Nicht-medikamentöse Behandlungsansätze bei Epilepsie. Ketogene Diät, Cannabidiol, Cannabis. 8

Nicht-medikamentöse Behandlungsansätze bei Epilepsie. Ketogene Diät, Cannabidiol, Cannabis. 8

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Dr. Tracey Milligan, eine führende Expertin für Epilepsiebehandlung, erläutert nicht-pharmakologische Ansätze zur Anfallskontrolle. Sie geht detailliert auf die Wirksamkeit der ketogenen Diät und ihrer Varianten bei medikamentenresistenter Epilepsie ein. Dr. Milligan diskutiert zudem die Evidenz für Cannabidiol (CBD) bei spezifischen Syndromen wie Dravet und Lennox-Gastaut. Ausdrücklich warnt sie vor nicht regulierten CBD-Produkten aufgrund möglicher Verunreinigungen. Das Interview unterstreicht, dass diese Methoden bewährte Antiepileptika ergänzen, nicht ersetzen.

Nicht-medikamentöse Epilepsiebehandlungen: Diäten, CBD und Neurostimulation

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Ketogene Diät als Epilepsiebehandlung

Laut Dr. med. Tracey Milligan ist die ketogene Diät eine wirksame nicht-medikamentöse Epilepsiebehandlung. Diese fettreiche, protein- und kohlenhydratarme Ernährung kann ähnlich effektiv sein wie ein Antiepileptikum. Bei manchen Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie ermöglicht sie sogar eine bessere Anfallskontrolle.

Dr. Milligan betont jedoch, dass die strikte Einhaltung dieser Diät eine große Herausforderung darstellt. Oft wird sie selbst dann abgebrochen, wenn sie wirkt. Varianten wie die modifizierte Atkins-Diät oder die Diät mit niedrigem glykämischen Index bieten etwas mehr Flexibilität. Diese angepassten Formen erlauben etwa 15 bis 20 Gramm Kohlenhydrate pro Tag – das entspricht ungefähr einer Scheibe Brot.

CBD-Öl bei Anfällen

Medizinisches Cannabis, insbesondere Cannabidiol (CBD), ist ein häufiges Thema in Patientengesprächen. Dr. med. Tracey Milligan erklärt, dass die Cannabispflanze zwei Hauptbestandteile enthält: THC und CBD. THC ist psychoaktiv und kann einen Rausch auslösen, während CBD keine psychoaktive Wirkung hat.

Klinische Studien belegen die Wirksamkeit von CBD-Öl bei bestimmten schweren Epilepsiesyndromen. Dr. Milligan weist darauf hin, dass CBD beim Dravet-Syndrom und Lennox-Gastaut-Syndrom helfen kann. Für andere, häufigere Epilepsieformen wird die Wirksamkeit von CBD derzeit noch wissenschaftlich untersucht.

Risiken nicht regulierter CBD-Produkte

Dr. med. Tracey Milligan warnt ausdrücklich vor dem derzeitigen CBD-Markt. Verbraucherprodukte sind vollständig unreguliert und unterliegen keiner Qualitätskontrolle. Wissenschaftliche Analysen haben gezeigt, dass manche als CBD-Öl deklarierte Produkte trotz Kennzeichnung gar kein Cannabidiol enthalten.

Zudem können nicht regulierte Produkte mit Schadstoffen verunreinigt sein. Dr. Milligan weist auf mögliche Belastungen durch Pestizide und Schwermetalle in handelsüblichen CBD-Ölen hin. Aufgrund erheblicher Sicherheits- und Wirksamkeitsbedenken rät sie von einer Anwendung außerhalb kontrollierter klinischer Studien ab.

Neurostimulation bei Epilepsie

Für Patienten mit pharmakoresistenter Epilepsie, die für einen chirurgischen Eingriff nicht infrage kommen, bieten Neurostimulationsgeräte eine weitere Option. Dr. med. Tracey Milligan erläutert Technologien wie die Vagusnervstimulation (VNS). Diese Geräte geben elektrische Impulse an das Gehirn oder Nervensystem ab, um Anfällen vorzubeugen.

Dr. med. Anton Titov geht in seinem Interview auf verschiedene Gründe ein, warum Patienten nach solchen alternativen Behandlungen suchen. Diese Technologie stellt eine fortgeschrittene Intervention für sorgfältig ausgewählte Patienten dar, die andere medizinische Optionen bereits ausgeschöpft haben.

Integration nicht-medikamentöser Therapien

Ein Grundsatz der Epilepsiebehandlung lautet, dass nicht-medikamentöse Therapien Ergänzungen, aber kein Ersatz für Medikamente sind. Dr. med. Tracey Milligan betont, dass Antiepileptika die bewährte Therapiegrundlage bilden. Diese Medikamente sind unverzichtbar, da Epilepsie eine potenziell lebensbedrohliche Erkrankung ist.

Diäten, CBD in Studien oder Neurostimulation sollen die medikamentöse Behandlung unterstützen. Ziel ist es, die Wirksamkeit der Medikamente zu steigern und die Anfallskontrolle insgesamt zu verbessern. Dr. Milligan unterstreicht, dass diese Methoden stets zusätzlich zu – und niemals anstelle von – Antiepileptika eingesetzt werden sollten.

Vollständiges Transkript

Dr. med. Anton Titov: Welche nicht-medikamentösen Behandlungen gibt es bei Epilepsie? Wie behandelt man Epilepsie ohne Medikamente? Welche Diäten oder pflanzlichen Therapien sind nachweislich wirksam? Und welche beliebten Epilepsiebehandlungen sind nicht evidenzbasiert?

Nicht-medikamentöse Epilepsiebehandlungen stoßen bei Patienten mit epileptischen Anfällen auf großes Interesse.

Dr. med. Tracey Milligan: Medikamente sind ein wichtiger Grundpfeiler der Epilepsiebehandlung. Aber auch andere Faktoren sind für eine gute Anfallskontrolle entscheidend.

Ausreichend Schlaf ist für Epilepsiepatienten sehr wichtig. Die allgemeine Gesundheit sollte erhalten bleiben: ausreichend schlafen, sich ausgewogen ernähren und regelmäßig bewegen.

Zu den spezifischen nicht-medikamentösen Epilepsiebehandlungen zählen Diäten. Ein Beispiel ist die ketogene Diät. Sie kann genauso wirksam sein wie ein Antiepileptikum – bei manchen Patienten sogar wirksamer.

Die ketogene Diät ist sehr fettreich und enthält nur wenig Eiweiß und Kohlenhydrate. Für Patienten ist sie sehr schwer durchzuhalten. Es ist eine Herausforderung, sich täglich strikt ketogen zu ernähren.

Viele brechen die Diät allein deswegen ab, weil die Umsetzung so schwierig ist – selbst wenn sie die Anfälle bessert.

Es gibt Varianten der ketogenen Diät. Die Diät mit niedrigem glykämischen Index oder die modifizierte Atkins-Diät erlauben mehr Kalorien und Eiweiß. Auch sie ist fettreich und kohlenhydratarm.

Die maximal erlaubte Kohlenhydratmenge liegt bei etwa 15 bis 20 Gramm pro Tag. Das entspricht ungefähr einer Scheibe Brot. Das ist die gesamte erlaubte Kohlenhydratzufuhr.

Dr. med. Anton Titov: Auch diese abgewandelte, aber immer noch restriktive Diät ist schwer durchzuhalten, kann aber sehr effektiv sein.

Dr. med. Tracey Milligan: Es gibt weitere nicht-medikamentöse Epilepsiebehandlungen. Patienten fragen mich häufig nach medizinischem Cannabis. Das ist die häufigste Frage zu Behandlungen ohne Medikamente.

Es gab klinische Studien mit Cannabidiol (CBD) aus der Cannabispflanze. Die Pflanze enthält zwei Hauptbestandteile: THC, das berauschend wirkt, und CBD bzw. Cannabidiol, das keine psychoaktiven Eigenschaften hat und nicht high macht.

CBD-Öl wurde in Epilepsiestudien getestet. Es hat sich bei einigen Patienten mit sehr spezifischen Epilepsieformen wie dem Dravet-Syndrom als hilfreich erwiesen. CBD-Öl kann auch beim Lennox-Gastaut-Syndrom helfen.

Lennox-Gastaut-Syndrom und Dravet-Syndrom sind besonders schwere Epilepsieformen. Für andere Epilepsiearten ist die Wirksamkeit von CBD-Öl nicht belegt. Das wird derzeit erforscht.

Ein wichtiger Punkt: Derzeit sind für Patienten erhältliche CBD- und Cannabisprodukte vollständig unreguliert. Wir haben Studien zu handelsüblichen CBD-Ölen durchgeführt. Einige Produkte enthielten überhaupt kein CBD.

Obwohl sie als "CBD-Öl" vermarktet werden, können sie Pestizide und Schwermetalle enthalten.

Dr. med. Anton Titov: Derzeit unterliegt verfügbares Cannabidiol also keiner Regulierung.

Dr. med. Tracey Milligan: Wir führen weiter wissenschaftliche Studien durch. Derzeit würde ich es nicht empfehlen.

Es gibt andere nicht-medikamentöse Epilepsiebehandlungen mit besserer Evidenz. Dazu zählen verschiedene Neurostimulationsverfahren wie Hirnstimulatoren.

Wir setzen beispielsweise Vagusnervstimulatoren ein, wenn ein epileptischer Herd nicht operativ entfernt werden kann, der Patient aber unter pharmakoresistenter Epilepsie leidet. Diese Technologien stehen ausgewählten Patienten zur Verfügung.

Dr. med. Anton Titov: Warum entscheiden sich Patienten für nicht-medikamentöse Epilepsiebehandlungen? Warum behandeln sie Epilepsie mit Diät? Liegt es an einer Abneigung gegen Antiepileptika oder daran, dass diese nicht wirken? Welche Gründe nennen Patienten?

Warum interessieren sich Patienten für nicht-medikamentöse Epilepsietherapien?

Dr. med. Tracey Milligan: Wir betonen stets, dass diese Methoden die medikamentöse Therapie ergänzen sollten, da Epilepsie potenziell lebensbedrohlich ist.

Wir wissen, dass Antiepileptika wirken. Zwar nicht zu 100 Prozent, aber in gewissem Maße. Dann können wir zusätzliche Behandlungen wie Spezialdiäten einsetzen, um die Medikamente zu unterstützen.

Wir setzen sie niemals anstelle von Antiepileptika ein. Nicht-medikamentöse Epilepsiebehandlungen werden immer ergänzend zur Medikation angewendet.