Optimiertes synthetisches Curosurf-Präparat zur Rettung der Lungenfunktion bei Frühgeborenen.

Optimiertes synthetisches Curosurf-Präparat zur Rettung der Lungenfunktion bei Frühgeborenen.

Can we help?

Dr. Tore Curstedt, MD, führender Experte für das neonatale Atemnotsyndrom und die Surfactant-Therapie, erläutert die Entwicklung eines neuartigen synthetischen Lungen-Surfactants. Das Präparat wurde entwickelt, um die Einschränkungen tierischer Produkte zu überwinden, und bietet eine skalierbare Lösung für Frühgeborene sowie potenziell für Erwachsene mit Lungenerkrankungen. Derzeit laufen klinische Studien in Europa.

Fortschritte in der synthetischen Lungen-Surfactant-Therapie bei Atemnotsyndrom

Direkt zum Abschnitt

Einschränkungen tierischer Surfactants

Bisherige Surfactant-Medikamente zur Behandlung des neonatalen Atemnotsyndroms (Respiratory Distress Syndrome, RDS) stehen vor erheblichen Produktionsproblemen. Wie Dr. Tore Curstedt, MD, erklärt, benötigen tierische Surfactants enorme biologische Ressourcen. Ein einziges Schwein liefert nur genug Material für zwei oder drei Fläschchen Surfactant – ausreichend für lediglich zwei oder drei Frühgeborene.

Diese gravierende Einschränkung macht es unmöglich, die Produktion so hochzufahren, dass sie die weltweite Nachfrage decken könnte. Zudem stellt die Abhängigkeit von tierischen Quellen ein grundsätzliches Hindernis für die Behandlung erwachsener Patienten mit Lungenerkrankungen dar, die deutlich höhere Dosen benötigen würden. Dieser Produktionsengpass hat die jahrzehntelange Suche nach einer synthetischen Alternative vorangetrieben.

Herausforderungen der synthetischen Replikation

Forscher kannten bereits Ende der 1990er Jahre die genaue biochemische Zusammensetzung des natürlichen Lungen-Surfactants. Sowohl die Phospholipidstruktur als auch die Aminosäuresequenzen der Schlüsselproteine SP-B und SP-C waren bekannt. Dieses Wissen nährte zunächst die Hoffnung, ein vollständig synthetisches Surfactant rasch entwickeln zu können.

Dr. Tore Curstedt, MD, beschreibt das Kernproblem, das dabei auftrat: Zwar war es möglich, rekombinante Peptide mit der korrekten Sequenz herzustellen, doch gelang es nicht, deren präzise dreidimensionale Struktur nachzubilden. So muss beispielsweise das SP-C-Protein eine spezifische Alpha-Helix-Struktur aufweisen, um funktionstüchtig zu sein. Frühe synthetische Versionen erreichten diese entscheidende strukturelle Integrität nicht und blieben daher wirkungslos.

Entwicklung wirksamer Peptidanaloga

Angesichts des Strukturproblems änderten Dr. Tore Curstedt, MD, und sein Team ihre Strategie: Statt die natürlichen Proteine exakt zu kopieren, begannen sie, synthetische Analoga zu entwerfen und zu testen. Dabei handelt es sich um Peptidmoleküle, die so konstruiert sind, dass sie die funktionellen Schlüsseleigenschaften von SP-B und SP-C nachahmen.

Diese Forschungsarbeit erstreckte sich über mehr als zwanzig Jahre und umfasste die Entwicklung zahlreicher Analoga-Kandidaten. Wie Dr. Curstedt bestätigt, hat dieser lange Prozess nun zum Erfolg geführt: Das Team identifizierte zwei hochwirksame Peptidanaloga, die die lebenswichtigen oberflächenaktiven Eigenschaften des natürlichen Surfactants zuverlässig reproduzieren.

Präklinische Tests und Sicherheitsstudien

Das neuartige synthetische Surfactant – eine Kombination der neuen Peptidanaloga mit Phospholipiden – wurde einer strengen präklinischen Prüfung unterzogen. Seine Wirksamkeit zeigte sich zunächst in etablierten Kaninchenmodellen des Atemnotsyndroms. Diese Tierversuche sind ein entscheidender Schritt, da sie belegen, dass die synthetische Formulierung die Lungencompliance und Oxygenierung wirksam verbessern kann.

Nach den erfolgreichen Tierversuchen wurde die Sicherheit der synthetischen Medikation in Studien mit menschlichen Freiwilligen untersucht. Dr. Tore Curstedt, MD, weist darauf hin, dass diese ersten Sicherheitsstudien in drei europäischen Ländern durchgeführt wurden: Tschechische Republik, Deutschland und England. Die positiven Ergebnisse bildeten die notwendige Grundlage, um zu formalen klinischen Studien überzugehen.

Laufende klinische Studien in Europa

Das Entwicklungsprogramm hat nun seine kritischste Phase erreicht. Dr. Tore Curstedt, MD, berichtet, dass vor wenigen Monaten eine klinische Studie mit dem synthetischen Surfactant begonnen hat. In dieser Phase werden Sicherheit und Wirksamkeit der Medikation bei Frühgeborenen mit RDS bewertet und direkt mit etablierten tierischen Surfactants wie Curosurf verglichen.

Die Studie wird an mehreren klinischen Standorten in Europa durchgeführt. Dies markiert einen entscheidenden Moment in der Neonatologie, der potenziell die erste große Alternative zur tierbasierten Surfactant-Therapie seit Jahrzehnten einläutet. Ein Erfolg dieser Studie könnte die Behandlungslandschaft für Frühgeborene weltweit revolutionieren.

Zukünftiges Potenzial bei Erwachsenen-Lungenerkrankungen

Die Bedeutung eines erfolgreichen synthetischen Surfactants reicht weit über die Neonatologie hinaus. Wie Dr. Anton Titov, MD, im Interview betont, liegt der größte Vorteil in der Skalierbarkeit der synthetischen Produktion. Anders als bei der begrenzten Verfügbarkeit tierischer Quellen lässt sich eine synthetische Medikation in großen, konsistenten Chargen herstellen.

Diese Skalierbarkeit eröffnet die Möglichkeit, Lungenerkrankungen bei Erwachsenen zu behandeln. Krankheiten wie das akute Atemnotsyndrom (Acute Respiratory Distress Syndrome, ARDS), Pneumonie und andere Formen von Lungenschäden könnten potenziell von einer Surfactant-Therapie profitieren. Die Arbeit von Dr. Tore Curstedt, MD, hat daher das Potenzial, die Intensivmedizin breit zu beeinflussen und einen neuen Therapieansatz für Patienten aller Altersgruppen zu eröffnen.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: Sie haben Ihr Leben der Behandlung und Rettung von Frühgeborenen gewidmet, die ohne die von Ihnen mitentwickelte Medikation sterben würden. Doch Sie sind nach wie vor sehr aktiv in der Forschung und entwickeln derzeit eine synthetische Medikation.

Können Sie uns mehr über diese synthetische Medikation erzählen, die Sie entwickeln und die angeblich viel einfacher hochskaliert werden kann? Weil Sie kein tierisches Material mehr verwenden müssen.

Schließlich kann ein Schwein – sie sind nicht groß – nur zwei oder drei Fläschchen Surfactant liefern. Damit lassen sich gerade mal zwei oder drei Babys behandeln, nicht mehr. Man braucht eine enorme Anzahl von Schweinen. Eine Hochskalierung ist kaum möglich. Erwachsene mit Lungenerkrankungen lassen sich so nicht behandeln.

Dr. Tore Curstedt, MD: Bereits Ende der 90er Jahre kannten wir die genaue Zusammensetzung des Surfactants. Die Phospholipidzusammensetzung. Die Sequenz der Peptide. Wir dachten damals, Ende der 90er, Anfang der 2000er Jahre ein synthetisches Surfactant zu haben.

Doch wir stießen auf ein Problem, als wir rekombinante Peptide herstellten. Bei den Proteinen SP-B und SP-C war es kein Problem, die richtige Sequenz zu erhalten. Aber SP-C zum Beispiel ist eine Alpha-Helix. Als wir ein rekombinantes SP-C herstellten, bildete es jedoch keine Alpha-Helix aus. Das war das Problem. Die Struktur, die dreidimensionale Struktur.

Also mussten wir damit beginnen, Analoga zu entwickeln. In den letzten 20 Jahren haben wir viele verschiedene Analoga getestet. Jetzt haben wir zwei sehr gute Analoga. Wir haben diese mit Phospholipiden kombiniert und in unseren Kaninchenmodellen getestet.

Außerdem wurden Sicherheitsstudien in drei Ländern durchgeführt: in der Tschechischen Republik, in Deutschland und England. Es funktioniert sehr gut. Vor ein paar Monaten begann eine klinische Studie, die nun in Europa startet.