Darmkrebs. Hirnmetastasen. Neue Behandlungs- und Präventionsansätze. 4

Darmkrebs. Hirnmetastasen. Neue Behandlungs- und Präventionsansätze. 4

Can we help?

Dr. Ido Wolf, MD, ein führender Experte für Präzisionsmedizin und Onkologie, erläutert neue Forschungsergebnisse zur Krebsmetastasierung. Er beschreibt detailliert, wie Tumorzellen sich anpassen, um in feindliche Organe wie das Gehirn einzudringen. Bestimmte Mutationen ermöglichen es dem Krebs, auch in diesen neuen Umgebungen zu überleben und zu wachsen. Diese Erkenntnisse verbessern die Vorhersage möglicher Metastasierungsorte und eröffnen zugleich neue Ansätze für zielgerichtete Therapien und Präventionsstrategien.

Verständnis und Prävention von Hirnmetastasen bei kolorektalem Karzinom

Direktnavigation

Metastasierung in feindlichen Umgebungen

Für die Krebsmetastasierung müssen Zellen in fremde, feindliche Organe gelangen und dort überleben. Dr. med. Ido Wolf betont, dass die Umgebung an einer Metastasierungsstelle völlig anders ist als im Primärtumor. Beispielsweise unterscheidet sich Kolongewebe erheblich von Hirngewebe. Diese feindliche neue Umgebung stellt zirkulierende Krebszellen vor erhebliche Herausforderungen.

Dr. med. Anton Titov erörtert den Prozess mit Dr. med. Ido Wolf. Sie besprechen, wie Krebszellen diese Barrieren überwinden. Die Zellen müssen sich an Faktoren wie niedrigere Sauerstoff- und Glukosespiegel anpassen. Diese Anpassung ist ein entscheidender Schritt für die Bildung einer erfolgreichen Metastase.

Organspezifische Mutationsmuster

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass spezifische Metastasen spezifische Mutationsmuster aufweisen. Dr. med. Ido Wolf erklärt, dass sein Labor verschiedene Krebsarten untersucht, darunter Kolon-, Pankreas- und Brustkrebs. Bisher konzentrierte sich die Forschung vor allem auf die Genetik des Primärtumors. Die neuesten Erkenntnisse zeigen jedoch, dass Metastasen ihre eigenen einzigartigen genetischen Profile entwickeln.

Diese Mutationsmuster sind organspezifisch. Eine Lebermetastase bei kolorektalem Karzinom weist eine andere genetische Zusammensetzung auf als eine Hirnmetastase desselben Primärtumors. Dieser Befund ist entscheidend, da er über die Analyse des ursprünglichen Krebses hinausgeht. Er unterstreicht die Notwendigkeit, die Genetik der metastatischen Erkrankung selbst zu verstehen.

Anpassungsmechanismen von Krebszellen

Krebszellen aktivieren spezifische molekulare Schalter, um in einem neuen Organ zu überleben. Dr. med. Ido Wolf beschreibt, wie diese Anpassung ein ganzes Netzwerk metabolischer Aktivität erfordert. Die Zellen müssen Signalwege aktivieren, die es ihnen ermöglichen, sich trotz feindlicher Bedingungen zu vermehren. Dieser Prozess wird durch den Erwerb neuer Mutationen angetrieben, die einen Überlebensvorteil bieten.

Diese Mutationen sind im Primärtumor nicht vorhanden. Sie werden in der neuen Umgebung selektiert. Damit eine kolorektale Krebszelle im Gehirn gedeihen kann, muss sie immense Herausforderungen bewältigen. Die molekularen Mechanismen hinter dieser Anpassung sind ein Schwerpunkt der aktuellen Krebsforschung.

Vorhersage der metastatischen Ausbreitung

Das Verständnis von Mutationsprofilen könnte Ärzten ermöglichen, vorherzusagen, wohin sich Krebs ausbreiten wird. Dr. med. Ido Wolf weist darauf hin, dass ein spezifisches Mutationsmuster einem Tumor einen Vorteil für die Metastasierung in ein bestimmtes Organ verschaffen kann. Durch Analyse der Genetik des Primärtumors könnten Onkologen die wahrscheinlichsten Orte zukünftiger Metastasen vorhersagen, wie beispielsweise Gehirn oder Leber.

Diese Vorhersagefähigkeit ist eine potenziell wichtige Anwendung dieser Forschung. Dr. med. Anton Titov und Dr. med. Ido Wolf diskutieren ihre tiefgreifenden Implikationen für die Patientenüberwachung und das Screening. Die Kenntnis der Neigung eines Tumors zur Hirnmetastasierung könnte die Nachsorge nach der Erstbehandlung verändern.

Gezielte Therapie- und Präventionsstrategien

Die ultimativen Ziele sind verbesserte Behandlung und Prävention von Metastasen. Dr. med. Ido Wolf erklärt, dass die Identifizierung spezifischer Schwachstellen in metastatischen Zellen eine gezielte Therapie ermöglicht. Beispielsweise könnte die Hemmung entscheidender metabolischer Signalwege das Wachstum einer Hirnmetastase stoppen. Dieser Ansatz geht über die traditionelle Chemotherapie hinaus.

Prävention ist die beste Strategie. Dr. med. Anton Titov erkundet dieses Konzept mit Dr. med. Ido Wolf. Wenn gefährliche molekulare Signalwege im Primärtumor identifiziert werden, könnten Ärzte diese im Voraus gezielt behandeln. Diese proaktive Behandlung könnte die metastatische Ausbreitung ins Gehirn vollständig verhindern und die Prognose für Patienten mit fortgeschrittenem kolorektalem Karzinom grundlegend verbessern.

Vollständiges Transkript

Die metastatische Ausbreitung von Tumoren erfordert, dass Krebszellen in feindliche "fremde" Organe und Gewebe gelangen. Dabei erwerben Tumorzellen neue Mutationen. Ein führender Onkologe und Präzisionsmedizinexperte erklärt neue Forschungsergebnisse zur Vorhersage und Prävention der metastatischen Ausbreitung von Krebs, insbesondere der Ausbreitung von kolorektalem Karzinom ins Gehirn.

Dr. med. Anton Titov: Sie untersuchen die Metastasierung oder Ausbreitung von Krebszellen in andere Organe. Metastasen breiten sich in Lunge, Leber, aber besonders im Gehirn aus.

Sie haben besondere Mechanismen identifiziert, wie kolorektale Krebszellen ins Gehirn gelangen können. Was verursacht die Ausbreitung von Krebszellen ins Gehirn?

Was kann den metastatischen Prozess ins Gehirn bei beispielsweise kolorektalem Karzinom verhindern?

Dr. med. Ido Wolf: Dies ist ein Projekt, das wir kürzlich gestartet haben. Es handelt sich um brandneue Forschung in unserem Labor. Wir untersuchen verschiedene Tumore: Kolonkarzinom, Pankreaskarzinom, Brustkrebs. Wir analysieren, was die Ausbreitung von Metastasen beeinflusst.

Dies ist eine wichtige Frage, weil viele der heutigen Studien, einschließlich genomischer Untersuchungen oder RNA-Sequenzierung, sich hauptsächlich auf den Primärtumor konzentrierten. Dies ist das Tumorgewebe, das Krebsforscher üblicherweise von einem Chirurgen oder Pathologen erhalten.

Was wir jetzt entdecken, ist Folgendes: Die meisten dieser Krebsentdeckungen sind brandneu; sie sind noch nicht einmal veröffentlicht. Wir beobachten, dass spezifische Metastasen in spezifischen Organen spezifische Mutationsmuster aufweisen.

Warum ist das wichtig? Weil wir wissen, dass die Umgebung im Gehirn oder in der Leber völlig anders ist als die Umgebung im Primärtumor.

Nehmen wir zum Beispiel Brustkrebs: Brustgewebe ist völlig anders als Lebergewebe. Nehmen wir kolorektales Karzinom: Der Kolon selbst ist völlig anders als das Gehirn.

Das bedeutet, dass sich die Krebszellen an eine völlig neue Umgebung anpassen müssen. Die Anpassung erfordert die Gewöhnung an niedrigere Sauerstoffwerte. Sie erfordert die Anpassung an niedrige Glukosespiegel.

Diese Anpassung erfordert ein ganzes Netzwerk metabolischer Aktivität, das aktiviert werden muss. Wir untersuchen jetzt diese spezifischen molekularen Schalter, die Krebszellen das Überleben und die Vermehrung in einer feindlichen Umgebung ermöglichen.

Denn damit eine Krebszelle von einem Gewebe in ein anderes gelangt, mag die Umgebung um Metastasen herum ziemlich feindlich sein, aber Krebszellen schaffen es dennoch. Wir denken, dass zumindest ein Teil der Anpassung durch spezifische Mutationen erfolgt, die die Metastasierung antreiben.

Diese Mutationen ermöglichen es Zellen, sich in diesen feindlichen Umgebungen zu vermehren. Das ist sehr wichtig, weil man dann erkennt, dass die Genetik des Tumors am Primärort ziemlich unterschiedlich von der metastatischen Erkrankung sein kann.

Metastasen in Leber und Gehirn treten bei kolorektalen Karzinomen häufig auf. Aber die Umgebung in der Leber ist sehr unterschiedlich von der molekularen Umgebung im Gehirn. Unterschiedliche Medikamente könnten unterschiedliche gezielte Mutationen adressieren.

Zunächst einmal könnten wir theoretisch die Mutationsprofile des Primärtumors kennen. Dann könnten wir möglicherweise vorhersagen, in welche anderen Gewebe der Krebs gehen wird. Wir wissen, dass ein spezifisches Tumormutationsmuster einen Vorteil für die Ausbreitung in ein bestimmtes Organ bieten kann.

Eine Sache ist die Vorhersage des Metastasenortes. Das andere Ziel ist definitiv die Behandlung von metastatischem Krebs. Wir wissen, dass man spezifische Schwachstellen spezifischer Metastasen finden könnte.

Dann können wir diese spezifischen Krebsverwundbarkeiten gezielt behandeln. Beispielsweise könnten wir spezifische Krebsmetabolische Signalwege hemmen, die für die Krebsmetastasierung entscheidend sind.

Beispielsweise bei kolorektalem Karzinom, wenn der Krebs ins Gehirn metastasiert, bringt das Patienten häufig in das terminale Stadium der Erkrankung. Die Behandlung der Metastasen im Gehirn ist besonders wichtig!

Dr. med. Anton Titov: Ja, definitiv, und vielleicht sogar deren Verhinderung. Wie könnte man möglicherweise die metastatische Ausbreitung ins Gehirn verhindern? Beispielsweise durch Identifizierung dieser spezifischen molekularen Signalwege, die bereits im Primärtumor existieren. Dann könnten Onkologen versuchen, diese im Voraus gezielt zu behandeln.

Dr. med. Ido Wolf: Prävention ist eindeutig die beste Behandlung. Ja!