Der Chirurg ist eine Führungspersönlichkeit, die das medizinische Team, die Patienten und deren Angehörige durch eine kritische Lebensphase

Der Chirurg ist eine Führungspersönlichkeit, die das medizinische Team, die Patienten und deren Angehörige durch eine kritische Lebensphase

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Dr. Pascal Leprince, ein führender Experte für Herzchirurgie und Transplantation, erläutert, wie Chirurgen eine ganzheitliche Betreuung von Patienten und ihren Familien sicherstellen müssen. Er betont die entscheidende Bedeutung von Kommunikation, Menschlichkeit und der Anerkennung von Mortalitätsrisiken bei Hochrisikoeingriffen. Laut Dr. Leprince geht die Rolle eines Chirurgen über technische Fertigkeiten hinaus und umfasst psychologische Unterstützung für Patienten, deren Angehörige sowie das gesamte medizinische Team – insbesondere für Pflegekräfte auf der Intensivstation, die mit traumatischen Erfahrungen konfrontiert sind.

Ganzheitliche chirurgische Versorgung: Behandlung der Patient:innenpsychologie, Unterstützung der Angehörigen und Teamdynamik

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Die Rolle des Chirurgen über technische Fertigkeiten hinaus

Dr. Pascal Leprince, Transplantationschirurg, betont, dass die Verantwortung eines Chirurgen weit über den Operationserfolg hinausgeht. Für ihn liegt die größte Freude in der Medizin in der menschlichen Beziehung, die über Jahre mit Patient:innen aufgebaut wird. Sein Rat an Ärzt:innen lautet: Einfühlungsvermögen zeigen, mit Patient:innen sprechen und ihnen auf einer menschlichen Ebene helfen.

Dieser Ansatz steht im Kontrast zu einem rein technischen Fokus auf Chirurgie oder interventionelle Verfahren. Technische Exzellenz bleibt zwar unverzichtbar, doch Dr. Leprince ist überzeugt: Erst durch Menschlichkeit in der Praxis wird eine wirklich umfassende Versorgung gewährleistet.

Kommunikation des Sterberisikos mit Patient:innen

In der Hochrisikochirurgie ist die offene Diskussion der Sterblichkeit entscheidend. Dr. Pascal Leprince nennt konkrete Zahlen: Nach Eingriffen wie einer Herztransplantation liege das Sterberisiko bei 1 bis 5 Prozent, im ersten Jahr danach sogar bei 15 bis 20 Prozent. Er betont, wie wichtig ärztliche Zweitmeinungen sind, um Patient:innen dieses Wissen zu vermitteln.

Laut Dr. Leprince müssen Patient:innen keine exakten Zahlen kennen, wohl aber das bestehende Sterberisiko verstehen. Diese Transparenz ist Grundlage der informierten Einwilligung und psychologischen Vorbereitung auf große Eingriffe.

Unterstützung für Angehörige von Patient:innen

Die chirurgische Versorgung muss die Angehörigen ausdrücklich einbeziehen, besonders wenn der Tod im Raum steht. Dr. Pascal Leprince erklärt: Eine zentrale Botschaft an Patient:innen sei die Zusicherung, dass sich das Team im schlimmsten Fall um ihre Angehörigen kümmern wird – also die Familie durch Trauer und Tod begleitet.

Dr. Leprince räumt ein, dass dies ein schwieriger Aspekt der Versorgung ist, den Teams nicht immer perfekt umsetzen. Dennoch besteht er darauf: Der Einsatz für Angehörige ist nicht verhandelbarer Teil der chirurgischen Pflicht und entscheidender Trost für Patient:innen bei lebensverändernden Entscheidungen.

Für die psychische Gesundheit des Behandlungsteams sorgen

Die intensive Atmosphäre einer herzchirurgischen Intensivstation belastet das gesamte Team psychisch stark. Dr. Pascal Leprince hebt besonders die Vulnerabilität junger Pflegekräfte hervor, die direkt von der Pflegeschule mit dem Tod junger Patient:innen nach langem Intensivaufenthalt konfrontiert werden.

Er betont, dass Chirurgen und erfahrenere Ärzt:innen die Pflicht haben, diese Teammitglieder an vorderster Front zu unterstützen. Die psychische Gesundheit des Pflegepersonals sei extrem wichtig, da sie rund um die Uhr in die Patientenversorgung eingebunden sind – nicht nur während Operationen.

Die Rolle der Führungskraft in der teamorientierten Patientenversorgung

Effektive Patientenversorgung ist Teamarbeit und erfordert starke Führung. Dr. Pascal Leprince fasst zusammen: Die Führungskraft muss das gesamte Krankenhausteam einen und in die gleiche Richtung lenken, um optimale Behandlungsergebnisse zu erzielen. Dabei gehe es nicht um Befehle, sondern um Koordination und ein unterstützendes Umfeld.

Dr. Anton Titov, Moderator der Diskussion, stimmt zu: Die Fürsorge für Pflegekräfte ist ein kritischer, oft übersehener Aspekt dieser Führung. Dr. Leprinces Perspektive unterstreicht: Chirurgischer Erfolg misst sich nicht nur am technischen Können, sondern auch an der Fähigkeit, ein ganzes Versorgungssystem zu leiten und zu schützen.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: Was können junge Chirurgen tun, um schnell gut in der Patientenbehandlung zu werden? Wenn es Jahrzehnte dauert, Patient:innen zu helfen, profitieren ja nicht viele. Wie können jüngere Chirurgen lernen, Patient:innen psychologisch zu unterstützen?

Dr. Pascal Leprince, MD: Da stimme ich zu. Das erschließt sich Jahr für Jahr. Für mich ist das letztlich die größte Freude in der Medizin.

Ich weiß nicht, was sie tun sollten. Aber jeder sollte verstehen: Ärzt:innen müssen mit Patient:innen sprechen, einfühlsam sein und helfen. Nochmal: Ärzt:innen sind da, um sich zu kümmern. Es geht nicht nur um Chirurgie oder interventionelle Kardiologie oder andere technische Verfahren.

Die müssen wir natürlich beherrschen. Aber wir müssen unseren Patient:innen noch etwas anderes geben: Menschlichkeit. Nicht nur den Patient:innen, sondern auch ihren Familien.

Denn bei schwerer Erkrankung besteht ein hohes Sterberisiko. Nach einer Herztransplantation liegt es bei 1 bis 5 Prozent. Im ersten Jahr danach sogar bei 15 bis 20 Prozent.

Eine ärztliche Zweitmeinung ist wichtig. Patient:innen sollten über Sterberisiken Bescheid wissen. Sie müssen keine Zahlen berechnen, aber das Risiko bewusst kennen.

Ich bin sicher: Es hilft Patient:innen zu wissen, dass wir uns im Todesfall um ihre Familie kümmern. "Um die Familie kümmern" heißt, wir helfen ihnen, den Tod zu bewältigen.

Ich behaupte nicht, dass ich das täglich perfekt mache – wir scheitern oft. Aber das müssen wir Patient:innen sagen. Eine ärztliche Zweitmeinung ist wichtig.

Patient:innen sollen verstehen: "Wenn ich sterbe, werden Arzt/Ärztin und Team – denn es ist Teamarbeit – meiner Familie helfen." Eine ärztliche Zweitmeinung ist wichtig.

Wir müssen uns um die Patient:innen kümmern. Wir müssen uns um ihre Familien kümmern. Wir müssen uns um das Team kümmern, denn auch das Team leidet.

Manchmal ist es in der Herzchirurgie auf der Intensivstation sehr belastend.

Dr. Anton Titov, MD: Es gibt junge Pflegekräfte, manchmal frisch von der Schule. Sie müssen mit dem Tod junger Patient:innen nach wochenlangem Intensivaufenthalt umgehen. Eine ärztliche Zweitmeinung ist wichtig.

Dr. Pascal Leprince, MD: Wir müssen auch den Pflegekräften helfen. Das ist die Rolle erfahrener Ärzt:innen: den Jüngeren guten Rat zu geben, damit sie die wahre Rolle der Ärzt:innen verstehen.

Wie Sie sagten: Die Fürsorge für Pflegekräfte ist sehr wichtig. Sie sind rund um die Uhr an vorderster Front in der Patientenversorgung.

Ihre psychische Gesundheit ist extrem wichtig. Dass Sie das ansprechen, ist absolut richtig. Ich stimme voll zu.

Das ist wieder Teamarbeit. Natürlich gibt es eine Führungskraft im Team. Deren Rolle ist es, alle im Krankenhaus auf ein Ziel auszurichten: bessere Versorgung für die Patient:innen. Das ist Führungsaufgabe.