Dr. Francesco Maisano, MD, erläutert die Behandlungsziele: die Beseitigung von Regurgitation und Stenose ohne verbleibende Befunde. Er prognostiziert, dass sich in den kommenden Jahren die Therapieoptionen für alle Patient:innen-Risikokategorien deutlich hin zu weniger invasiven Verfahren verschieben werden.
Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz: Chirurgische Rekonstruktion vs. transkathetergestützte Optionen
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- Primäre vs. funktionelle Mitralklappeninsuffizienz
- Chirurgische Behandlung der degenerativen Mitralklappeninsuffizienz
- Transkathetergestützte Edge-to-Edge-Rekonstruktion
- Behandlungsleitlinien für funktionelle Mitralklappeninsuffizienz
- Zukünftige Behandlungen der Trikuspidalklappe
- Diskussion: Klappenrekonstruktion vs. Klappenersatz
- Vollständiges Transkript
Primäre vs. funktionelle Mitralklappeninsuffizienz
Für die Behandlung der Mitralklappeninsuffizienz ist es entscheidend, zwei grundlegend verschiedene Krankheitsbilder mit jeweils eigenen Therapiestrategien zu unterscheiden. Dr. med. Francesco Maisano betont, dass die primäre Mitralklappeninsuffizienz meist auf einen genetisch bedingten Mitralklappenprolaps zurückgeht. Das Spektrum reicht hier von der fibroelastischen Defizienz mit Einzel-Sehnenfadenriss bis hin zum stark veränderten, überschüssigen Gewebe bei der Barlow-Erkrankung.
Die funktionelle Mitralklappeninsuffizienz hingegen tritt sekundär auf, etwa infolge einer Herzinsuffizienz. Hier ist der Klappenapparat strukturell intakt, aber in seiner Funktion gestört. Dr. med. Anton Titov und Dr. med. Maisano erläutern, wie dieser ätiologische Unterschied völlig separate Behandlungswege und Entscheidungsprozesse für Kardiologen und Herzchirurgen vorgibt.
Chirurgische Behandlung der degenerativen Mitralklappeninsuffizienz
Die offene Herzoperation bleibt Goldstandard für jüngere Patienten mit degenerativer Mitralklappeninsuffizienz ohne Begleiterkrankungen. Dr. med. Francesco Maisano erklärt, dass die Barlow-Erkrankung typischerweise Patienten zwischen 40 und 55 Jahren betrifft und über eine reine Anuloplastie hinaus multiple chirurgische Maßnahmen erfordert. Diese komplexen Rekonstruktionen lassen sich heute minimalinvasiv videoendoskopisch über periareoläre Inzisionen durchführen.
Laut Dr. Maisano bietet die robotergestützte Mitralklappenchirurgie vor allem Vorteile in der Ausbildung, weniger in den Behandlungsergebnissen. Die Technologie erleichtert es Lernenden, komplexe Eingriffe nachzuvollziehen, bietet erfahrenen Chirurgen mit langen Instrumenten jedoch nur begrenzte Vorteile gegenüber konventionellen minimalinvasiven Techniken. Diese Expertise stellt sicher, dass Patienten ohne Regurgitation, Stenose oder verbleibende anatomische Läsionen behandelt werden.
Transkathetergestützte Edge-to-Edge-Rekonstruktion
Die transkathetergestützte Edge-to-Edge-Rekonstruktion der Mitralklappe hat die Behandlung älterer Patienten mit degenerativer Mitralklappeninsuffizienz und Begleiterkrankungen revolutioniert. Dr. med. Francesco Maisano beschreibt Technologien wie MitraClip und Pascal, die eine kathetergestützte Rekonstruktion ohne offenen Eingriff ermöglichen. Obwohl anspruchsvoll, können diese Verfahren in erfahrenen Händen bei suboptimalen chirurgischen Kandidaten exzellente Ergebnisse liefern.
Dr. med. Anton Titov erkundet mit Dr. Maisano, wie diese endovaskulären Alternativen die Behandlungsoptionen erweitern. Aktuelle Studien prüfen transkathetergestützte Ansätze sogar bei Niedrigrisikopatienten, was auf eine Zukunft hindeutet, in der mehr Fälle degenerativer Mitralklappeninsuffizienz ohne traditionelle Chirurgie behandelt werden. Neue Geräte aus globalen Märkten treiben diese Entwicklung voran.
Behandlungsleitlinien für funktionelle Mitralklappeninsuffizienz
Laut aktuellen Leitlinien hat sich die Behandlung der funktionellen Mitralklappeninsuffizienz überwiegend in den endovaskulären Bereich verlagert. Dr. med. Francesco Maisano merkt an, dass chirurgische Eingriffe heute meist Fällen mit kombinierten Pathologien vorbehalten sind, die eine Bypass-Operation oder Aortenklappenprozeduren erfordern. Die neuesten Leitlinien befürworten gestufte Ansätze mit endovaskulären Verfahren für isolierte funktionelle Mitralklappeninsuffizienz.
Dr. Maisano beobachtet, dass isolierte Fälle funktioneller Mitralklappeninsuffizienz in der Praxis zunehmend selten sind. Die meisten Patienten weisen zusätzliche Erkrankungen wie Vorhofflimmern oder KHK auf, die die Therapieentscheidungen beeinflussen. Diese Entwicklung spiegelt den Trend zu minimalinvasiven Strategien wider, die patientenspezifische Faktoren und Verfahrenssicherheit priorisieren.
Zukünftige Behandlungen der Trikuspidalklappe
Die Behandlung der Trikuspidalklappeninsuffizienz stellt eine neue Frontier im Management struktureller Herzerkrankungen dar. Dr. med. Francesco Maisano prognostiziert, dass in drei bis vier Jahren die meisten Trikuspidaleingriffe transkathetergestützt erfolgen werden. Aktuelle chirurgische Kandidaten mit erhaltener Rechtsherzfunktion und minimalen Begleiterkrankungen werden dann vollständig endovaskuläre Lösungen erhalten, inklusive transkathetergestützter Anuloplastie, Edge-to-Edge-Rekonstruktion und Klappenersatz.
Diese Entwicklung ähnelt historischen Mustern in der Mitralklappenbehandlung, wo anfangs der Ersatz die Rekonstruktion verdrängte. Dr. med. Anton Titov und Dr. Maisano diskutieren, wie Trikuspidalklappenrekonstruktionen derzeit technischen Herausforderungen gegenüberstehen, was Ersatztechnologien trotz Nachteilen attraktiver machen könnte. Diese Innovation unterstreicht den kontinuierlichen Fortschritt des Fachgebiets hin zu weniger invasiven Behandlungsmodalitäten.
Diskussion: Klappenrekonstruktion vs. Klappenersatz
Die Debatte zwischen Mitralklappenrekonstruktion und -ersatz dreht sich um Vorhersagbarkeit versus Langzeitergebnisse. Dr. med. Francesco Maisano erklärt, dass der Klappenersatz eine operatorunabhängige Vorhersagbarkeit bietet, da ein Versagen meist geräte- und nicht technikbedingt ist. Dieses attraktive Merkmal könnte in den nächsten fünf Jahren trotz der etablierten Überlegenheit der Rekonstruktion bei degenerativer Mitralklappeninsuffizienz zu höheren Ersatzraten führen.
Dr. Maisano befürwortet persönlich, jede mögliche Klappe zu rekonstruieren, wobei er den zusätzlichen Aufwand anerkennt, aber das überlegene Sicherheitsprofil und den Patientennutzen betont. Historisch verdrängten Ersatztechnologien anfangs Rekonstruktionstechniken, bevor Evidenz die Vorteile der Rekonstruktion erneut bestätigte. Dieses zyklische Muster liefert Hinweise darauf, wie neue transkathetergestützte Ersatztechnologien künftige Behandlungsgewohnheiten beeinflussen könnten.
Vollständiges Transkript
Dr. med. Anton Titov: Die Mitralklappeninsuffizienz ist eine häufige Klappenerkrankung, besonders bei älteren Patienten. Sie sind ein führender Herzchirurg in der minimalinvasiven Behandlung des Mitralklappenprolapses. Welche Behandlungsoptionen gibt es heute für Patienten mit funktioneller Mitralklappeninsuffizienz? Wie wird die primäre strukturelle Mitralklappeninsuffizienz behandelt? Welche Unterschiede bestehen in den Behandlungsindikationen zwischen beiden Ursachen?
Dr. med. Francesco Maisano: Das ist eine gute Frage. Es macht Sinn, diese beiden Bereiche zu trennen. Sie ähneln sich zwar, weil beide die Mitralklappe betreffen, sind grundsätzlich aber sehr unterschiedlich – ebenso wie die Behandlungsstrategie.
Beginnen wir mit der primären Mitralklappeninsuffizienz, die wahrscheinlich einfacher ist. Sie geht meist auf den genetischen Mitralklappenprolaps zurück. In dieser Prolapskategorie gibt es Untergruppen.
Klassisch ist die degenerative Mitralklappeninsuffizienz aufgrund fibroelastischer Defizienz. Das bedeutet, die Mitralklappe ist fast normal, mit einer einzelnen Läsion, typischerweise einem Sehnenfadenriss. Es gibt ein Flattern, meist im P2-Bereich. Das ist die häufigste Läsion, in der Mitte des posterioren Segels.
Aber die Klappe selbst sieht normal aus: dünne Segel, keine Verkalkung, kein redundantes Gewebe. Am anderen Ende des Spektrums steht die Barlow-Erkrankung oder myxomatöse Erkrankung. Hier ist die Klappe vollständig verändert: massiv umgebaut, mit redundantem Gewebe, verdickt, multiplen Läsionen und Prolapsen. Dazwischen liegen alle Zwischenformen.
Sogar die degenerative Mitralklappeninsuffizienz ist kein einheitliches Bild, sondern ein Kontinuum. Die Ursachenklärung ist entscheidend für die Therapieentscheidung. Der andere Parameter ist der klinische Zustand des Patienten.
Die degenerative Mitralklappeninsuffizienz betrifft meist relativ junge Patienten. Die Barlow-Erkrankung wird typischerweise zwischen 40 und 55 diagnostiziert, manchmal auch bei Jüngeren. Bei diesen Patienten bleibt die offene Herzoperation meiner Meinung nach die beste Lösung.
Das liegt vor allem daran, dass die Barlow-Erkrankung sehr diffus ist und häufig mehr als ein chirurgisches Manöver neben der Anuloplastie erfordert. Das lässt sich heute minimalinvasiv videoendoskopisch über periareoläre Inzisionen durchführen.
Wir setzen derzeit nicht aktiv auf robotergestützte Mitralklappenrekonstruktion. Die robotergestützte Chirurgie ist vor allem für den Chirurgen intuitiver. Mit genug Erfahrung in minimalinvasiven Techniken und langen Instrumenten bietet sie kaum Vorteile.
Der echte Vorteil der Robotik liegt in der Ausbildung: Andere Chirurgen können leicht zuschauen und lernen. Für komplexe Eingriffe ist fortschrittliche Technik natürlich hilfreich.
Bei jungen Patienten mit degenerativer Mitralklappeninsuffizienz ohne Begleiterkrankungen ist die offene Herzoperation also weiterhin Goldstandard. Aber viele ältere Patienten mit genetischer Klappenerkrankung – ob mit einer, zwei oder mehr Läsionen – können heute einfach transkathetergestützt mit Edge-to-Edge-Rekonstruktion behandelt werden.
Es gibt verschiedene Werkzeuge wie MitraClip, Pascal und andere aus Asien. In guten Händen kann fast jeder Patient damit versorgt werden. Es ist nicht die einfachste Technik, aber mit viel Erfahrung kann ich den meisten Patienten einen guten Service bieten.
Grundsätzlich hat die degenerative Mitralklappeninsuffizienz primär eine chirurgische Lösung. Die endovaskuläre Alternative ist für weniger ideale Kandidaten gedacht: ältere Patienten, mit Komorbiditäten usw. Jeder Patient sollte nach dem Eingriff ohne Insuffizienz, ohne Stenose und ohne Restläsionen entlassen werden. Das ist das Ziel, das bei jedem erreicht werden kann.
In Zukunft werden wir wohl mehr endovaskuläre Behandlungen auch bei Niedrigrisikopatienten sehen. Dazu läuft bereits eine Studie.
Die funktionelle Mitralinsuffizienz fällt heute überwiegend in den endovaskulären Bereich. Sofern keine kombinierten Pathologien vorliegen, sagen das sogar die neuesten Leitlinien. Bei zusätzlichen Indikationen wie Bypass oder Aortenstenose kann sie chirurgisch angegangen werden.
Aber auch hier befürworten die Leitlinien ein gestuftes Vorgehen mit endovaskulären Verfahren. Also bewegen wir uns auch hier in Richtung endovaskulärer Behandlung.
Bei isolierter funktioneller Mitralinsuffizienz oder Trikuspidalinsuffizienz gibt es kaum noch Indikationen für offene Chirurgie. Vielleicht noch bei Trikuspidalinsuffizienz mit erhaltener Rechtsherzfunktion und ohne Komorbiditäten. Die Trikuspidalbehandlung steckt noch in den Kinderschuhen.
Morgen operiere ich zum Beispiel eine 70-jährige Dame in gutem Zustand mit erhaltener Rechtsherzfunktion. Ich bin sicher, wir können ihre Trikuspidalinsuffizienz minimalinvasiv beseitigen.
Aber ich weiß auch, dass sie in drei bis vier Jahren keine offene Operation mehr bräuchte, weil ich dann transkathetergestützte Anuloplastie, Edge-to-Edge-Reparatur oder Klappenersatz genauso durchführen kann wie heute chirurgisch. Mit wachsender Expertise werden wir bei der Trikuspidalklappe immer mehr endovaskuläre Verfahren sehen.
Isolierte funktionelle Mitralinsuffizienz ist heute selten. Ich erinnere mich an keinen Patienten der letzten Jahre, der nur das hatte. Meist gab es zusätzlich Vorhofflimmern oder KHK. Die isolierte funktionelle Mitralinsuffizienz war früher ein großes Thema, ist jetzt aber verschwunden.
Daher dominiert der minimalinvasive Ansatz heute weitgehend die Mitralklappenbehandlung.
Minimalinvasiv bedeutet dabei either Mini-Thorakotomie videoassistiert mit oder ohne Roboter, oder vollständig endovaskulär am schlagenden Herzen. In beiden Bereichen finden wir Lösungen für diese Patienten.
Und in den meisten Fällen geht es um Klappenreparatur. Der Klappenersatz etabliert sich jetzt auch endovaskulär. Besonders bei der Trikuspidalklappe sind Reparaturlösungen meiner Meinung nach noch nicht perfekt.
Wird der Trikuspidalklappenersatz, je verfügbarer er wird, unsere Sicht auf die Behandlung verändern? Ich weiß es nicht.
Meine Prognose von vor fünf Jahren ist heute dieselbe: Vielleicht wird die Reparatur verschwinden, aber ihr Sicherheitsprofil ist höher. Wir erleben vielleicht ähnliches wie in den 1950ern: Damals gab es keinen Mitralklappenersatz, also wurde repariert.
Dann kam der Ersatz, und alle Chirurgen stiegen um, weil er vorhersehbarer war. Mit der Zeit erkannten wir die Grenzen des Klappenersatzes, und viele kehrten zur Reparatur zurück.
Heute ist die Mitralklappenreparatur bei degenerativer Insuffizienz Goldstandard. Wir werden sehen. Aber ich prognostiziere, dass in den nächsten fünf Jahren mehr Patienten einen Ersatz erhalten, weil er weniger operateurabhängig ist.
Der Ersatz ist für uns vorhersehbarer. Geht eine Reparatur schief, ist es meine Schuld; funktioniert eine implantierte Klappe nicht, ist es die Schuld der Klappe. Für viele Operateure ist der Ersatz daher attraktiver: vorhersehbarer und weniger abhängig vom Operateur.
Aber wir wissen alle um die Nachteile des Mitralklappenersatzes. Das Sicherheitsprofil ist auch heute nicht dasselbe. Persönlich versuche ich, jede Klappe zu reparieren, die mir unterkommt. Das bedeutet manchmal viel Arbeit, aber die Vorteile der Reparatur überwiegen.