Dr. Marc Lippman, ein führender Experte für Brustkrebsprävention, erläutert die Wahl zwischen Tamoxifen und Aromatasehemmern wie Anastrozol. Er geht detailliert auf die spezifischen Anwendungsgebiete beider Medikamente ein, die vom Menopausenstatus abhängen. Dr. Lippman diskutiert die Nutzen-Risiko-Profile, einschließlich Nebenwirkungen wie Thrombosen und Endometriumkarzinom, und betont den erheblichen langfristigen Schutz vor Brustkrebs, den diese Therapien bieten. Das Interview beleuchtet zudem, warum diese wirksamen Chemopräventionsmittel trotz nachgewiesener Effektivität zu selten zum Einsatz kommen.
Brustkrebsprävention: Tamoxifen und Aromatasehemmer im Vergleich
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- Tamoxifen vs Anastrozol im Überblick
- Menopausenstatus und Therapieauswahl
- Nebenwirkungen und Risiken von Tamoxifen
- Risiko-Nutzen-Analyse für Patientinnen
- Langzeitschutz und Anwendung
- Vollständiges Transkript
Tamoxifen vs Anastrozol im Überblick
Dr. Marc Lippman, MD, vergleicht Tamoxifen und Aromatasehemmer wie Anastrozol zur Chemoprävention von Brustkrebs. Tamoxifen ist das bekanntere Medikament und wird seit Jahrzehnten eingesetzt. Aromatasehemmer bieten einen moderneren Ansatz zur Senkung des Brustkrebsrisikos bei geeigneten Patientengruppen.
Dr. Anton Titov, MD, erörtert mit Dr. Lippman die jeweilige Rolle dieser Behandlungsoptionen in der klinischen Praxis. Die Wahl zwischen den Medikamenten hängt stark von patientenspezifischen Faktoren und dem Menopausenstatus ab.
Menopausenstatus und Therapieauswahl
Der Menopausenstatus ist entscheidend für die Wahl der Brustkrebsprävention. Dr. Marc Lippman, MD, erklärt, dass Aromatasehemmer bei prämenopausalen Frauen nicht eingesetzt werden können, da ihre Eierstöcke noch funktionieren. Sinkt der Östrogenspiegel durch einen Aromatasehemmer, steigen die Gonadotropine an und regen die Eierstöcke zur vermehrten Östrogenproduktion an – die Blockade wird so umgangen.
Dieser Mechanismus wirkt nur bei postmenopausalen Frauen, deren Eierstöcke nicht mehr aktiv sind. Zwar ist prämenopausaler Brustkrebs tragisch, doch die überwiegende Mehrheit der Fälle tritt nach der Menopause auf, mit einem medianen Diagnosealter von 56 Jahren.
Nebenwirkungen und Risiken von Tamoxifen
Dr. Marc Lippman, MD, geht auf das Nebenwirkungsprofil von Tamoxifen ein, das sowohl Patientinnen als auch Ärzte beunruhigt. Das Medikament birgt ein Risiko für Thrombosen und gelegentlich Lungenembolien – schwerwiegende Nebenwirkungen, die eine sorgfältige Abwägung erfordern. Durch gezieltes Screening können Risikopatientinnen mit Thrombosegeschichte, Adipositas oder Immobilität identifiziert werden, was eine sicherere Anwendung ermöglicht.
Zusätzlich entwickelt etwa eine von 150 Frauen, die Tamoxifen über fünf Jahre einnehmen, ein niedriggradiges Endometriumkarzinom. Dr. Lippman betont, dass dieser Krebs typischerweise durch Hysterektomie gut behandelbar ist, das Risiko bei Chemopräventions-Kandidatinnen jedoch verständlicherweise Besorgnis auslöst.
Risiko-Nutzen-Analyse für Patientinnen
Dr. Marc Lippman, MD, liefert wichtigen Kontext zum Risiko-Nutzen-Verhältnis der Brustkrebschemoprävention. Tamoxifen senkt das Risiko für tödlichen Brustkrebs um 50% – gegenüber dem geringeren Risiko für Endometriumkarzinom. Diese Abwägung spricht für eine Behandlung bei den meisten geeigneten Patientinnen, obwohl Dr. Lippman einräumt, dass viele mit statistischen Überlegungen Schwierigkeiten haben.
Dr. Anton Titov, MD, diskutiert mit Dr. Lippman den logischen Ansatz, bis zur Postmenopause zu warten, um wirksamere Aromatasehemmer einzusetzen. Diese Strategie würde die meisten Brustkrebsfälle verhindern und gleichzeitig die spezifischen Risiken von Tamoxifen bei prämenopausalen Frauen vermeiden.
Langzeitschutz und Anwendung
Laut Dr. Marc Lippman, MD, zeigt die Schutzwirkung von Tamoxifen eine bemerkenswerte Langlebigkeit. Zwei große klinische Studien mit über 10.000 Patientinnen belegten die Wirksamkeit von Tamoxifen zur Chemoprävention. Der Schutz durch nur fünf Jahre Einnahme hält viele Jahre an und bietet eine anhaltende Risikoreduktion.
Trotz dieser nachgewiesenen Wirksamkeit werden Aromatasehemmer laut Dr. Lippman nicht weit verbreitet zur Brustkrebsprävention eingesetzt. Das ist bedauerlich, da Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung bei Frauen bleibt. Selbst nicht-invasiver Brustkrebs verursacht erhebliche Morbidität, was wirksame Präventionsstrategien äußerst wichtig macht.
Vollständiges Transkript
Dr. Anton Titov, MD: Tamoxifen ist bekannter als Aromatasehemmer wie Anastrozol. Ist Anastrozol ein moderneres Medikament zur Chemoprävention von Brustkrebs? Wie sollte die Abwägung erfolgen?
Dr. Marc Lippman, MD: Zunächst können Aromatasehemmer bei prämenopausalen Frauen nicht eingesetzt werden. Aber die überwiegende Mehrheit der Brustkrebsfälle tritt bei postmenopausalen Frauen auf, das ist also kein großes Problem.
Man kann Aromatasehemmer bei prämenopausalen Frauen nicht anwenden, weil funktionierende Eierstöcke vorhanden sind. Wenn man den Östrogenspiegel mit einem Aromatasehemmer senkt, steigen die Gonadotropine an. Dann stimuliert man ein funktionelles Ovar, und man produziert mehr Östrogen – also überwindet man die Blockade.
Das funktioniert bei einer postmenopausalen Frau nicht, weil ihre Eierstöcke nicht mehr arbeiten. Ihre ansteigenden Gonadotropine erhöhen also nicht die Östrogenkonzentrationen. Aromatasehemmer werden primär bei postmenopausalen Frauen eingesetzt.
Nun hat Tamoxifen selten einige bedenkliche Toxizitäten – Thrombosen und gelegentlich Lungenembolien. Das ist eine schwerwiegende Nebenwirkung, keine Frage.
Aber wenn man Patientinnen screenet, um jene zu finden, die vorangegangene Thrombosen hatten, die immobil sind, die Adipositas haben, kann man Tamoxifen relativ sicher einsetzen.
Eine von 150 Frauen, die Tamoxifen über fünf Jahre einnehmen, entwickelt ein niedriggradiges Endometriumkarzinom, das durch Hysterektomie gut behandelbar ist. Wenn man eine normale Person ohne jegliche Risiken ist und jemand sagt, ein Medikament könnte Endometriumkrebs verursachen, möchte man vielleicht nichts damit zu tun haben.
Aber natürlich gibt es hier ein Risiko-Nutzen-Verhältnis. Wenn man das Risiko einer tödlichen Erkrankung – Brustkrebs – um 50% senken kann, trägt man das halbe Risiko für Endometriumkarzinom. Offensichtlich würde man, wenn man die Wahrscheinlichkeiten abwägt, hier so handeln.
Aber die meisten Menschen wägen solche Wahrscheinlichkeiten nicht korrekt ab. Sie haben einfach Angst und unternehmen nichts.
Für postmenopausale Frauen geht es also derzeit um Tamoxifen versus Anastrozol. Für prämenopausale Frauen wirkt Tamoxifen als Chemopräventionsmittel, was in zwei großen Studien mit, wie gesagt, über 10.000 Patientinnen bewiesen wurde.
Das Brustkrebsrisiko bei Frauen unter 50 Jahren ist viel niedriger als wir denken. Tragischerweise handelt es sich um prämenopausalen Brustkrebs. Das mediane Alter bei Brustkrebsdiagnose beträgt 56 Jahre; die meisten Patientinnen sind postmenopausal.
Aber es gibt bemerkenswerte Vorteile in diesen Präventionsstudien, die über viele Jahre nachverfolgt wurden. Fünf Jahre Tamoxifen-Einnahme bieten in vielen Fällen anhaltenden Schutz, könnte man sagen.
Warum warten wir nicht, bis Frauen postmenopausal sind, und geben ihnen dann einen Aromatasehemmer, der wirksamer ist? So würde man die meisten Brustkrebsfälle verhindern. Das erscheint mir auch sinnvoll; ich würde hier mit halbem Ziel zufrieden sein.
Diese Aromatasehemmer werden einfach nicht weit verbreitet zur Brustkrebsprävention eingesetzt. Und das ist sehr bedauerlich, weil Brustkrebs nach wie vor mit Abstand die häufigste Krebserkrankung bei Frauen ist und selbst die mit nicht-invasivem Brustkrebs verbundenen Morbiditäten erheblich sind.