Dieser Fallbericht schildert eine 28-jährige Patientin, die ein schweres respiratorisches Versagen infolge einer seltenen Lungengefäßerkrankung entwickelte: einer pulmonalen veno-okklusiven Erkrankung (PVOD) mit pulmonaler kapillärer Hämangiomatose (PCH). Innerhalb von dreieinhalb Jahren verschlechterte sich ihr Zustand von leichten Atembeschwerden zu einer lebensbedrohlichen pulmonalen Hypertonie mit Rechtsherzinsuffizienz. Auffällig war die dramatische Verschlechterung nach Verabreichung eines Standardmedikaments gegen pulmonale Hypertonie. Der Fall verdeutlicht die diagnostischen Schwierigkeiten seltener pulmonalvaskulärer Erkrankungen und unterstreicht, dass die Lungentransplantation bei diesem rapid fortschreitenden Krankheitsbild oft die einzig wirksame Therapieoption darstellt.
Die Reise einer jungen Frau mit einer seltenen Lungenerkrankung: Einblicke in die pulmonale veno-okklusive Erkrankung
Inhaltsverzeichnis
- Fallvorstellung: Symptome einer 28-Jährigen
- Krankengeschichte und erste Befunde
- Diagnostische Tests und Bildgebung
- Behandlungsherausforderungen und Verlauf
- Differentialdiagnose: Mögliche Erkrankungen
- Enddiagnose und klinische Bedeutung
- Klinisches Ergebnis und Therapie
- Was Patientinnen und Patienten wissen sollten
- Quellen
Fallvorstellung: Symptome einer 28-Jährigen
Eine 28-jährige Frau wurde mit einer seit 3,5 Jahren fortschreitenden respiratorischen Insuffizienz auf die Intensivstation verlegt. Ihre gesundheitlichen Probleme begannen mit plötzlicher Atemnot nach vierwöchigem produktivem Husten. Obwohl sie in ihrer Jugend belastungsinduziertes Asthma hatte und kurzzeitig Albuterol inhalierte, stellten die aktuellen Symptome einen deutlich ernsteren Zustand dar.
Die Erstuntersuchung in der Notaufnahme ergab Giemen, und das Röntgenbild zeigte peribronchiale Verdickungen. Sie wurde mit oralem Prednison sowie inhaliertem Fluticason und Albuterol behandelt. Trotzdem verschlechterte sich ihre Atemnot in den folgenden Jahren kontinuierlich, bis schließlich eine intensivmedizinische Betreuung nötig war.
Krankengeschichte und erste Befunde
Einen Monat nach dem ersten Notaufnahmebesuch zeigten Lungenfunktionstests normale Spirometrie- und Lungenvolumenwerte, aber eine stark verminderte Kohlenmonoxid-Diffusionskapazität (DLCO) – ein Test, der misst, wie gut Sauerstoff von der Lunge ins Blut gelangt. Dieses Muster deutet oft auf Gefäßprobleme in der Lunge hin, nicht auf die Atemwege selbst.
Zwei Monate später berichtete die Patientin über zunehmende Belastungsatemnot. Laborwerte zeigten:
- Leukozyten: 9.150/µl (Norm: 4.000–10.800)
- Eosinophile: 897/µl (Norm: <680)
- IgE: 501 IE/ml (Norm: <114)
Weitere Tests schlossen häufige allergische und parasitäre Ursachen aus, obwohl Allergietests Reaktionen auf Eiche, Hausstaubmilben sowie Hunde- und Katzenhaare ergaben. Eine native Thorax-CT zeigte diffuse, zentrilobuläre Milchglastrübungen in beiden Lungen mit leichter Vergrößerung mediastinaler Lymphknoten. Diese Befunde ließen eine exogen-allergische Alveolitis vermuten; die Ärzte empfahlen eine Lungenbiopsie und einen Prednison-Versuch, den die Patientin jedoch ablehnte.
Diagnostische Tests und Bildgebung
Zwei Jahre später suchte die Patientin aufgrund zunehmender Belastungsdyspnoe und Schwindel einen Kardiologen auf. Die Echokardiographie zeigte eine normale linksventrikuläre Funktion, aber:
- Leichte rechtsventrikuläre Dilatation
- Rechtsventrikulärer systolischer Druck: 37 mm Hg (Norm: <29)
- Hinweise auf minimalen Rechts-links-Interatrial-Shunt
Elf Monate später kehrte sie mit schwereren Symptomen zu ihrem Pneumologen zurück. Ihre Vitalzeichen:
- Herzfrequenz: 115/min
- Blutdruck: 88/61 mm Hg
- Sauerstoffsättigung: 91% in Ruhe, Abfall auf 86% nach 30 m Gehen
Weitere Tests ergaben einen D-Dimer-Spiegel von 455 mg/dl (Norm: <230), was auf Gerinnungsprobleme hindeuten kann. Die Eosinophilenzahl war auf 210/µl gesunken. Andere Tests, einschließlich HIV und SARS-CoV-2, waren negativ.
Die kontrastmittelgestützte Thorax-CT zeigte keine Lungenembolien, aber zahlreiche Milchglastrübungen, konfluente hiläre und mediastinale Lymphadenopathie sowie einen kleinen Perikarderguss.
Behandlungsherausforderungen und Verlauf
Der Patientin wurde Sauerstoff für den ambulanten Gebrauch verordnet, und eine Lungenbiopsie wurde geplant. Zwei Wochen später kam sie jedoch mit progredienten Beinödemen und schwerer Belastungsdyspnoe zurück. Ihr Zustand hatte sich deutlich verschlechtert:
- Herzfrequenz: 110/min
- Blutdruck: 96/73 mm Hg
- Sauerstoffsättigung: 94% unter 3 l/min Sauerstoff
- Gewicht: 73,4 kg mit ausgeprägten Beinödemen
- NT-proBNP: 3.640 pg/ml (Norm: <125)
Sie wurde verlegt, wo die Echokardiographie einen kleinen linken Ventrikel mit normaler Funktion, einen deutlich dilatierten und hypokinetischen rechten Ventrikel sowie eine interventrikuläre Septumkompression zeigte. Der rechtsventrikuläre systolische Druck wurde auf 91 mm Hg geschätzt (Norm: 15–28).
Die Rechtsherzkatheteruntersuchung ergab kritische Werte:
- Rechtsatrialer Druck: 14 mm Hg (Norm: <7)
- Pulmonalarterieller Druck: 99/56 mm Hg
- Mittlerer pulmonalarterieller Druck: 71 mm Hg (Norm: <20)
- Pulmonalkapillärverschlussdruck: 12 mm Hg (Norm: <15)
- Herzindex: 1,1 l/min (Norm: 2,8–4,2)
Diese Drücke besserten sich nicht unter inhalativem Stickstoffmonoxid, was auf eine fixierte pulmonale Hypertonie hindeutete.
Die Patientin erhielt intravenöses Epoprostenol, einen Vasodilatator für pulmonale Hypertonie. Statt Besserung verschlechterte sich ihr Zustand jedoch dramatisch – sie entwickelte bei jeder Aktivität zunehmende Dyspnoe, die hohe Sauerstoffgaben erforderte (90% Sättigung unter Non-Rebreather-Maske mit 15 l/min). Sie berichtete auch über Kiefer- und Kopfschmerzen, bekannte Nebenwirkungen der Medikation.
Differentialdiagnose: Mögliche Erkrankungen
Das Team erwog mehrere Ursachen für die schwere pulmonale Hypertonie:
Linksherzerkrankung: Häufigste Ursache, aber ausgeschlossen durch normale linksventrikuläre Funktion und normalen pulmonalkapillären Verschlussdruck.
Chronische Lungenerkrankung: Vorgeschichte mit Asthma und CT-Befunde, die auf eine exogen-allergische Alveolitis hindeuteten, aber der aggressive Verlauf war untypisch.
Chronisch thromboembolische pulmonale Hypertonie: CT-Angiographie und Szintigraphie zeigten keine Hinweise auf Embolien oder Perfusionsdefekte.
Pulmonalarterielle Hypertonie (PAH): Mehrere Subtypen wurden erwogen:
- Schistosomiasis-assoziierte PAH: Reise in Endemiegebiete, aber zu rascher Verlauf und negative Tests
- HIV-assoziierte PAH: HIV-Tests negativ
- Autoimmun-assoziierte PAH: Keine klinischen Merkmale, Antikörpertests negativ
- Idiopathische PAH: Unwahrscheinlich aufgrund von Lymphknotenvergrößerungen und Gefäßverjüngung
Pulmonale veno-okklusive Erkrankung (PVOD) und pulmonale kapilläre Hämangiomatose (PCH): Klinik, Bildgebung und Verschlechterung unter Epoprostenol sprachen stark für diese Diagnose.
Enddiagnose und klinische Bedeutung
Das Team diagnostizierte eine pulmonale veno-okklusive Erkrankung (PVOD) mit pulmonaler kapillärer Hämangiomatose (PCH). Beide werden heute als Teil desselben Spektrums betrachtet.
Diese Diagnose erklärte mehrere Schlüsselmerkmale:
- Die rasche Progression über 3,5 Jahre
- Bildgebende Befunde mit Milchglastrübungen, Septumverdickungen und Lymphknotenvergrößerungen
- Stark verminderte DLCO
- Dramatische Verschlechterung unter Epoprostenol
Bei PVOD/PCH führt die Obstruktion in kleinen Venen und Kapillaren dazu, dass bei Gefäßerweiterung mehr Blut in die obstruierten Bereiche fließt, aber nicht abfließen kann. Dies erzeugt einen Stau-Effekt, der den Kapillardruck erhöht und Flüssigkeit in die Lungen austreten lässt – was die Verschlechterung unter der Therapie erklärt.
Klinisches Ergebnis und Therapie
Eine Woche nach der Aufnahme wurde die Patientin für eine Lungentransplantation gelistet. Trotz anfänglicher Stabilisierung entwickelte sie einen zunehmenden kardiogenen Schock und benötigte venoarterielle ECMO.
Vier Tage nach ECMO-Beginn erhielt sie eine Lungentransplantation. Dies ist typischerweise die einzige wirksame Behandlung für PVOD/PCH, da Medikamente allein die strukturellen Gefäßveränderungen nicht umkehren können.
Was Patientinnen und Patienten wissen sollten
Dieser Fall veranschaulicht wichtige Punkte für Patienten mit respiratorischen Symptomen:
Frühzeitige spezialisierte Abklärung: Normale Spirometrie bei stark verminderter Diffusionskapazität sollte Anlass für eine Gefäßdiagnostik geben.
Seltene Erkrankungen erfordern Expertise: PVOD/PCH ist sehr selten (ca. 1:10 Mio.) und erfordert Behandlung in erfahrenen Zentren.
Therapieansprechen als Diagnosehilfe: Paradoxe Verschlechterung unter Vasodilatatoren ist klassisch für PVOD/PCH.
Zeitnahe Transplantations-Evaluation: Wegen rascher Progression und begrenzter medikamentöser Optionen ist frühe Überweisung kritisch.
Patienten mit ungeklärter, progredienter Atemnot, besonders bei verminderter DLCO, sollten pneumologisch untersucht werden, um seltene Diagnosen wie PVOD/PCH zu erwägen.
Quellen
Originaltitel: Fall 23-2025: Eine 28-jährige Frau mit respiratorischer Insuffizienz und auffälliger Thoraxbildgebung
Autoren: William J. Janssen, MD, Zachary Hartley-Blossom, MD, Noah C. Schoenberg, MD, Mark F. Sabbagh, MD, PhD
Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 14. August 2025; 393:700-10
DOI: 10.1056/NEJMcpc2309348
Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf begutachteter Forschung aus der Serie „Case Records of the Massachusetts General Hospital“.