Dr. Ido Wolf, ein führender Experte für Brustkrebs und Stoffwechselprozesse, erklärt, wie Adipositas und Diabetes das Krebsrisiko steigern. Er geht detailliert auf die Rolle von Insulin und IGF-1 (Insulin-like Growth Factor 1) als starke Wachstumsfaktoren für Brustkrebszellen ein. Dr. Wolf erörtert Studienergebnisse, die belegen, dass Metformin und GLP-1-Agonisten (Glucagon-like Peptide-1-Agonisten) die Vermehrung von Krebszellen hemmen können. Abschließend betont er, dass Lebensstilprävention durch Gewichtskontrolle und Bewegung nach wie vor die wirksamste Strategie ist.
Zusammenhang zwischen Adipositas, Insulin und Brustkrebsrisiko
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- Adipositas und Diabetes als Risikofaktoren für Brustkrebs
- Insulin und IGF-1 bei Krebs-Wachstumsmechanismen
- Rolle von Metformin in der Krebsprävention
- Sicherheit von GLP-1-Agonisten bei Krebspatienten
- Lebensstil- und Präventionsstrategien
- Vollständiges Transkript
Adipositas und Diabetes als Risikofaktoren für Brustkrebs
Adipositas ist ein bedeutender Risikofaktor für Brustkrebs, insbesondere in westlichen Bevölkerungen. Dr. med. Ido Wolf erklärt, dass dieser Zusammenhang teilweise über die Entstehung von Typ-2-Diabetes vermittelt wird. Ein sitzender Lebensstil und Übergewicht schaffen ein metabolisches Milieu, das Krebs begünstigt – geprägt durch hormonelle Veränderungen und erhöhte Spiegel bestimmter Wachstumsfaktoren.
Dr. Wolf betont, dass neben Genetik und Reproduktionsgeschichte vor allem modifizierbare Lebensstilfaktoren wie Adipositas das Risiko deutlich erhöhen. Im Interview mit Dr. med. Anton Titov wird hervorgehoben, dass das Zusammenspiel von Adipositas, Diabetes und Bewegungsmangel ein ideales Umfeld für Krebsentstehung bildet.
Insulin und IGF-1 bei Krebs-Wachstumsmechanismen
Insulin und Insulin-like Growth Factor-1 (IGF-1) sind potente Treiber der Brustkrebszellproliferation. Dr. med. Ido Wolf beschreibt, wie Insulinresistenz bei Adipositas und metabolischem Syndrom zu Hyperinsulinämie führt. Hohe Insulinspiegel können Signalwege aktivieren, die Tumorwachstum und -überleben fördern.
Ebenso stimuliert der eng verwandte Wachstumsfaktor IGF-1 die Krebszellteilung. Dr. Wolfs Forschung im Klotho-Projekt konzentriert sich auf die spezifischen Aktivitäten von Insulin und IGF-1 bei Krebs. Zudem sezerniert Fettgewebe bei adipösen Personen weitere Hormone und reduziert Adiponektin, was das Krebsrisiko zusätzlich beeinflusst.
Rolle von Metformin in der Krebsprävention
Metformin, ein gängiges Diabetesmedikament, wird mit einer geringeren Inzidenz von Brust- und Prostatakrebs in Verbindung gebracht. Dr. med. Ido Wolf verweist auf Beobachtungsdaten, nach denen Diabetespatienten unter Metformin seltener an Krebs erkranken. Der Wirkmechanismus ist multifaktoriell und umfasst direkte Effekte auf den Krebszellstoffwechsel sowie indirekte Einflüsse auf den Insulinspiegel.
Dr. Wolf erläutert, dass Metformin auf die Mitochondrien wirkt und AMPK (AMP-aktivierte Kinase) aktiviert. Dies kann den pro-kanzerogenen AKT/PI3-Kinase-Signalweg hemmen. Durch die Verringerung der Insulinresistenz senkt Metformin zudem die zirkulierenden Insulinspiegel und entzieht potenziellen Krebszellen so ein wichtiges Wachstumssignal.
Sicherheit von GLP-1-Agonisten bei Krebspatienten
Forschungsergebnisse aus dem Labor von Dr. med. Ido Wolf deuten darauf hin, dass GLP-1-Agonisten hinsichtlich des Krebsrisikos sicher sind. Ursprünglich bestand die Sorge, diese Diabetesmedikamente könnten das Krebswachstum fördern. Dr. Wolfs veröffentlichte Arbeit zu Glucagon-like peptide-1 (GLP-1) zeigt jedoch, dass diese Substanzen das Wachstum von Krebszellen sogar hemmen.
Dieser Befund ist entscheidend für Diabetespatienten, die eine medikamentöse Behandlung benötigen. Dr. med. Anton Titov und Dr. Wolf bestätigen, dass häufig eingesetzte GLP-1-Agonisten die Brustkrebszellproliferation nicht fördern – was die Sicherheit dieser wichtigen Therapeutika unterstreicht.
Lebensstil- und Präventionsstrategien
Die wirksamste Strategie zur Senkung des Krebsrisikos ist lebenslanges Gewichtsmanagement kombiniert mit körperlicher Aktivität. Dr. med. Ido Wolf betont nachdrücklich, dass Prävention jeder medikamentösen Therapie überlegen ist. Die Aufrechterhaltung eines Idealgewichts ab jungen Jahren schafft ein metabolisches Milieu, das weniger günstig für Krebsinitiierung und -wachstum ist.
Regelmäßige Bewegung verbessert die Insulinempfindlichkeit und reduziert zirkulierende Wachstumsfaktoren. Dr. Wolf resümiert, dass Medikamente wie Metformin zwar vielversprechend sind, die grundlegenden Vorteile eines gesunden Lebensstils jedoch nicht ersetzen können. Dieser Ansatz dient nicht nur der Krebsprävention, sondern auch der allgemeinen Gesundheit und Langlebigkeit.
Vollständiges Transkript
Brustkrebs wird durch Hormone und Wachstumsfaktoren beeinflusst. Insulin ist ein potenter Wachstumsfaktor, dessen Spiegel bei Adipositas infolge zunehmender Insulinresistenz im Rahmen von Adipositas und metabolischem Syndrom ansteigen. Metformin-Behandlung ging mit weniger Brustkrebsfällen bei den behandelten Patienten einher.
Dr. med. Anton Titov: Ein führender Krebsexperte erläutert den Zusammenhang zwischen Insulin, Glukose, Brustkrebs und Metformin-Behandlung. Adipositas ist ein Risikofaktor für Brustkrebs und auch für Diabetes. Ein spezifischer Wachstumsfaktor ist beteiligt: Insulin-like Growth Factor-1, IGF-1. IGF-1 ist Gegenstand Ihrer Krebsforschung.
Wie werden Brustkrebs durch Adipositas und Diabetes beeinflusst? Und wie behandelt man Krebs unter Berücksichtigung der Rolle des IGF-1-Rezeptors?
Dr. med. Ido Wolf: Brustkrebs hat viele Ursachen. Einige sind genetisch, andere hormonell bedingt. So beeinflussen etwa die Anzahl der Schwangerschaften einer Frau und die Dauer des Stillens das Brustkrebsrisiko. Das sind hormonelle Aspekte.
Heute wissen wir jedoch, dass Adipositas einer der Hauptrisikofaktoren für Brustkrebs ist, besonders in der westlichen Welt. Unsere Lebensweise beeinflusst das Krebsrisiko. Wir haben über zwei Faktoren gesprochen: Adipositas und Bewegungsmangel.
Zusammen beobachten wir: Mehr Adipositas geht mit mehr Diabetes einher. Wir müssen alle unser Idealgewicht halten, um viele Krebsarten zu verhindern, und uns viel bewegen. Das fällt vielen Menschen schwer.
Es gibt viele Gründe für den Zusammenhang zwischen Adipositas, Diabetes, Bewegungsmangel und Krebs. Wie Sie erwähnten, spielt die Insulinaktivität eine Rolle – sie ist bei Diabetes sehr hoch und treibt wahrscheinlich Brustkrebs an.
Wir sprachen auch über IGF-1, Insulin Growth Factor One, der ebenfalls Brustkrebs antreibt. Zudem sezerniert Fettgewebe viele andere Hormone, die am Krebswachstum beteiligt sind.
Wir haben auch mit der Erforschung des Krebs-Hormon-Zusammenhangs begonnen, Teil unserer endokrinologischen Forschung. Dies hängt mit einem weiteren Laborprojekt zusammen, dem Klotho-Projekt, das die spezifische Aktivität von Insulin und IGF-1 bei Krebs untersucht.
Dr. med. Anton Titov: Sprechen wir über die Diabetesbehandlung. Das ist komplex.
Dr. med. Ido Wolf: Wir wissen, dass Insulin selbst die Proliferation von Krebszellen fördern kann. Insulin ist für viele Diabetespatienten notwendig. Andererseits ist Metformin ein sehr häufig verwendetes Medikament, das wahrscheinlich das Krebswachstum hemmt.
Wir haben eine Arbeit über GLP-1, Glucagon-like peptide-1, veröffentlicht. Viele GLP-1-Agonisten werden eingesetzt. Es bestand die Befürchtung, sie könnten Krebs induzieren. Die gute Nachricht aus unserem Labor ist, dass GLP-1 das Wachstum von Krebszellen hemmt.
Das bedeutet, dass Patienten GLP-1-Agonisten einnehmen können. Häufig verwendete GLP-1-Agonisten sind wahrscheinlich sicher. Bei Brustkrebs fördern sie nicht das Wachstum von Brustkrebszellen.
Dr. med. Anton Titov: Das ist interessant! Sie erwähnten die Metformin-Behandlung bei Diabetes – dazu haben Sie publiziert. Tatsächlich neigen Diabetespatienten unter Metformin seltener dazu, Krebs einschließlich Brustkrebs zu entwickeln, aber nicht nur Brustkrebs, auch Prostatakrebs. Wie könnte Metformin die Krebsentstehung beeinflussen? Das bezieht sich wieder auf Ihre Arbeit zu IGF-1-Rezeptoren und Insulin.
Dr. med. Ido Wolf: Das ist eine sehr komplexe Frage, denn niemand weiß genau, wie Metformin wirkt. Wir wissen, dass es auf die Mitochondrien wirkt und den Zellstoffwechsel verändert. Wahrscheinlich begünstigt es den Stoffwechsel von Nicht-Krebszellen und benachteiligt Krebszellen.
Metformin könnte beispielsweise AMPK aktivieren, ein wichtiges Enzym in den Zellen. AMPK kann bestimmte Signalwege hemmen, die für Krebszellen wichtig sind.
Metformin wirkt auf die Mitochondrien, aktiviert AMPK [AMP-aktivierte Kinase], und AMPK hemmt seinerseits zum Beispiel den AKT/PI3-Kinase-Signalweg. Das ist ein möglicher Mechanismus, wie Metformin Krebs verhindert. Aber wir müssen noch mehr über seine Wirkweise lernen.
Dr. med. Anton Titov: Das ist interessant. Denn bei Typ-2-Diabetes nimmt die Insulinempfindlichkeit ab, die Bauchspeicheldrüse produziert immer mehr Insulin, die Spiegel steigen. Insulin treibt die Proliferation von Zellen an, auch von Krebszellen, und aktiviert diese über den IGF-1-Signalweg. Metformin kann diesen Prozess beeinflussen und die Insulinspiegel senken.
Dr. med. Ido Wolf: Das ist wahrscheinlich wahr und einer der Hauptmechanismen, wie Metformin Krebs reduziert. Es ist oft multifaktoriell, denn Typ-2-Diabetes geht nicht nur mit hohen Insulinspiegeln einher, sondern auch mit hohem Glukosespiegel. Einige vermuten, dass Glukose selbst krebsfördernd wirkt.
Hinzu kommen bei Adipositas hohe Insulinspiegel und reduzierte Adiponektinspiegel – Adiponektin spielt ebenfalls eine Rolle bei Krebs. Außerdem werden bei Adipositas höhere Spiegel an freiem, also aktivem Östrogen freigesetzt, das ebenfalls an Krebsentstehung und -wachstum beteiligt ist.
Wir sprechen also von einem multifaktoriellen System. Krebs lässt sich wahrscheinlich nicht mit nur einem Medikament heilen. Der beste Weg ist daher, nicht auf Medikamente zu setzen – obwohl wir viele benötigen, um Krebs zu behandeln –, sondern von Jugend an schlank und körperlich aktiv zu sein. Prävention ist die beste Lösung!
Prävention ist die beste Lösung. Das ist nicht nur für Krebs, sondern für jede Krankheit sehr wichtig!
Dr. med. Anton Titov: Genau!