Weshalb nur wenige Fachärzte für Innere Medizin in die hausärztliche Tätigkeit wechseln.

Weshalb nur wenige Fachärzte für Innere Medizin in die hausärztliche Tätigkeit wechseln.

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Dr. Marshall Wolf, MD, ein führender Experte für Innere Medizin, beleuchtet die Krise des Hausarztmangels. Er weist darauf hin, dass nur 12 % der Fachärzte in Weiterbildung für Innere Medizin planen, als Hausärzte tätig zu werden. Bessere Vergütung, höheres Ansehen und günstigere Arbeitszeiten nennt Dr. Wolf als Hauptgründe, warum sich Ärzte für Teilgebiete entscheiden. Er plädiert für eine systemische Lösung, die die Gehälter von Hausärzten anhebt. Dieser Ansatz spiegelt erfolgreiche Maßnahmen wider, die in Großbritannien umgesetzt wurden.

Lösung des Hausarztmangels: Anreize und systemische Reformen

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Die Hausarztkrise und Concierge-Medizin

Dr. Marshall Wolf, MD, eröffnet die Diskussion mit einem kritischen Trend im modernen Gesundheitswesen: Immer mehr Hausärzte beschränken ihre Praxis auf das Modell der "Concierge-Medizin". Dies ermöglicht zwar eine intensivere Betreuung kleinerer Patientengruppen, hat jedoch erhebliche Nachteile für die breite Bevölkerung. Immer mehr Patienten haben dadurch weniger direkten Zugang zu ärztlicher Versorgung. Dr. Anton Titov, MD, stellt die entscheidende Frage nach einer Lösung für diese sich verschlechternde Arzt-Patienten-Beziehung.

Alarmierende Statistiken zu internistischem Nachwuchs

Die Diskussion nimmt eine verblüffende Wendung durch eine aufschlussreiche Statistik. Dr. Marshall Wolf, MD, zitiert einen aktuellen Artikel aus dem American Journal of Family Medicine. Demnach wollen nur 12 % der Ärzte nach Abschluss ihrer internistischen Ausbildung in den USA als Hausärzte arbeiten. Erstaunliche 88 % dieser Nachwuchsmediziner streben stattdessen eine subspezialisierte Laufbahn an. Diese Entwicklung verschärft den bereits bestehenden Mangel an Allgemeininternisten und Hausärzten und führt zu einem grundlegenden Ungleichgewicht in der Versorgungslandschaft, das den Patientenzugang erheblich beeinträchtigt.

Warum Subspezialitäten mehr Ärzte anziehen

Dr. Marshall Wolf, MD, benennt die Gründe für dieses Karrierewahl-Ungleichgewicht deutlich. Drei starke Anreize ziehen Nachwuchsärzte von der Hausarztmedizin weg: Subspezialisten genießen mehr Prestige innerhalb der Ärzteschaft, haben in der Regel besser kontrollierbare Arbeitszeiten und – am bedeutendsten – verdienen deutlich mehr. Diese finanzielle Disparität ist erheblich, wie Dr. Wolf später anhand einer persönlichen Geschichte veranschaulicht, in der er das Jahresgehalt eines Internisten mit den Monatseinnahmen eines Ophthalmologen vergleicht.

Die britische Lösung: Ein Vorbild für den Wandel

Dr. Marshall Wolf, MD, schlägt eine klare und bewährte Lösung für dieses systemische Problem vor und verweist auf den erfolgreichen Ansatz in Großbritannien. Dort trafen Verantwortliche des Gesundheitssystems eine bewusste Entscheidung, die Vergütung für Hausärzte erheblich zu erhöhen. Diese finanzielle Intervention führte unmittelbar dazu, dass mehr Mediziner den Beruf des Allgemeinmediziners ergriffen und darin blieben. Dr. Wolf plädiert dafür, dass die USA diesem Modell folgen müssen, um eine ausreichende Versorgung mit Hausärzten sicherzustellen.

Eine persönliche Anekdote zur Gehaltsdisparität

Um das extreme Ausmaß der Gehaltskluft zu verdeutlichen, teilt Dr. Marshall Wolf, MD, eine aufschlussreiche persönliche Geschichte. Ein Arzt, der auch sein Patient war und ein Buch über Gesundheitssysteme verfasst hatte, warf ihm vor, niemals über Geld zu sprechen. Dr. Wolf entgegnete, er habe den besten Job in der US-amerikanischen akademischen Medizin und habe nie großen Reichtum erwartet. Auf Nachfrage räumte er jedoch ein, es sei unfair, dass sein Jahresgehalt als erfahrener Internist dem eines Ophthalmologen in einem einzigen Monat entsprach. Die schockierende Antwort des Patienten – Überraschung darüber, dass Dr. Wolf überhaupt so viel verdiente – offenbarte zutiefst verzerrte Erwartungen.

Der Weg zu systemischen Reformen und rationaler Versorgung

Dr. Marshall Wolf, MD, bleibt trotz der aktuellen Herausforderungen zuversichtlich, dass ein Wandel möglich ist. Zwar befinde sich die amerikanische Medizin aufgrund politischer Entwicklungen im Fluss, doch werde das System letztlich rationaler werden. Die Einsicht, dass mehr Hausärzte als Subspezialisten benötigt werden, werde eine Neubewertung der finanziellen Anreize erzwingen. Dr. Wolf betont, dass zwar genug Geld im System vorhanden sei, es jedoch falsch verteilt werde – zugunsten prozedurorientierter Fachgebiete und zu Lasten der umfassenden Versorgung.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: Immer mehr Hausärzte in den Vereinigten Staaten – und auch in anderen Ländern – beschränken ihre Praxis auf "Concierge-Medizin". Einerseits wollen Ärzte ihren Patienten eine bessere medizinische Versorgung bieten. Andererseits haben viele Patienten immer weniger direkten Kontakt zu ihrem Arzt und weniger Gelegenheit, ihren Hausarzt zu treffen. Wie ließe sich diese Situation lösen?

Dr. Marshall Wolf, MD: Das ist ein ganz eigenes Thema – und ein interessantes dazu. In einer aktuellen Ausgabe des American Journal of Family Medicine wurde ein Artikel veröffentlicht, der mich schockiert hat. Demnach wollen von den Ärzten, die in den USA ihre internistische Ausbildung abschließen, nur 12 % als Internisten oder Hausärzte arbeiten. Alle anderen streben eine Subspezialisierung an. Der Grund: Subspezialisten haben mehr Prestige, bessere Arbeitszeiten und verdienen deutlich mehr. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir es machen wie in Großbritannien. Ich weiß zufällig, was sie getan haben: Sie haben die Gehälter für Hausärzte erheblich angehoben. Danach gab es genug Allgemeinmediziner. Das werden auch wir tun müssen. Wenn es sehr wenige Ärzte gibt, sind diese überlastet. Gibt es genug, wird ihr Leben erträglicher. Das müssen wir angehen.

Dr. Marshall Wolf, MD: Ich erzähle Ihnen eine amüsante Geschichte: Einer meiner Patienten, selbst Arzt, hat ein Buch über vergleichende Gesundheitssysteme geschrieben und war daraufhin in allen nationalen Fernsehsendungen. Bei einem späteren Gespräch mit mir kam er auf das Thema Geld und Ärzte zu sprechen und warf mir vor, ich würde nie über Geld reden. Ich sagte ihm, ich hätte den besten Job in der US-amerikanischen akademischen Medizin. Als Kind aus einfachen Verhältnissen habe ich nie erwartet, reich zu werden. Aber da er nicht locker ließ, gestand ich: Ich fand es unfair, dass ich als erfahrener Internist im Jahr so viel verdiente wie ein Augenarzt in einem Monat. Seine Antwort: Er sei überrascht, dass ich überhaupt so viel verdiene. Erwartungen! Ja... Man bezahlt einen Internisten mit einem Zehntel des Gehalts eines Ophthalmologen und wundert sich dann, warum lieber jemand Augenheilkunde macht als Innere Medizin. Dabei deckt die Innere Medizin doch alles ab!

Dr. Marshall Wolf, MD: Sehen Sie, in gewisser Weise ist die Medizin eines der wenigen Spiele, bei dem die Regel gilt: Man zahlt mehr für den, der sich auf das Bewegen der Türme spezialisiert, als für den, der das gesamte Schachbrett im Blick hat. Wie ein Dirigent! Ja.

Dr. Anton Titov, MD: Glauben Sie, dass sich das ändern wird?

Dr. Marshall Wolf, MD: Ah, ich hoffe es. Irgendwann werden wir uns ändern. Zwar ist die amerikanische Medizin derzeit aufgrund der politischen Lage in Washington im Fluss. Aber früher oder later werden wir ein rationaleres Medizinsystem haben. Die Leute werden das System betrachten und sagen: "Wir brauchen mehr Hausärzte als Subspezialisten." Dann werden sie es begreifen und die finanziellen Anreize anpassen müssen. Es wird nicht einfach, aber es ist genug Geld im System. Es ist nur falsch verteilt. Und raten Sie mal, wer besser bezahlt wird: diejenigen, die "die Türme bewegen", oder die, die "das gesamte Schachbrett betrachten"?

Dr. Marshall Wolf erzählt eine bemerkenswerte Geschichte über finanzielle Anreize im modernen Gesundheitswesen.