Dr. Giuseppe Curigliano, ein führender Experte für Präzisionsmedizin bei Brustkrebs, erläutert, wie neue zielgerichtete Therapien und genomische Tests die Behandlung im Frühstadium verändern. Er geht detailliert auf die erheblichen Überlebensvorteile ein, die sich durch die Kombination von Chemotherapie und Immuntherapie beim triple-negativen Mammakarzinom ergeben. Zudem zeigt er auf, welche Patientengruppen heute dank genomischer Tests wie Oncotype DX sicher auf eine Chemotherapie verzichten können.
Präzisionsmedizin beim frühen Brustkrebs: Gezielte Therapie und Vermeidung von Chemotherapie
Direkt zum Abschnitt
- Immuntherapie beim triple-negativen Brustkrebs
- Wer kann auf Chemotherapie verzichten?
- Rolle genomischer Tests wie Oncotype DX
- Behandlung prämenopausaler Patientinnen
- Wann umfangreiche genetische Testung sinnvoll ist
- NGS-Testung und Zugang zu klinischen Studien
Immuntherapie beim triple-negativen Brustkrebs
Dr. Giuseppe Curigliano hebt Immun-Checkpoint-Inhibitoren als entscheidenden Fortschritt in der Behandlung des frühen Brustkrebses hervor. Er verweist auf die KEYNOTE-522-Studie, eine prospektive, randomisierte Untersuchung, die Pembrolizumab beim frühen triple-negativen Brustkrebs evaluierte.
Die Kombination von Pembrolizumab mit Standardchemotherapie steigerte die Raten des pathologischen Komplettansprechens signifikant. Vor allem aber, so Dr. Curigliano, verbesserte sie das invasive krankheitsfreie Überleben und zeigte einen positiven Trend beim Gesamtüberleben dieser Patientinnen.
Wer kann auf Chemotherapie verzichten?
Ein zentrales Anliegen der Präzisionsmedizin ist es, Patientinnen zu identifizieren, für die eine Behandlung ohne Chemotherapie sicher und wirksam ist. Dr. Giuseppe Curigliano bestätigt, dass mehrere genomische Tests diesen personalisierten Ansatz heute ermöglichen.
Er erläutert, dass diese Tests präzise eine große Gruppe von Brustkrebspatientinnen im Frühstadium auswählen können, die auf Chemotherapie verzichten können. Dies verändert ihre Behandlungserfahrung grundlegend und reduziert Nebenwirkungen.
Rolle genomischer Tests wie Oncotype DX
Dr. Curigliano geht speziell auf den Oncotype DX Recurrence Score-Test ein. Er betont, dass postmenopausale Frauen mit östrogenrezeptorpositivem, HER2/neu-negativem Brustkrebs bei niedrigem oder intermediärem Risikoscore sicher auf Chemotherapie verzichten können.
Dies gilt sogar bei Befall von ein bis drei Lymphknoten, was den Kreis der für weniger intensive Therapien geeigneten Patientinnen erweitert.
Behandlung prämenopausaler Patientinnen
Dr. Anton Titov fragt gezielt nach dem Verzicht auf Chemotherapie bei prämenopausalen Patientinnen. Dr. Giuseppe Curigliano räumt ein, dass die Datenlage hier nicht so robust ist wie bei postmenopausalen Frauen.
Dennoch ist er überzeugt, dass einige prämenopausale Brustkrebspatientinnen mit niedrigen Rezidivscores ebenfalls auf Chemotherapie verzichten können. Für sie kann eine alleinige endokrine Therapie ausreichend sein.
Wann umfangreiche genetische Testung sinnvoll ist
Das Gespräch mit Dr. Anton Titov wendet sich umfangreicheren genomischen Sequenzierungspanels wie Tempus xT oder Foundation Medicine zu. Dr. Curigliano gibt klare Handlungsempfehlungen für deren Einsatz.
Er betont, dass bei einer neuen, frühen Brustkrebsdiagnose der routinemäßige Einsatz dieser großen Panels nicht Standard ist. Ihr Nutzen ist spezialisierter und auf bestimmte klinische Szenarien beschränkt.
NGS-Testung und Zugang zu klinischen Studien
Dr. Giuseppe Curigliano erläutert die primäre Indikation für Next-Generation Sequencing (NGS)-Panels. Diese Tests sollten seiner Ansicht nach metastasierten Brustkrebspatientinnen vorbehalten bleiben, die für klinische Studien infrage kommen.
In einem umfassenden Krebszentrum wie dem Europäischen Institut für Onkologie in Mailand befürwortet Dr. Curigliano, NGS allen metastasierten Brustkrebspatientinnen anzubieten, die potenzielle Studienteilnehmerinnen sind, um ihnen Zugang zu innovativen, zielgerichteten Therapien zu eröffnen.
Vollständiges Transkript
Dr. Anton Titov: Eine neue Brustkrebsdiagnose stellt Patientinnen vor schwerwiegende klinische Entscheidungen. Die Behandlung des frühen Brustkrebses in der Ära der Präzisionsmedizin entwickelt sich, wie Sie erwähnten, ständig weiter. Neue zielgerichtete Therapien für frühen Brustkrebs durchlaufen viele klinische Studien. Was ist neu bei der Individualisierung der Krebstherapie für Patientinnen mit frühem Brustkrebs?
Dr. Giuseppe Curigliano: Ich denke, die wichtigsten Daten betreffen Immun-Checkpoint-Inhibitoren. Kürzlich konnten wir die Ergebnisse der KEYNOTE-522-Studie auswerten. Es handelt sich um eine prospektive, randomisierte klinische Studie, die die Rolle von Pembrolizumab beim frühen triple-negativen Brustkrebs untersuchte.
Die Kombination von Pembrolizumab mit Standardchemotherapie verbesserte die Rate des pathologischen Komplettansprechens. Vor allem aber steigerte Pembrolizumab die Rate des invasiven krankheitsfreien Überlebens und zeigte einen positiven Trend beim Gesamtüberleben. Daher könnte der Einsatz von Immun-Checkpoint-Inhibitoren, sowohl im neoadjuvanten als auch adjuvanten Setting beim frühen triple-negativen Brustkrebs, das Gesamtüberleben dieser Patientinnengruppe potenziell verbessern.
Dr. Anton Titov: In welchen Situationen könnten Patientinnen mit frühem Brustkrebs ganz auf Chemotherapie verzichten? Gibt es bereits ein solches Szenario einer chemotherapiefreien Brustkrebsbehandlung? Wird es demnächst für einige Patientinnen verfügbar sein?
Dr. Giuseppe Curigliano: Das ist eine sehr gute Frage. Wir haben mehrere genomische Tests wie den Recurrence Score oder MammaPrint. Sie können genau jene Patientinnen identifizieren, die auf Chemotherapie verzichten können. Lassen Sie mich das genauer erläutern.
Nehmen wir eine postmenopausale Frau mit östrogenrezeptorpositivem und HER2/neu-negativem Brustkrebs. Führt man einen Oncotype DX Recurrence Score-Test durch, kann man bei einem intermediären oder niedrigen Risikoscore sicher auf Chemotherapie verzichten, selbst wenn ein bis drei Lymphknoten befallen sind.
Das betrifft also eine große Gruppe von Brustkrebspatientinnen im Frühstadium, die tatsächlich auf Chemotherapie verzichten können.
Dr. Anton Titov: Gibt es unter den prämenopausalen Patientinnen welche, die ganz auf Chemotherapie verzichten könnten?
Dr. Giuseppe Curigliano: Das ist eine sehr gute Frage. Für prämenopausale Brustkrebspatientinnen liegen nicht exakt die gleichen Ergebnisse vor wie bei postmenopausalen. Aber ich bin überzeugt, dass einige Patientinnen mit niedrigen Rezidivscores sicher auf Chemotherapie verzichten können. Für sie kann eine alleinige endokrine Therapie ausreichend sein.
Dr. Anton Titov: Umfangreiche genomische Sequenzierung wird immer häufiger eingesetzt, etwa Tempus xT- oder Foundation Medicine-Panels. Wie oft empfehlen Sie Ihren Patientinnen bei einer neuen Brustkrebsdiagnose eine umfassendere genetische Testung?
Dr. Giuseppe Curigliano: Beim metastasierten Brustkrebs sollten diese genomischen Panels Patientinnen vorbehalten bleiben, die als Kandidatinnen für klinische Studien infrage kommen. Daher sollte in einem umfassenden Krebszentrum wie meinem, dem Europäischen Institut für Onkologie in Mailand, NGS allen metastasierten Brustkrebspatientinnen angeboten werden, die potenzielle Studienteilnehmerinnen sind.