Dr. Marc Dommergues, ein führender Experte für Epilepsie und Schwangerschaft, erklärt, wie Anfallsrisiken behandelt und die Arzneimittelsicherheit für werdende Mütter gewährleistet werden können. Er erläutert entscheidende Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz von Mutter und Kind, geht auf die erheblichen Risiken von Valproinsäure ein und skizziert den komplexen Entscheidungsprozess beim Wechsel von Antiepileptika. Zudem betont Dr. Dommergues das erhöhte Risiko für postpartale Depressionen bei Frauen mit Epilepsie und gibt praktische Ratschläge für frischgebackene Mütter.
Epilepsie und Schwangerschaft: Behandlung von Anfallsrisiken und Medikationssicherheit
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- Anfallsrisiken während der Schwangerschaft und postpartal
- Sicherheitsvorkehrungen für Mütter
- Postpartale Depression und Epilepsie
- Das Valproinsäure-Dilemma in der Schwangerschaft
- Wechsel der Epilepsiemedikation vor der Schwangerschaft
- Einfluss der Schwangerschaft auf die Anfallshäufigkeit
- Diagnostik von Anfällen während der Schwangerschaft
Anfallsrisiken während der Schwangerschaft und postpartal
Eine Schwangerschaft kann die Blutspiegel von Antiepileptika senken und damit das Anfallsrisiko erhöhen. Dr. Marc Dommergues, MD, betont, dass die üblichen Sicherheitsvorkehrungen unbedingt beibehalten werden müssen – etwa Einschränkungen beim Autofahren oder Schwimmen.
Besonders hoch ist das Risiko in der Zeit nach der Geburt. Faktoren wie Fasten, Schlaflosigkeit, Stress und Schmerzen können einen Anfall auslösen. Daher ist eine aufmerksame Behandlung für die Sicherheit von Mutter und Kind unerlässlich.
Sicherheitsvorkehrungen für Mütter
Dr. Marc Dommergues, MD, gibt konkrete praktische Ratschläge, um das Baby im Falle eines Anfalls der Mutter zu schützen. Er empfiehlt, das Kind auf einer niedrigen Fläche wie einem Bett zu wickeln, statt auf einem hohen Tisch, um Stürze zu vermeiden.
Beim Flaschenfüttern sollte die Mutter bequem auf dem Boden sitzen. Beim Baden des Babys ist es ideal, eine weitere Person hinzuzuziehen. Diese einfachen Maßnahmen können das Risiko erheblich mindern.
Postpartale Depression und Epilepsie
Frauen mit Epilepsie haben ein erhöhtes Risiko für postpartale Depressionen. Dr. Marc Dommergues, MD, rät Müttern, auf Symptome wie das Gefühl, versagt zu haben oder nichts richtig machen zu können, zu achten.
Er warnt davor, still zu leiden. Treten solche Gefühle drei bis sechs Monate nach der Entbindung auf, sollten Betroffene umgehend ihren Neurologen informieren. Hilfe zu suchen, ist ein wichtiger Teil der postnatalen Versorgung.
Das Valproinsäure-Dilemma in der Schwangerschaft
Dr. Marc Dommergues, MD, schildert einen komplexen Fall mit Valproinsäure. Das Medikament ist hochwirksam bei genetischer Epilepsie, kann aber schwere fetale Fehlbildungen verursachen. In einer Familie hatte ein Absetzen zuvor einen tödlichen Status epilepticus ausgelöst.
Eine schwangere 18-Jährige stand vor der unmöglichen Wahl: das Medikament weiternehmen und das Baby gefährden oder es absetzen und selbst ein Todesrisiko eingehen. Die Situation war so gravierend, dass sie zu einem Schwangerschaftsabbruch führte – ein Beispiel für extreme Entscheidungssituationen.
Wechsel der Epilepsiemedikation vor der Schwangerschaft
Häufiger ist der Wechsel von Valproinsäure zu einem sichereren Medikament vor der Schwangerschaft. Dr. Marc Dommergues, MD, erklärt, dass dies ein schwieriger, schrittweiser Prozess sein kann, da die Anfallskontrolle mit der neuen Medikation oft weniger effektiv ist.
Dennoch überwiegen die Vorteile, das Baby keiner Valproinsäure-Exposition auszusetzen, meist die Risiken vereinzelter Anfälle. Solange kein Status epilepticus droht, kann die kurzfristige Akzeptanz dieses Risikos zum Schutz des Kindes sinnvoll sein.
Einfluss der Schwangerschaft auf die Anfallshäufigkeit
Die Auswirkungen einer Schwangerschaft auf die Epilepsie sind sehr unterschiedlich. Dr. Anton Titov, MD, fragte Dr. Dommergues nach diesem Zusammenhang. Oft ist der stärkste Faktor die Notwendigkeit, ein wirksames Medikament abzusetzen, was das Anfallsrisiko erhöht.
Bei manchen Patientinnen steigt die Anfallshäufigkeit aus unklaren Gründen, bei anderen bessert sich die Epilepsie in der Schwangerschaft deutlich. Diese Unvorhersehbarkeit macht individuelle Betreuung und engmaschige Überwachung unverzichtbar.
Diagnostik von Anfällen während der Schwangerschaft
Dr. Marc Dommergues, MD, gibt einen entscheidenden Ratschlag zur Diagnose: Bei Verdacht auf einen Anfall ist oft das Smartphone das beste Werkzeug. Das Filmen der Symptome liefert Neurologen wertvolle Informationen.
Für Nicht-Spezialisten kann ein Video unmittelbar hilfreicher sein als ein EEG. Während das EEG für Fachärzte wichtig bleibt, ermöglicht ein Video die visuelle Bestätigung eines Anfalls – ein praktischer Tipp für schnellere und präzisere Diagnosen.
Vollständiges Transkript
Dr. Marc Dommergues, MD: Sehr wichtig ist, dass eine Schwangerschaft den Blutspiegel der Medikamente senken und so das Anfallsrisiko erhöhen kann. Daher müssen die üblichen Vorsichtsmaßnahmen im Alltag weiter gelten – etwa beim Autofahren oder Schwimmen.
Diese Vorsicht ist auch postpartal nötig, denn diese Phase birgt ein erhöhtes Anfallsrisiko durch Fasten, Schlaflosigkeit, Stress und Schmerzen. All diese Faktoren können einen Anfall auslösen.
Eine Frau sollte sich fragen: "Wie stelle ich sicher, dass ich mein Baby bei einem Anfall nicht verletze?" Es gibt einfache Maßnahmen, um Schäden zu vermeiden.
Beim Wickeln sollte das Baby auf einem Bett oder einer niedrigen Fläche liegen, nicht auf einem hohen Tisch. So kann es bei einem Anfall während des Fütterns nicht fallen.
Wichtig ist, beim Flaschenfüttern bequem zu sitzen, etwa auf dem Boden. Beim Baden des Babys ist es besser, zunächst eine weitere Person dabei zu haben, falls ein Anfall auftritt.
Nicht zuletzt wissen wir, dass postpartale Depressionen bei Epilepsiepatientinnen häufiger vorkommen. Ich rate Betroffenen: Wenn Sie drei bis sechs Monate nach der Geburt das Gefühl haben, eine schlechte Mutter zu sein oder nichts zu können, könnte das eine postnatale Depression sein.
Sprechen Sie mit Ihrem Neurologen und bleiben Sie nicht allein. Das ist eine typische, "ruhige" Epilepsiegeschichte ohne Komplikationen.
Es kann aber auch viel komplizierter sein. Ich erinnere mich an eine junge Frau von 18 Jahren mit genetischer Epilepsie und leichter geistiger Behinderung, die Valproinsäure nahm. Ihr jüngerer Bruder war kurz zuvor an einem Status epilepticus gestorben, nachdem ein Absetzversuch der Valproinsäure unternommen worden war.
Dr. Anton Titov, MD: In dieser Familie wusste man also: Valproinsäure absetzen konnte den Tod bedeuten, aber weiternahmen konnte das Baby schädigen.
Die Situation war sehr verwickelt. Schließlich entschied sich die junge Frau für einen Schwangerschaftsabbruch. Das war ein sehr außergewöhnlicher Fall.
Dr. Marc Dommergues, MD: Häufiger ist Folgendes: Eine Frau mit guter Anfallskontrolle durch Valproinsäure möchte schwanger werden. Dann steht der Neurologe vor der schwierigen Aufgabe, auf ein schwangerschaftstauglicheres Medikament umzustellen.
Das ist anspruchsvoll, weil der Wechsel schrittweise erfolgt und die Anfallskontrolle mit dem neuen Medikament oft schlechter ist. Doch die Vorteile des Wechsels überwiegen in der Regel die Risiken der Valproinsäure für das Baby.
Ein Wechsel ist also meist eine gute Option. Eine Frau kann in der Schwangerschaft fokale oder generalisierte Anfälle haben. Solange kein Status epilepticus droht, ist das normalerweise nicht sehr gefährlich – und weniger riskant als die Exposition des Babys gegenüber einem gefährlichen Medikament.
Dr. Anton Titov, MD: Es kann also vernünftig sein, einige Anfälle in Kauf zu nehmen, um das Baby zu schützen.
Das ist eine andere, aber häufige Situation. Das Risiko eines einzelnen Anfalls, der akut mit Benzodiazepinen behandelt werden kann, mag kurzfristig akzeptabel sein – im Vergleich zur Fortführung einer Medikation mit bekanntem Risiko für fetale Fehlbildungen.
Dr. Marc Dommergues, MD: Ein Anfall in der Schwangerschaft hat usually keine schwerwiegenden Folgen.
Dr. Anton Titov, MD: Weiß man, wie sich eine Schwangerschaft allgemein auf Epilepsie auswirkt? Erhöht oder verringert sie die Anfallswahrscheinlichkeit? Oder hängt das allein von den Antiepileptika-Spiegeln ab?
Dr. Marc Dommergues, MD: Das ist von Patientin zu Patientin extrem unterschiedlich. Am stärksten wirkt sich oft aus, wenn die Schwangerschaft zum Absetzen eines wirksamen Medikaments zwingt – dann steigt das Anfallsrisiko.
Bei manchen Patientinnen nimmt die Anfallshäufigkeit aus unerklärlichen Gründen zu. Bei anderen bessert sich die Epilepsie in der Schwangerschaft deutlich. Das ist schwer vorhersehbar.
Dr. Anton Titov, MD: Kann ein EEG helfen, ein ruhigeres Hirnwellenmuster vorherzusagen?
Dr. Marc Dommergues, MD: Ich bin kein Neurologe, aber ich rate Familien: Bei Verdacht auf einen Anfall in der Schwangerschaft, nehmen Sie am besten das Handy und filmen Sie die Symptome.
Das ist für den Neurologen extrem hilfreich, um zu beurteilen, ob es sich um einen epileptischen Anfall handelte. Für Laien kann ein iPhone-Video nützlicher sein als ein EEG. Für Neurologen bleibt das EEG natürlich wichtig.
Dr. Anton Titov, MD: Das ist ein sehr praktischer und guter Ratschlag. Vielen Dank!