für eine genetische hypertrophe Kardiomyopathie, und der Gentest war negativ.
Restriktive Kardiomyopathie wurde aufgrund mehrerer Befunde stärker in Betracht gezogen:
- Kussmaul-Zeichen, das auf eine eingeschränkte rechtsventrikuläre Füllung hindeutet
- Abnehmende QRS-Spannung trotz Wandverdickung (hinweisend auf infiltrativen Prozess)
- Biatriale Vergrößerung bei normalen Ventrikelkammergrößen
- Kardiopulmonale Testing zeigt verminderte Schlagvolumensteigerung
Unter den restriktiven Ursachen evaluierte das Team:
- Nichtinfiltrative Erkrankungen (systemische Sklerose, diabetische Kardiomyopathie) – unwahrscheinlich bei der Vorgeschichte
- Speicherkrankheiten (Morbus Fabry, Morbus Gaucher) – keine unterstützenden Merkmale außer Hautangiomen
- Hydroxychloroquin-Toxizität – möglich, aber keine Anwendungsvorgeschichte
- Sarkoidose – möglich bei Heiserkeit (möglicherweise durch Beteiligung des Nervus laryngeus)
- Amyloidose – stark verdächtig aufgrund von Vorgeschichte mit ligamentären Erkrankungen (Rotatorenmanschettenrisse) und progredienter restriktiver Physiologie
Klinischer Eindruck und Untersuchungen
Das klinische Team war von der Diskrepanz zwischen der zuvor hohen aeroben Fitness des Patienten und seiner stark reduzierten maximalen Sauerstoffaufnahme (59 % des Sollwerts) beeindruckt. Der rasche Rückgang und das Kussmaul-Zeichen wiesen auf restriktive Kardiomyopathien, insbesondere Amyloidose, hin.
Die diagnostische Testing auf Amyloidose ergab:
- Serum-IgG: 715 mg/dl (normal 700–1600)
- Serum-IgA: 29 mg/dl (normal 66–436) – erniedrigt
- Serum-IgM: 13 mg/dl (normal 43–279) – erniedrigt
- Monoklonales Kappa-Leichtketten-Protein in der Immunfixation
- Freie Lambda-Leichtketten: 3,1 mg/Liter (normal 5,7–26,3) – erniedrigt
- Freie Kappa-Leichtketten: 3653,9 mg/Liter (normal 3,3–19,4) – stark erhöht
- Kappa:Lambda-Verhältnis: 1178,68 (normal 0,30–1,70) – extrem erhöht
Diese Befunde waren hochgradig verdächtig auf eine AL-Amyloidose (Leichtkettenamyloidose), was eine Überweisung zur Knochenmarkbiopsie veranlasste.
Pathologische Diagnose
Die Knochenmarkbiopsie ergab ein hyperzelluläres Mark mit atypischen Plasmazellen, die etwa 40 % der Zellularität ausmachten. Die immunhistochemische Färbung bestätigte, dass es sich um monoklonale Plasmazellen handelte, die Kappa-Leichtketten produzierten.
Die Kongorot-Färbung zeigte apfelgrüne Doppelbrechung unter polarisiertem Licht, was das Vorhandensein von Amyloidablagerungen bestätigte. Die massenspektrometriebasierte Proteomik identifizierte das Amyloidmaterial als von Immunglobulin-Leichtketten stammend, spezifisch AL-Amyloidose.
Weitere kardiale Merkmale der Amyloidose
Wiederholte Echokardiographie nach der Diagnose zeigte klassische Merkmale der kardialen Amyloidose, die sich aus früheren Studien entwickelt hatten:
- Konzentrische linksventrikuläre Hypertrophie
- Granuläres Sprenkelmuster des Myokards
- Biatriale Vergrößerung
- Verdickte Herzklappen
- Diastolische Dysfunktion mit restriktivem Füllungsmuster
- Perikarderguss (in einigen Fällen)
Diese Befunde erklärten die Belastungsintoleranz des Patienten, da Amyloidinfiltration den Herzmuskel versteift und seine Fähigkeit beeinträchtigt, sich während Belastung zu entspannen und richtig zu füllen.
Was dies für Patienten bedeutet
Dieser Fall veranschaulicht mehrere wichtige Punkte für Patienten:
AL-Amyloidose ist eine ernste aber behandelbare Erkrankung, bei der abnormale Plasmazellen im Knochenmark Proteine produzieren, die Amyloidablagerungen in Organen, einschließlich des Herzens, bilden. Die kardiale Beteiligung präsentiert sich typischerweise als restriktive Kardiomyopathie mit:
- Progredienter Belastungsintoleranz und Atemnot
- Niedriger Spannung im EKG trotz dicker Herzwände
- Erhöhten kardialen Biomarkern (Troponin, NT-proBNP)
- Charakteristischen bildgebenden Befunden im Echokardiogramm und Kardio-MRT
Eine frühe Diagnose ist entscheidend, weil verfügbare Behandlungen das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen oder stoppen können. Das extrem erhöhte Kappa:Lambda-Verhältnis (1178,68 vs. normal 0,30–1,70) in diesem Fall ist typisch für AL-Amyloidose und hilft, sie von anderen Zuständen zu unterscheiden.
Dieser Fall ist besonders bemerkenswert, weil der Patient ein Hochleistungssportler war, dessen Symptome sich über 17 Monate schleichend entwickelten. Seine sportliche Vorgeschichte erschwerte zunächst die Diagnose, da einige kardiale Veränderungen einem Sportlerherz ähneln können.
Einschränkungen dieses Falls
Während dieser Fall wertvolle Einblicke bietet, sollten mehrere Einschränkungen beachtet werden:
Dies ist ein einzelner Fallbericht, und die Befunde mögen nicht auf alle Patienten mit ähnlichen Symptomen zutreffen. Das hohe sportliche Leistungsniveau des Patienten macht ihn ungewöhnlich, und die Krankheitspräsentation kann bei weniger aktiven Personen unterschiedlich sein.
Die Diagnose stützte sich auf spezialisierte Tests, die nicht in allen Zentren verfügbar sind, einschließlich erweiterter kardialer Bildgebung, Freie-Leichtketten-Assays und Knochenmarkbiopsie mit Massenspektrometrie. Die 17-monatige Verzögerung der Diagnose unterstreicht die Herausforderungen bei der Erkennung von Amyloidose, besonders bei sportlichen Personen.
Empfehlungen für Patienten
Basierend auf diesem Fall sollten Patienten:
- Lassen Sie sich bei anhaltender Belastungsintoleranz untersuchen – insbesondere wenn Sie einen fortschreitenden Rückgang Ihrer Fähigkeit bemerken, Aktivitäten auszuführen, die zuvor leicht fielen
- Berichten Sie alle Symptome – einschließlich scheinbar unzusammenhängender Beschwerden wie Heiserkeit, Hautveränderungen oder Bänderproblemen, da diese wichtige Hinweise liefern können
- Verlangen Sie kardiale Biomarker-Tests – Troponin und NT-proBNP (N-terminales pro-Brain Natriuretic Peptide) sind einfache Blutuntersuchungen, die kardialen Stress aufdecken können
- Erwägen Sie eine Überweisung an Spezialisten – an Zentren mit Erfahrung in komplexen Herzerkrankungen, falls erste Untersuchungen nicht schlüssig sind
- Verfolgen Sie auffällige Befunde nach – selbst wenn erste Tests normal ausfallen, erfordern anhaltende Symptome eine Wiederholungsuntersuchung
Für Patienten mit diagnostizierter kardialer Amyloidose umfassen aktuelle Behandlungen Chemotherapie gegen abnorme Plasmazellen, Stammzelltransplantation für geeignete Patienten und neu entwickelte Medikamente, die direkt Amyloidablagerungen angreifen.
Quelleninformation
Originalartikeltitel: Case 3-2025: A 54-Year-Old Man with Exertional Dyspnea and Chest Pain
Autoren: Clyde W. Yancy, M.D., J. Sawalla Guseh II, M.D., Brian G. Ghoshhajra, M.D., Rodney H. Falk, M.D., Andrew J. Yee, M.D., and Bailey M. Hutchison, M.D.
Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 23. Januar 2025; 392:383–94
DOI: 10.1056/NEJMcpc2300900
Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf begutachteter Forschung der Massachusetts General Hospital Case Records.