Vorhofflimmern bei älteren Patienten: Abwägung zwischen Thrombose- und Blutungsrisiko. 7

Vorhofflimmern bei älteren Patienten: Abwägung zwischen Thrombose- und Blutungsrisiko. 7

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Dr. Pier Mannucci, MD, ein führender Experte für Thrombose und Hämostase, erläutert die kritische Balance zwischen Schlaganfallprävention und Blutungsrisiko bei älteren Patienten mit Vorhofflimmern. Er betont, dass das Schlaganfallrisiko das Blutungsrisiko deutlich überwiegt – selbst bei Patienten über 90 Jahren. Dr. Mannucci plädiert für den Einsatz direkter oraler Antikoagulanzien anstelle von Acetylsalicylsäure. Zudem erläutert er Strategien für eine sicherere Antikoagulation im Alter, darunter Dosisanpassungen und engmaschigere Überwachung.

Behandlung von Vorhofflimmern bei älteren Patienten: Abwägung zwischen Schlaganfall- und Blutungsrisiko

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Vorhofflimmern bei älteren Patienten: Eine zunehmende Prävalenz

Die Häufigkeit von Vorhofflimmern nimmt mit dem Alter deutlich zu. Dr. Pier Mannucci, MD, weist darauf hin, dass erstaunliche 70 % aller Patienten mit dieser häufigen Herzrhythmusstörung zwischen 65 und 85 Jahre alt sind. Besonders betroffen ist die älteste Bevölkerungsgruppe: Ab 80 Jahren leidet etwa jeder Zehnte an Vorhofflimmern.

Diese hohe Verbreitung stellt ein zentrales klinisches Problem dar, das durch die alternde Bevölkerung in Industrieländern weiter zunimmt. Das Gespräch zwischen Dr. Anton Titov, MD, und Dr. Pier Mannucci, MD, unterstreicht, dass die Behandlung dieser Erkrankung in einer älter werdenden Gesellschaft zu einer immer dringlicheren Herausforderung für das Gesundheitswesen wird.

Antikoagulation: Eine unverzichtbare Therapie zur Schlaganfallprävention

Dr. Pier Mannucci, MD, vertritt eine klare Position: Eine Antikoagulation ist für die meisten älteren Patienten mit Vorhofflimmern unerlässlich. Grund hierfür ist das deutlich erhöhte Risiko für Schlaganfälle und systemische Thromboembolien, das mit der Erkrankung einhergeht.

Er vergleicht das klinische Dilemma mit der Wahl „zwischen Skylla und Charybdis“ – also der Gefahr, zwischen zwei Risiken gefangen zu sein. Seiner Überzeugung nach überwiegt jedoch das Risiko eines schweren Schlaganfalls das einer größeren Blutung bei Weitem. Daher müssen Ärzte und Patienten das Blutungsrisiko in Kauf nehmen, um den größeren Nutzen der Schlaganfallprävention zu erreichen.

Die Unwirksamkeit von Aspirin zur Schlaganfallprävention

Ein zentraler Aspekt, den Dr. Pier Mannucci, MD, betont, ist die mangelnde Wirksamkeit von Aspirin zum Schutz älterer Vorhofflimmer-Patienten vor Schlaganfällen. Er beobachtet mit Sorge, dass manche Ärzte aus Angst vor Komplikationen bei Hochbetagten auf eine angemessene Antikoagulation verzichten und stattdessen Aspirin verordnen.

Dieser vermeintlich sicherere Ansatz bietet jedoch keinen ausreichenden Schutz vor thromboembolischen Ereignissen. Nach Dr. Mannuccis Analyse ist Aspirin kein geeigneter Ersatz für eine wirksame Antikoagulationstherapie in dieser Risikogruppe – eine entscheidende Erkenntnis aus seinem Gespräch mit Dr. Anton Titov, MD.

Strategien zum Management des Blutungsrisikos bei älteren Patienten

Obwohl Dr. Pier Mannucci, MD, die Antikoagulation befürwortet, räumt er ein, dass das Blutungsrisiko bei Patienten über 80 tatsächlich höher ist als bei Jüngeren. Dies betrifft insbesondere Hirn- und gastrointestinale Blutungen.

Er skizziert praktische Ansätze zur Risikominimierung. Dazu gehört der besonders sorgfältige Einsatz von Antikoagulanzien. Häufig werden bei älteren Patienten niedrigere Dosierungen direkter oraler Antikoagulantien (DOAKs) verordnet. Zudem betont er die Notwendigkeit einer engmaschigen Überwachung dieser vulnerablen Patientengruppe, um Sicherheit und Wirksamkeit der Therapie zu gewährleisten.

Vorteile direkter oraler Antikoagulantien für ältere Patienten

Dr. Pier Mannucci, MD, hebt die besonderen Vorteile direkter oraler Antikoagulantien (DOAKs) für ältere Patienten hervor. Paradoxerweise nehme im sehr hohen Alter das Risiko eines verheerenden Schlaganfalls sogar stärker zu als das Blutungsrisiko, was DOAKs besonders sinnvoll mache.

Er verweist auf erhebliche praktische Vorteile, die Lebensqualität und Therapietreue der Patienten verbessern. Für einen 80-Jährigen können häufige Fahrten zur Gerinnungssprechstunde zur Kontrolle belastend sein. DOAKs machen regelmäßige Laborkontrollen (INR-Tests) überflüssig und vereinfachen so die Behandlung. Diese Benutzerfreundlichkeit führt zu einer deutlich höheren Therapietreue und gewährleistet einen kontinuierlichen Schutz vor Schlaganfällen.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: Die Häufigkeit von Vorhofflimmern steigt also mit dem Alter. 70 % der Patienten mit Vorhofflimmern sind zwischen 65 und 85 Jahre alt. Diese Patienten haben ein erhöhtes Risiko für Blutgerinnsel und Thromboembolien. Gleichzeitig ist bei älteren Patienten mit Vorhofflimmern aber auch das Blutungsrisiko als Komplikation der Antikoagulation höher.

Wie wägen Sie diese Risiken richtig ab? Wie wählen Sie Medikamente und Schemata zur Thromboseprophylaxe für ältere Patienten mit Vorhofflimmern aus?

Dr. Pier Mannucci, MD: Wie Sie erwähnt haben, leidet etwa jeder Zehnte ab 80 Jahren oder älter an Vorhofflimmern, wenn nicht sogar mehr. Vorhofflimmern ist auch bei jüngeren und älteren Erwachsenen ein großes und wachsendes Problem, vermutlich aufgrund der alternden Bevölkerung, zumindest in Industrieländern.

Wie Sie sagten, bewegen wir uns hier zwischen Skylla und Charybdis, wie ich in einem meiner Artikel schrieb. Ich bin der Ansicht, dass eine Antikoagulation bei Patienten mit Vorhofflimmern unverzichtbar ist. Der Grund ist, dass das Schlaganfallrisiko deutlich höher ist als das Blutungsrisiko. Daher muss man das Blutungsrisiko in Kauf nehmen.

Ich sehe mit Sorge, dass manche Ärzte aus Angst, besonders bei Hochbetagten, auf eine angemessene Antikoagulation verzichten und stattdessen Aspirin verordnen. Aspirin bietet jedoch keinen ausreichenden Schutz vor Schlaganfällen und Thromboembolien.

Daher sollte man meiner Meinung nach das Blutungsrisiko akzeptieren und Antikoagulanzien einsetzen. Natürlich müssen andere Faktoren berücksichtigt werden. Das Blutungsrisiko – insbesondere für Hirn- und gastrointestinale Blutungen – ist bei jüngeren Patienten mit tiefer Venenthrombose oder Vorhofflimmern geringer als bei Patienten über 80.

Dennoch muss man dieses Risiko eingehen. Das gilt sogar für Patienten über 90. Selbstverständlich setzt man Antikoagulanzien mit größter Sorgfalt ein. Üblicherweise verwenden wir niedrigere Dosierungen direkter oraler Antikoagulantien (DOAKs).

Und natürlich überwachen wir diese Patienten sehr eng. Aber ich würde sagen: Paradoxerweise ist in diesem hohen Alter das Schlaganfallrisiko höher als das Blutungsrisiko. Daher lohnt es sich, Antikoagulanzien – und besonders DOAKs – bei Vorhofflimmern einzusetzen.

Aus den genannten Gründen kann für einen 80-jährigen Patienten der Gang zur Gerinnungssprechstunde problematisch sein. Die Therapietreue ist unter DOAKs, die oral eingenommen werden, deutlich höher, da keine regelmäßigen Laborkontrollen nötig sind.