Dr. Jack Cuzick, MD, PhD, ein führender Experte für Krebsprävention, erklärt, wie sich das Krebsrisiko durch bewährte Strategien wie Rauchverzicht, Gewichtskontrolle, regelmäßige Bewegung und die Einnahme von Aspirin senken lässt. Er beleuchtet zudem die Grenzen von Nahrungsergänzungsmitteln und die vielschichtige Rolle der Krebsfrüherkennung.
Wirksame Strategien zur Krebsprävention: Evidenzbasierte Ansätze zur Risikosenkung
Abschnitte
- Raucherentwöhnung: Die wichtigste vermeidbare Ursache
- Gewichtsmanagement und körperliche Aktivität
- Die entscheidende Rolle der Zuckerkonsumkontrolle
- Nutzen und Herausforderungen des Krebs-Screenings
- Aspirin zur Krebsprävention: Eine große Chance
- Ernährungsfaktoren und Supplementmythen
- Alkohol und rotes Fleisch: Risiken verstehen
- Ein ausgewogener Ansatz zur Krebsprävention
Raucherentwöhnung: Die wichtigste vermeidbare Ursache
Dr. Jack Cuzick, MD, PhD, bezeichnet Tabakkonsum als die bedeutendste vermeidbare Krebsursache. Er verweist darauf, dass der starke Rückgang des Zigarettenkonsums in der entwickelten Welt unmittelbar zu einem deutlichen Rückgang der Lungenkrebsraten geführt hat. Dr. Cuzick betont, dass die Raucherentwöhnung für jede wirksame Krebspräventionsstrategie unverzichtbar ist.
Gewichtsmanagement und körperliche Aktivität
Neben dem Rauchen hebt Dr. Cuzick die eindeutigen Belege hervor, die Adipositas mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung bringen. Er empfiehlt, Übergewicht zu vermeiden und körperlich aktiv zu bleiben, und weist darauf hin, dass sportlich aktive Menschen seltener an Krebs erkranken als inaktive. Zwar sei die Verbesserung des Lebensstils ein wichtiges Anliegen, doch öffentliche Gesundheitsmaßnahmen hätten die Adipositasepidemie bisher kaum eindämmen können.
Die entscheidende Rolle der Zuckerkonsumkontrolle
Am Wolfson Institute of Cancer Prevention in London konzentrieren sich Dr. Cuzick und seine Kollegen auf die Kontrolle des Zuckerkonsums in der Ernährung. Er identifiziert Zucker als Hauptursache für Adipositas, Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die Suche nach Wegen, den Zuckerkonsum zu regulieren, stellt laut Dr. Cuzick eine neue, aber entscheidende Herausforderung für das öffentliche Gesundheitswesen dar, die mehr Aufmerksamkeit verdient.
Nutzen und Herausforderungen des Krebs-Screenings
Dr. Cuzick bestätigt, dass Krebsvorsorgeuntersuchungen wirksam und wichtig sind. Er verweist auf klare Belege für den Nutzen des Screenings auf Gebärmutterhals-, Brust- und Darmkrebs. Beim Prostatakrebs-Screening sieht er jedoch besondere Schwierigkeiten: Zwar könne es Erkrankungen verhindern, doch das Problem der Übertherapie habe viele Experten dazu veranlasst, von einem routinemäßigen Screening abzuraten, bis die Behandlung früher Läsionen besser verstanden wird.
Aspirin zur Krebsprävention: Eine große Chance
Eine weitere wichtige Strategie, die Dr. Cuzick diskutiert, ist die Einnahme von Aspirin. Er merkt an, dass zu wenig getan werde, um Aspirin zur Krebsprävention zu fördern, obwohl Belege auf eine mögliche Reduktion der Krebsneuerkrankungen und -sterblichkeit um 10 % hindeuten. Dr. Cuzick sieht darin ein enormes Potenzial und betont, dass die Umsetzung bekanntermaßen wirksamer Strategien eine zentrale Aufgabe der nahen Zukunft sei.
Ernährungsfaktoren und Supplementmythen
Dr. Cuzick erläutert, dass das Verständnis spezifischer Ernährungsfaktoren in der Krebsprävention begrenzt ist. Große klinische Studien widerlegten die Annahme, dass Vitamin A, Beta-Carotin, Vitamin E oder Selen Krebs vorbeugen könnten. Einige Supplemente, wie Vitamin A bei Rauchern, hätten sogar leicht schädliche Effekte gezeigt, und in der SELECT-Studie erhöhten Vitamin E und Selen sogar bestimmte Krebsraten.
Alkohol und rotes Fleisch: Risiken verstehen
Es gibt Belege, dass rotes und verarbeitetes Fleisch das Risiko für Darmkrebs erhöhen, wobei Dr. Cuzick den Gesamteffekt als gering einschätzt. Alkohol ist ebenfalls eine bekannte Ursache für einige Krebsarten. Obwohl eine alkoholfreie Gesellschaft unrealistisch sei, sei die Begrenzung des Alkoholkonsums aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll.
Ein ausgewogener Ansatz zur Krebsprävention
Dr. Cuzick rät davon ab, Krebsprävention zur Obsession werden zu lassen, und betont die Bedeutung von Lebensfreude. Sein Rat: Bewährte Präventionsstrategien identifizieren und befolgen, krebsfördernde Handlungen vermeiden und ansonsten das Leben so glücklich wie möglich gestalten. Im Gespräch mit Dr. Anton Titov, MD, erklärte Dr. Cuzick zudem, dass steigende Krebsraten teilweise auf Erfolge in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zurückzuführen seien – Menschen leben länger und entwickeln daher eher andere Erkrankungen wie Krebs. Das Ziel sei, den Krankheitsausbruch so lange wie möglich hinauszuzögern.
Vollständiges Transkript
Dr. Anton Titov, MD: Sie sind einer der weltweit führenden Experten für Krebsprävention. Wie kann man Krebs vorbeugen? Wie lassen sich die Risiken, an Krebs zu erkranken, minimieren?
Dr. Jack Cuzick, MD: Das ist eine interessante Frage. Wir wissen, dass Tabakkonsum die wichtigste vermeidbare Krebsursache ist. In der entwickelten Welt ist der Zigarettenkonsum dramatisch zurückgegangen, was unmittelbar zu einem starken Rückgang der Lungenkrebsraten geführt hat. Daher ist die Raucherentwöhnung entscheidend für die Krebsprävention.
Dr. Anton Titov, MD: Rauchen ist bekanntermaßen eine Hauptursache für Krebs. Gibt es weitere Präventionsmaßnahmen?
Dr. Jack Cuzick, MD: Die Belege sind hier nicht ganz so eindeutig, aber es gibt klare Vorteile weiterer Strategien: Vermeiden Sie Übergewicht, bleiben Sie körperlich aktiv. Adipositas steht in Zusammenhang mit Krebs, und körperlich Aktive erkranken seltener an Krebs als Inaktive. Wir können also sicher sein, dass diese Faktoren wichtig sind.
Die Verbesserung des Lebensstils ist eine große Herausforderung. Bisher waren wir kaum erfolgreich im Kampf gegen die Adipositasepidemie. Adipositas ist ein massives Problem der öffentlichen Gesundheit. Hier am Wolfson Institute of Cancer Prevention in London arbeiten wir daran, den Zuckerkonsum in der Ernährung zu kontrollieren. Zucker ist eine Hauptursache für Adipositas, Diabetes, Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wir müssen also mehr tun, um die Zuckeraufnahme zu regulieren.
Das ist ein aktuelles Thema. Wir müssen Wege finden, den Zuckerkonsum einzuschränken. Körperliche Aktivität ist bei verschiedenen Erkrankungen vorteilhaft, darunter Krebs. Wer aktiv bleibt, fühlt sich besser, und auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen werden reduziert. Das halte ich für sehr sinnvoll.
Krebsvorsorgeuntersuchungen sind wichtig und wirksam. Es gibt klare Belege für den Nutzen des Screenings auf Gebärmutterhals-, Brust- und Darmkrebs. Beim Prostatakrebs-Screening gibt es Herausforderungen. Es kann wahrscheinlich Erkrankungen verhindern, aber das Problem der Übertherapie hat viele Ärzte und Forscher zu der Aussage veranlasst, dass wir für ein routinemäßiges Screening noch nicht bereit sind, bis wir die Behandlung früher Läsionen besser verstehen.
Eine weitere große Strategie ist Aspirin. Wir tun zu wenig, um die Einnahme von Aspirin zur Krebsprävention zu fördern. Eine Reduktion der Krebsneuerkrankungen und -sterblichkeit um 10 % durch Aspirin wäre ein riesiger Fortschritt. Wir haben die Mittel dazu, setzen sie aber nicht ausreichend ein.
Eine unserer Aufgaben für die nahe Zukunft ist die wirksame Umsetzung von Präventionsstrategien, von denen wir wissen, dass sie funktionieren. Was die Ernährung betrifft, sind wir noch weit von einem klaren Verständnis entfernt. Wir wissen, dass Überessen und Adipositas der Gesundheit schaden. Aber spezifische Ernährungsempfehlungen haben bisher nicht zu einer Reduktion von Krebs geführt.
Es gab die Annahme, dass Vitamin A und Beta-Carotin Krebs vorbeugen könnten. Große klinische Studien bei Risikopersonen, insbesondere Rauchern, zeigten jedoch keinen Nutzen von Vitamin A für die Lungenkrebsprävention – im Gegenteil, es hatte sogar einen leicht schädlichen Effekt.
Kürzlich untersuchte die SELECT-Studie in den USA Vitamin E und Selen zur Krebsprävention. Epidemiologische Daten ließen einen Nutzen vermuten, doch die Supplementierung führte nicht zu einer Reduktion, sondern sogar zu einer Erhöhung einiger Krebsraten.
Unser Verständnis spezifischer Ernährungsfaktoren ist also begrenzt. Es gibt auch Belege, dass rotes Fleisch mit Darmkrebs in Verbindung steht. Verarbeitetes Fleisch kann das Risiko für Darmkrebs erhöhen, aber der Effekt ist insgesamt gering.
Alkohol verursacht einige Krebsarten. Die Frage ist, auf welches Niveau man den Konsum reduzieren sollte. Eine alkoholfreie Gesellschaft ist unrealistisch, aber die Begrenzung des Alkoholkonsums ist aus gesundheitlicher Sicht sinnvoll.
Wir sollten Krebsprävention nicht zur Obsession werden lassen. Lebensfreude ist wichtig. Es geht darum, Handlungen zu vermeiden, die major negative Auswirkungen haben könnten, und ansonsten das Leben zu genießen.
Mein persönlicher Rat: Konzentrieren Sie sich auf die großen, bewährten Präventionsstrategien. Vermeiden Sie krebsfördernde Handlungen. Und leben Sie ansonsten so glücklich wie möglich!
Dr. Anton Titov, MD: Macmillan Cancer Support schätzt, dass fast 50 % aller Menschen im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken. Als anerkannte Autorität in der Krebsprävention: Haben Sie noch etwas hinzuzufügen?
Dr. Jack Cuzick, MD: Es gibt mehrere Gründe, warum Krebs anteilig häufiger wird. Wir hatten große Erfolge in der Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Menschen sterben letztendlich an irgendeiner Erkrankung. Daher ist der Anteil der Krebserkrankungen in der Bevölkerung nicht die ganze Geschichte.
Es geht darum, Erkrankungen so lange wie möglich hinauszuzögern. Wir werden alle sterben, also werden wir Krebs nicht vollständ vermeiden können. Aber Krebs mit 90 zu bekommen ist weniger problematisch als mit 40 oder 50.
Dr. Anton Titov, MD: Professor Cuzick, vielen Dank für dieses sehr interessante Gespräch. Wir freuen uns auf weitere Ergebnisse Ihrer internationalen klinischen Studien und Ihrer Führung! Vielen Dank!