Dr. Scott Friedman, MD, ein führender Experte für Lebererkrankungen, stellt die vielversprechendsten Medikamentenkandidaten zur Behandlung von NASH vor. Er erläutert detailliert die Wirkmechanismen von Obeticholsäure, Resmetirom und Semaglutid und betont die Bedeutung von Sicherheit und Verträglichkeit für eine lebenslange Therapie der nicht-alkoholischen Steatohepatitis (NASH). Zudem bewertet er das Potenzial bereits zugelassener Medikamente für den Einsatz bei Fettlebererkrankungen.
Fortschrittliche medikamentöse Therapien bei NASH und Fettlebererkrankung
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- Obeticholsäure FXR-Agonist
- Resmetirom Schilddrüsenhormon-Agonist
- Semaglutid GLP-1-Agonist
- Repurposed-Medikamente bei NASH
- Sicherheits- und Verträglichkeitsaspekte
- Zukunft der NASH-Therapie
- Vollständiges Transkript
Obeticholsäure FXR-Agonist
Obeticholsäure ist ein vielversprechender NASH-Medikamentenkandidat, der den Farnesoid-X-Nuklearrezeptor aktiviert. Dr. Scott Friedman, MD, erklärt, dass dieses kleine Molekül in Phase-III-Studien am weitesten fortgeschritten ist. Das Medikament zeigte einen signifikanten Nutzen, indem es die Wahrscheinlichkeit einer Fibroseregression von 11 % auf 23 % bei behandelten Patienten verdoppelte.
Trotz seiner Wirksamkeit weist Dr. Friedman darauf hin, dass die FDA Sicherheitsbedenken äußerte, die die Zulassung verzögerten. Der Hersteller Intercept Pharmaceuticals arbeitet daran, diese Bedenken auszuräumen. Bei Erfolg könnte Obeticholsäure das erste von der FDA speziell für die NASH-Behandlung zugelassene Medikament werden.
Resmetirom Schilddrüsenhormon-Agonist
Resmetirom ist ein weiterer vielversprechender Phase-III-Kandidat für die NASH-Therapie. Dr. Friedman beschreibt dieses Medikament als einen Schilddrüsenhormon-Beta-Rezeptor-Agonisten. Im Gegensatz zu anderen NASH-Medikamenten scheint Resmetirom in klinischen Studien außergewöhnlich gut verträglich und sicher zu sein.
Dr. Friedman betont den doppelten Nutzen dieses Medikaments für NASH-Patienten. Resmetirom behandelt nicht nur die Lebererkrankung, sondern verbessert auch kardiovaskuläre Risikofaktoren durch Senkung der Lipide. Dies ist besonders wichtig, da kardiovaskuläre Erkrankungen die häufigste Todesursache bei NASH-Patienten vor Entwicklung einer Zirrhose sind.
Semaglutid GLP-1-Agonist
Semaglutid, ein Glucagon-like-Peptid-1-Agonist, hat große Begeisterung in der NASH-Behandlung ausgelöst. Dr. Friedman erklärt, dass dieses Diabetesmedikament Potenzial für Fettlebererkrankungen zeigt. Das Medikament von Novo Nordisk durchläuft derzeit Phase-III-Studien für die NASH-Indikation.
Laut Dr. Friedman könnte Semaglutid ähnliche Doppelnutzen wie Resmetirom bieten. Das Medikament könnte gleichzeitig Diabetes behandeln und den Leberfettgehalt verbessern. Daten aus groß angelegten Studien werden voraussichtlich klarere Wirksamkeitsnachweise für diesen Ansatz liefern.
Repurposed-Medikamente bei NASH
Viele bestehende Medikamente werden für den Einsatz in der NASH-Therapie untersucht. Dr. Friedman erwähnt mehrere untersuchte Wirkstoffklassen. Dazu gehören Statine, Metformin, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR), ACE-Hemmer und sogar einige Krebsmedikamente wie Erlotinib.
Dr. Friedman liefert wichtigen Kontext zu diesen repurposed-Medikamenten. Während Statine für NASH-Patienten mit Hyperlipidämie empfohlen werden, behandeln sie die Lebererkrankung nicht direkt. Die meisten repurposed-Medikamente haben in Phase-II-NASH-Studien trotz guter Verträglichkeit nur begrenzte Wirksamkeit gezeigt.
Sicherheits- und Verträglichkeitsaspekte
Sicherheit und Verträglichkeit sind entscheidende Überlegungen in der NASH-Medikamentenentwicklung. Dr. Friedman betont, dass NASH-Patienten typischerweise keine leberbezogenen Symptome haben. Dies bedeutet, dass Behandlungen für die lebenslange Anwendung außergewöhnlich gut verträglich sein müssen, ähnlich wie Blutdruckmedikamente.
Dr. Friedman diskutiert praktische Verabreichungsfragen bei NASH-Therapien. Medikamente, die tägliche Injektionen erfordern, stellen erhebliche Herausforderungen für die langfristige Patientencompliance dar. Die ideale NASH-Behandlung sollte einfach zu verabreichen sein mit minimalen Nebenwirkungen, um die Therapietreue über Jahrzehnte zu gewährleisten.
Zukunft der NASH-Therapie
Die Zukunft der NASH-Behandlung umfasst die Zielrichtung mehrerer Pathogenesewege. Dr. Friedman stellt fest, dass Dutzende von Medikamentenkandidaten in verschiedenen Entwicklungsstadien sind. Diese Medikamente zielen auf alles ab - von der Darmgesundheit bis zur Leberentzündung und Fibroseprogression.
Dr. Anton Titov, MD, und Dr. Friedman diskutieren den umfassenden Ansatz, der für das NASH-Management erforderlich ist. Eine erfolgreiche Behandlung wird wahrscheinlich Kombinationstherapien umfassen, die sowohl die Lebererkrankung als auch assoziierte metabolische Erkrankungen adressieren. Die laufenden klinischen Studien werden zeigen, welche Medikamentenkandidaten die beste Balance aus Wirksamkeit, Sicherheit und Praktikabilität für die Langzeitanwendung bieten.
Vollständiges Transkript
Dr. Anton Titov, MD: Welches sind die führenden Kandidaten für die Behandlung von NASH (nichtalkoholische Steatohepatitis) und nichtalkoholischer Fettlebererkrankung? Wie wirken sie? Können Sie einen allgemeinen Überblick geben, insbesondere da viele klinische Studien laufen?
Dr. Scott Friedman, MD: Für NASH gibt es buchstäblich zahlreiche Kandidaten. Wie Sie wissen, werden Medikamente sequenziell getestet, wie von der FDA vorgegeben. Phase I dient der Sicherheit, Phase II der Wirksamkeit in kleinen Patientengruppen, Phase III der Wirksamkeit und Sicherheit in großen Gruppen von Hunderten oder Tausenden Patienten.
Eine Möglichkeit, die Aussichten der medikamentösen NASH-Therapie zu priorisieren, ist die Betrachtung der im Testfortschritt am weitesten entwickelten Medikamente. Der führende Kandidat war und ist Obeticholsäure. Es handelt sich um ein kleines Molekül, das einen zellulären Rezeptor namens Farnesoid-X-Nuklearrezeptor (FXR) aktiviert.
Das Unternehmen Intercept Pharmaceuticals, das den FXR-Liganden entwickelte, führte eine Phase-III-Studie durch, die vor einigen Jahren bereits einen gewissen Nutzen zeigte. Die Wahrscheinlichkeit einer Fibroseregression verdoppelte sich von etwa 11 % auf 23 %. Bei den mit dem Medikament behandelten Patienten hätte dies eigentlich für eine Zulassung ausreichen müssen.
Die FDA äußerte jedoch Sicherheitsbedenken bei einigen Patienten. Daher bemüht sich das Unternehmen derzeit, diese Bedenken auszuräumen und die FDA von Wirksamkeit und Sicherheit zu überzeugen. Bei Erfolg könnte dies das erste für NASH zugelassene Medikament werden.
Ein weiteres Medikament in Phase-III-Studien, das sehr gut verträglich und bisher sicher erscheint, ist Resmetirom. Es handelt sich um ein kleines Molekül, das ebenfalls einen Nuklearrezeptor in responsiven Zellen aktiviert - in diesem Fall den Schilddrüsenhormon-Beta-Rezeptor. Es ist also ein Schilddrüsenhormon-Beta-Agonist.
Resmetirom scheint sehr sicher zu sein. Im Gegensatz zu FXR-Agonisten verbessert Resmetirom auch kardiovaskuläre Risikofaktoren. Insbesondere scheint es Lipide zu senken, die das Risiko für Herzerkrankungen erhöhen.
Es lohnt sich, kurz daran zu erinnern, dass die häufigste Todesursache bei NASH-Patienten vor Entwicklung einer Leberzirrhose kardiovaskuläre Erkrankungen sind. Dies ist Teil des systemischen Krankheitsbildes des metabolischen Syndroms.
Medikamente, die sowohl die Leber verbessern als auch das kardiovaskuläre Risiko senken könnten - wie möglicherweise Resmetirom - bieten somit einen Doppelnutzen. Sie behandeln quasi zwei Fliegen mit einer Klappe: sowohl kardiovaskuläre als auch leberbedingte Komplikationen. Resmetirom befindet sich noch in Phase-III-Studien. Wir erhoffen uns bis Ende 2022 mehr über seine Wirksamkeit bei großen Patientenzahlen zu erfahren.
Jüngst gab es viel Aufregung um eine Klasse von Diabetesmedikamenten, den GLP-1-Agonisten (Glucagon-like-Peptid-1-Agonisten). Das bekannteste Medikament ist Semaglutid von Novo Nordisk. Klinische Studien deuten darauf hin, dass es nicht nur Diabetes effektiv behandelt, sondern auch Leberfett verbessern könnte.
Semaglutid durchläuft Phase-III-Studien. Ähnlich wie Resmetirom könnte Semaglutid sowohl Diabetes als auch die Lebererkrankung behandeln. Die Daten werden noch erwartet.
Darüber hinaus gibt es Dutzende weiterer NASH-Medikamente, meist in Phase-II-Studien, einige in Phase III. Sie sind zu zahlreich, um alle zu nennen. Man kann sagen, dass NASH-Kandidaten jedes Element der Pathogenese anvisieren - von Darmgesundheit über Leberentzündung bis zur Fibroseprogression.
Viele Medikamente sind patentfrei. Es gibt Strategien, bestehende Medikamente für NASH oder Fettlebererkrankungen umzuwidmen und damit auch das Risiko für hepatozelluläres Karzinom zu reduzieren.
Ich nenne nur einige "repurposed"-Medikamente, die für NASH untersucht werden: Statine, Metformin, nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) wie Celecoxib, Aspirin, vielleicht Rapamycin (Sirolimus), ACE-Hemmer gegen Bluthochdruck wie Perindopril und Ramipril, sowie Erlotinib - allesamt bereits in der Onkologie verwendete Substanzen.
Es werden auch Verbindungen wie Curcumin, Vitamin D und sogar Kaffee untersucht. Das Konzept der Medikamentenumwidmung ist sehr sinnvoll. Es gibt Hinweise aus meinem Labor und anderen Einrichtungen, dass einige dieser Substanzen Nutzen bringen könnten.
Allerdings muss ich sagen: Die meisten der genannten Medikamente wurden bei NASH getestet und sind nicht sonderlich wirksam. Metformin, ACE-Hemmer, Statine - praktisch alles auf Ihrer Liste wurde in kleineren Phase-II-Studien untersucht, ohne signifikante Wirksamkeitssignale.
NASH-Patienten mit Hyperlipidämie sollten dennoch Statine erhalten, da diese allgemein sicher sind - auch bei NASH. Viele NASH-Patienten werden also Statine einnehmen. Wir sollten jedoch keine Illusionen haben: Statine heilen oder verbessern NASH nicht. Zusätzliche Therapien neben der kardiovaskulären Risikobehandlung sind erforderlich.
Erlotinib ist ein Rezeptorblocker-Chemotherapeutikum, nicht besonders gut verträglich. Für Krebspatienten mit unmittelbarem Risiko ist es tolerabel, aber bei NASH müssen wir bedenken: Die meisten Patienten haben keine Lebersymptome.
Es ähnelt der Hypertoniebehandlung: Wir wissen, dass sie Leben rettet und Schlaganfall-/Herzinfarktrisiko senkt, aber Patienten haben meist keine Symptome. Es dauerte Jahre, bis gut verträgliche Antihypertensiva verfügbar waren. Ähnlich verhält es sich bei der chronischen NASH-Erkrankung.
Bei Therapieüberlegungen müssen wir von lebenslangen Behandlungen ausgehen - wie bei Statinen gegen Hyperlipidämie oder Antihypertensiva. Das bedeutet: NASH-Medikamente müssen gut verträglich und einfach zu verabreichen sein.
So, zum Beispiel gab es einige Medikamente und klinische Studien, die eine tägliche Injektion des Patienten erfordern. Das ist zwar hervorragend, um zu beweisen, ob ein NASH-Medikament wirksam ist. Aber überlegen Sie, wie Sie einen Patienten davon überzeugen, täglich ein Medikament zu injizieren. Es handelt sich nicht um Insulin, bei dem man natürlich keine Wahl hat.
Aber das Konzept, ein Medikament für die nicht-alkoholische Steatohepatitis (NASH) zu entwickeln, das möglicherweise über Jahre oder Jahrzehnte tägliche Injektionen erfordert, ist ein ziemlich schwer zu vermittelndes Konzept.