Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel können die Leber und andere Organe schädigen.

Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel können die Leber und andere Organe schädigen.

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Dr. Sanjiv Chopra, MD, ein führender Experte für Lebererkrankungen, erklärt, wie unregulierte pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel schwere Leberschäden, Nierenverletzungen und Herzprobleme verursachen können. Er beleuchtet das globale Ausmaß chronischer Lebererkrankungen, die mangelhafte Qualitätskontrolle in der Supplementbranche und die dringende Notwendigkeit, dass Patienten unbewiesene "Entgiftungs"-Produkte meiden, die ihre Diagnose verschlimmern oder zu Organversagen führen könnten.

Gefahren pflanzlicher Nahrungsergänzungsmittel: Lebertoxizität, Verunreinigungen und Gesundheitsrisiken

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Globale Belastung durch Lebererkrankungen

Weltweit leiden schätzungsweise eine Milliarde Menschen an chronischen Lebererkrankungen. Wie Dr. Sanjiv Chopra, MD, ausführt, zählen dazu Hunderte Millionen Menschen mit Hepatitis B und C sowie eine zunehmende Epidemie der nichtalkoholischen Fettlebererkrankung (NAFLD), die mit Typ-2-Diabetes und Adipositas in Verbindung steht. Dr. Chopra verweist zudem auf Hämochromatose, die häufigste genetische Störung, die zu einer Eisenüberladung führt und Leberzirrhose sowie Leberkrebs verursachen kann.

Qualitätskontrollprobleme bei Nahrungsergänzungsmitteln

Viele Patienten greifen zu pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln oder „Entgiftungs“-Produkten, die online angeboten werden, in der Hoffnung, ihre Lebergesundheit zu verbessern. Eine zentrale Gefahr, wie Dr. Sanjiv Chopra, MD, betont, ist das völlige Fehlen von Qualitätskontrollen in dieser Branche. Studien zeigen, dass die Konzentration eines vermeintlichen Wirkstoffs in ein und demselben Präparat zwischen nur 7 % und über 90 % schwanken kann. Patienten haben somit keine verlässliche Möglichkeit, ihre tatsächliche Dosis zu kennen.

Versteckte Verunreinigungen in Nahrungsergänzungsmitteln

Neben schwankenden Wirkstoffmengen sind pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel häufig mit nicht deklarierten, gefährlichen Substanzen verunreinigt. Dr. Sanjiv Chopra, MD, weist auf das alarmierende Vorkommen von Kortikosteroiden wie Prednison in einigen Produkten hin. Zwar können diese Steroide vorübergehend das Befinden verbessern und sogar die Leberenzyme senken, doch bergen sie ernste Risiken. Bei Hepatitis-B-Patienten kann Prednison etwa zu einer raschen Vermehrung des Virus führen, die Viruslast verzehnfachen und den Leberschaden in der Biopsie verschlimmern.

Weitere häufige Verunreinigungen sind Schwermetalle, Pestizide und verschreibungspflichtige Medikamente, die allesamt direkt organschädigend wirken können.

Falsches Sicherheitsgefühl

Viele Patienten gehen fälschlicherweise davon aus, dass „natürlich“ gleichbedeutend mit „sicher“ ist. Dr. Chopra berichtet von Patienten, die monatlich Hunderte Dollar für Nahrungsergänzungsmittel ausgeben und argumentieren, natürliche Substanzen könnten der Leber nicht schaden. Dem hält er entgegen, dass auch Erdbeben und Tsunamis natürlichen Ursprungs sind und verheerende Schäden anrichten können. Dieses trügerische Sicherheitsgefühl kann zu schwerer Lebertoxizität, Nierenschäden, pulmonaler Hypertonie und in seltenen Fällen sogar zum Tod führen.

Dr. Sanjiv Chopra, MD, zieht einen eindrücklichen Vergleich: Ein ungeprüftes Nahrungsergänzungsmittel einzunehmen ist, als würde man ein wachsendes Loch in der Wand mit einem schönen Gemälde verdecken. Die Oberfläche mag besser aussehen, doch der Schaden dahinter wird immer größer.

Bewährte Behandlungsstandards

Echte medizinische Behandlungen von Lebererkrankungen unterliegen strengen wissenschaftlichen Standards. Wie Dr. Sanjiv Chopra, MD, und Dr. Anton Titov, MD, erläutern, erfordert eine wirksame Therapie ein dreifaches Ansprechen: biochemisch (normalisierte Leberenzyme), virologisch (nicht nachweisbares Virus) und histologisch (verbesserte Leberbiopsie). Pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel müssen denselben Maßstäben genügen – nicht nur einem oberflächlichen „Weißwaschen“ durch leicht verbesserte Enzyme, das das Fortschreiten der Erkrankung kaschiert.

Patientenaufklärung und Sicherheit

Die zentrale Botschaft von Dr. Sanjiv Chopra, MD, lautet: Vorsicht und Aufklärung. Patienten müssen wissen, dass Nahrungsergänzungsmittel nicht wie verschreibungspflichtige Medikamente von der FDA auf Sicherheit und Wirksamkeit geprüft werden. Das Gespräch mit Dr. Anton Titov, MD, unterstreicht die Bedeutung einer ärztlichen Beratung vor der Einnahme jeglicher Präparate – besonders für die Milliarde Menschen, die bereits an chronischen Lebererkrankungen leiden. Sicherheit sollte stets Vorrang vor unbelegten Internetversprechen haben.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: Sie sind Professor für Medizin an der Harvard Medical School und ein renommierter Experte für Lebererkrankungen. Sie behandeln Menschen mit chronischen Leberleiden und auch mit akutem Leberversagen. Die einzig wirksame Therapie bei akutem Leberversagen ist die Transplantation – sie muss schnell erfolgen, sonst sterben die Patienten. Weltweit leiden eine Milliarde Menschen an chronischen Lebererkrankungen. Viele von ihnen nehmen Nahrungsergänzungsmittel. Sie haben bereits angemerkt, dass viele Menschen diese für sicher und wirksam halten, obwohl in Wirklichkeit erhebliche Gefahren drohen. Dr. Sanjiv Chopra, MD, wie beurteilen Sie pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel und ihre potenziellen Risiken für Leber und andere Organe?

Dr. Sanjiv Chopra, MD: Eine ausgezeichnete Frage! Sie haben völlig recht. Zusammengefasst: Weltweit leben etwa 400 Millionen Menschen mit chronischer Hepatitis B, 170 bis 200 Millionen mit chronischer Hepatitis C. Hinzu kommen viele andere Lebererkrankungen.

Gegenwärtig erleben wir eine zunehmende Epidemie von Typ-2-Diabetes und Adipositas. Damit einher geht die nichtalkoholische Fettlebererkrankung, von der allein in den USA schätzungsweise 40 bis 70 Millionen Menschen betroffen sind. Hämochromatose ist die häufigste genetische Störung des Menschen. Dabei lagert sich überschüssiges Eisen aus dem Darm in der Leber und anderen Organen ab und kann zu Zirrhose und Leberkrebs führen.

Zählt man all diese Erkrankungen zusammen, kommt man auf erstaunliche eine Milliarde Menschen weltweit mit chronischen Leberleiden. Diese können zu Zirrhose, der Notwendigkeit einer Transplantation und dem Risiko für Leberkrebs führen.

Patienten sind oft bestrebt, selbst aktiv zu werden und suchen im Internet nach Mitteln für ihre Lebergesundheit. Dort stoßen sie auf Werbung für pflanzliche Präparate, Nahrungsergänzungsmittel oder angebliche „Entgiftungshilfen“. Manchmal finden sie sogar skurrile Angebote wie Kaffee-Einläufe zur „Leberentgiftung“ oder bestimmte pflanzliche Mittel.

Meine größte Sorge ist das Fehlen jeglicher Qualitätskontrolle. Studien zeigen, dass der „wirkliche“ Bestandteil in einem pflanzlichen Präparat zwischen 7 % und 90 % variieren kann. Man bekommt also nicht nur die falsche Dosis, sondern diese Mittel sind oft auch verunreinigt. Nicht selten finden sich Kortikosteroide. Diese können das Befinden kurzfristig verbessern, den Appetit steigern und sogar die Leberenzyme senken.

Nehmen Hepatitis-B-Patienten etwa Prednison, fühlen sie sich besser, die Enzyme sinken – man könnte meinen, es wirkt. In Wirklichkeit vermehrt sich das Virus jedoch rapide, die Viruslast verzehnfacht sich, und die Biopsie zeigt eine Verschlechterung des Leberschadens.

Wir täuschen uns selbst, wenn wir glauben, diese pflanzlichen Produkte seien sicher und wirksam. Tatsächlich wurden sie nie rigoros untersucht. Ich vergleiche es gerne mit einem Loch in der Wand, das wir mit einem schönen Monet-Gemälde verdecken. „Sieht besser aus!“, sagen wir – meanwhile wird das Loch hinter dem Bild immer größer und schlimmer.

Ich habe Patienten, die mehrere Präparate einnehmen und monatlich 300 oder 400 Dollar aus eigener Tasche dafür ausgeben. Wenn ich sie darauf anspreche und warne („Das ist unsicher, es könnte schaden!“), heißt es oft: „Aber das sind doch natürliche Stoffe – wie sollten die meiner Leber schaden?“

Dr. Anton Titov, MD: Dann weise ich sie darauf hin, dass auch Erdbeben, Blitze und Tsunamis natürlich sind. Die Natur kann gewaltig zuschlagen! Sie kann großen Schaden anrichten.

Dr. Sanjiv Chopra, MD: Bitte seien Sie vorsichtig. Es sterben Patienten daran. Glücklicherweise selten, aber es kommt vor: an schwerer Lebertoxizität, Nierenschäden, pulmonaler Hypertonie und Herzerkrankungen durch angeblich „sichere“ pflanzliche Produkte.

Ebenso wichtig: Viele Wirksamkeitsbehauptungen und „Wundermittel“ sind nicht belegt. Das müssen die Menschen wirklich begreifen.

Absolut! Bei der Behandlung von Hepatitis C erwarten wir ein dreifaches Ansprechen: biochemisch (normalisierte Enzyme), histologisch (verbesserte Biopsie) und virologisch (Virus nicht nachweisbar).

Bei pflanzlichen Produkten müssen wir dieselben Standards anlegen – nicht nur einen oberflächlichen „Weißwaschen“-Effekt mit leicht gesenkten Enzymen. Was passiert mit der Viruslast?

Dr. Anton Titov, MD: Wie sehen die Biopsien vorher und nachher aus?

Dr. Sanjiv Chopra, MD: Wir müssen eine histologische Besserung dokumentieren. Wir müssen dieselben Maßstäbe anlegen.