Diese wegweisende genetische Studie analysierte über 113.000 Frauen, um Gene zu identifizieren, die das Brustkrebsrisiko tatsächlich erhöhen. Die Forschenden fanden eindeutige Belege dafür, dass proteinverkürzende Varianten in neun Genen (ATM, BRCA1, BRCA2, CHEK2, PALB2, BARD1, RAD51C, RAD51D und TP53) das Brustkrebsrisiko signifikant steigern, mit Odds Ratios zwischen 1,80 und 10,57. Die Studie liefert präzise Risikoschätzungen für verschiedene Brustkrebs-Subtypen und zeigt, dass die Risiken für mehrere Schlüsselgene mit dem Alter abnehmen. Diese Ergebnisse helfen zu bestimmen, welche Gene in klinische genetische Test-Panels aufgenommen werden sollten, und liefern entscheidende Daten für die genetische Beratung.
Umfassender Leitfaden zu Brustkrebs-Risikogenen: Was uns 113.000 Frauen gelehrt haben
Inhaltsverzeichnis
- Hintergrund: Warum diese Forschung wichtig ist
- Studienmethodik: Wie diese umfangreiche Forschung durchgeführt wurde
- Wesentliche Ergebnisse: Detaillierte Resultate mit allen Zahlen
- Klinische Implikationen: Was dies für Patientinnen bedeutet
- Einschränkungen: Was die Studie nicht beweisen konnte
- Empfehlungen: Handlungsorientierte Ratschläge für Patientinnen
- Quelleninformationen
Hintergrund: Warum diese Forschung wichtig ist
Genetische Tests auf Krebsveranlagung sind heute ein fester Bestandteil der medizinischen Versorgung, besonders für Patientinnen mit starker familiärer Krebsbelastung. Bislang lag der Fokus auf einer begrenzten Anzahl von Genen mit bekannt hohem Krebsrisiko. Dank Fortschritten in der DNA-Sequenzierungstechnologie sind umfangreichere Genpanels heute jedoch erschwinglicher und zugänglicher.
Das Problem: Für viele Gene in diesen kommerziellen Testpanels ist die Evidenz für einen Zusammenhang mit dem Brustkrebsrisiko schwach. Oft fehlen präzise Risikoschätzungen, und zuverlässige Informationen darüber, wie sich diese Risiken bei verschiedenen Brustkrebssubtypen unterscheiden könnten, sind unzureichend. Dies erschwert sowohl Ärztinnen als auch Patientinnen die Interpretation genetischer Testergebnisse und Entscheidungen über Prävention und Früherkennung.
Diese Studie zielte darauf ab, dieses Problem durch die bisher umfassendste Analyse von 34 potenziellen Brustkrebs-Prädispositionsgenen zu lösen. Durch die Auswertung genetischer Daten von über 113.000 Frauen wollten die Forscher ermitteln, welche Gene das Brustkrebsrisiko tatsächlich erhöhen und in welchem Ausmaß, um so dringend benötigte Klarheit für Patientinnen und medizinisches Personal zu schaffen.
Studienmethodik: Wie diese umfangreiche Forschung durchgeführt wurde
Die Forscher analysierten Daten aus 44 verschiedenen Studien des Breast Cancer Association Consortium (BCAC). Die Studie umfasste genetische Informationen von 60.466 Frauen mit Brustkrebs und 53.461 gesunden Kontrollpersonen, was sie zu einer der größten genetischen Studien zu Brustkrebs macht.
Das Forschungsteam untersuchte ein Panel von 34 Genen, die bekanntermaßen oder vermutlich mit dem Brustkrebsrisiko assoziiert sind, einschließlich Genen, die häufig in kommerziellen genetischen Testpanels enthalten sind. Sie führten an allen Proben hochauflösende DNA-Sequenzierungen durch und implementierten rigorose Qualitätskontrollmaßnahmen für genaue Ergebnisse.
Dreißig Studien waren populationsbasiert, das heißt, sie wählten Teilnehmerinnen nicht nach familiärer Vorgeschichte aus, während 14 Studien gezielt Patientinnen mit familiärer Brustkrebsbelastung überrepräsentierten. Dieser Ansatz ermöglichte es den Forschern, sowohl Assoziationen zu erkennen als auch präzise Risikoschätzungen zu erhalten, die für die Allgemeinbevölkerung gelten.
Die statistische Analyse konzentrierte sich auf zwei Haupttypen genetischer Varianten: protein-trunkierende Varianten (die typischerweise die Genfunktion vollständig stören) und seltene Missense-Varianten (die die Genfunktion verändern, aber nicht unbedingt vollständig stören). Die Forscher berechneten Odds Ratios, Konfidenzintervalle und statistische Signifikanzwerte für die Assoziation jedes Gens mit dem Brustkrebsrisiko insgesamt und mit spezifischen Tumorsubtypen.
Wesentliche Ergebnisse: Detaillierte Resultate mit allen Zahlen
Die Studie lieferte umfangreiche Erkenntnisse darüber, welche Gene tatsächlich das Brustkrebsrisiko erhöhen und in welchem Ausmaß. Die Ergebnisse bieten entscheidende Informationen für Patientinnen, die einen Gentest erwägen oder vorhandene Testergebnisse interpretieren.
Eindeutige Hochrisikogene
Die Forscher fanden überwältigende Evidenz, dass protein-trunkierende Varianten in fünf Genen das Brustkrebsrisiko signifikant erhöhen:
- BRCA1: 10,57-fach höheres Risiko (95%-KI: 8,02-13,93, P = 1,1×10⁻⁶²)
- BRCA2: 5,85-fach höheres Risiko (95%-KI: 4,85-7,06, P = 2,2×10⁻⁷⁵)
- PALB2: 5,02-fach höheres Risiko (95%-KI: 3,73-6,76, P = 1,6×10⁻²⁶)
- CHEK2: 2,54-fach höheres Risiko (95%-KI: 2,21-2,91, P = 3,1×10⁻³⁹)
- ATM: 2,10-fach höheres Risiko (95%-KI: 1,71-2,57, P = 9,2×10⁻¹³)
Zusätzliche Risikogene
Vier weitere Gene zeigten signifikante Evidenz für ein erhöhtes Risiko mit Bayes'schen Falschentdeckungswahrscheinlichkeiten unter 0,05:
- BARD1: 2,09-fach höheres Risiko (95%-KI: 1,35-3,23, P = 0,00098)
- RAD51C: 1,93-fach höheres Risiko (95%-KI: 1,20-3,11, P = 0,0070)
- RAD51D: 1,80-fach höheres Risiko (95%-KI: 1,11-2,93, P = 0,018)
- TP53: 3,06-fach höheres Risiko (95%-KI: 0,63-14,91, P = 0,17)
Gene ohne signifikante Risikoassoziation
Bei 19 der verbleibenden 25 Gene lag die Obergrenze des 95%-Konfidenzintervalls der Odds Ratio unter 2,0, was bedeutet, dass sie kein moderates oder hohes Risiko zu verleihen scheinen. Dazu gehören Gene wie ABRAXAS1, AKT1, BRIP1, CDH1 und andere, die trotz fehlender starker Evidenz für eine Brustkrebsrisikoassoziation manchmal in kommerziellen Panels auftauchen.
Subtypspezifische Risiken
Die Studie zeigte wichtige Unterschiede in den Risikomustern für verschiedene Brustkrebssubtypen:
Für ATM und CHEK2 waren die Risiken für Östrogenrezeptor (ER)-positiven Brustkrebs signifikant höher als für ER-negative Erkrankungen. ATM-Varianten zeigten ein 2,33-fach höheres Risiko für ER-positiven Krebs gegenüber einem 1,01-fachen Risiko für ER-negativen Krebs. CHEK2-Varianten zeigten ein 2,67-fach höheres Risiko für ER-positiven Krebs gegenüber einem 1,64-fachen Risiko für ER-negativen Krebs.
Im Gegensatz dazu verliehen Varianten in BARD1, BRCA1, BRCA2, PALB2, RAD51C und RAD51D höhere Risiken für ER-negativen Brustkrebs. Drei dieser Gene (BARD1, BRCA1 und BRCA2) zeigten besonders starke Assoziationen mit triple-negativem Brustkrebs, dem aggressivsten Subtyp.
Altersabhängige Risikoänderungen
Die Forschung ergab, dass die Risiken für sechs Gene mit zunehmendem Alter signifikant abnahmen: BRCA1, BRCA2, CHEK2, PALB2, PTEN und TP53. Dieser wichtige Befund deutet darauf hin, dass das durch diese Gene verliehene Risiko in jüngeren Jahren am höchsten ist und mit zunehmendem Alter der Frauen abnimmt.
Absolute Risikoberechnungen
Durch Kombination der Odds Ratios der Studie mit Bevölkerungsinzidenzdaten berechneten die Forscher absolute Lebenszeitrisiken:
- BRCA1-, BRCA2- und PALB2-Trägerinnen überschritten ein 30%iges Lebenszeitrisiko (Hochrisikoschwelle)
- ATM-, BARD1-, CHEK2-, RAD51C- und RAD51D-Trägerinnen hatten ein 17-30%iges Lebenszeitrisiko (moderater Risikobereich)
Risiken durch Missense-Varianten
Die Studie untersuchte auch seltene Missense-Varianten und fand Evidenz für ein erhöhtes Risiko bei sechs Genen: CHEK2 (1,42-fach), ATM (1,06-fach), TP53 (1,10-fach), BRCA1 (1,11-fach), CDH1 (1,10-fach) und RECQL (1,12-fach). Wichtig ist, dass bei gezielter Betrachtung von Missense-Varianten, die nach klinischen Leitlinien als pathogen klassifiziert sind, Risiken ähnlich denen protein-trunkierender Varianten für BRCA1, BRCA2 und TP53 gefunden wurden.
Klinische Implikationen: Was dies für Patientinnen bedeutet
Diese Forschung liefert entscheidende Leitlinien dafür, welche Gene in klinischen genetischen Testpanels zur Brustkrebsrisikobewertung enthalten sein sollten. Die Ergebnisse helfen, zwischen Genen mit starker Evidenz für Risikoassoziation und solchen ohne überzeugende Evidenz zu unterscheiden.
Für Patientinnen mit Varianten in den neun Genen mit starker Evidenz (ATM, BRCA1, BRCA2, CHEK2, PALB2, BARD1, RAD51C, RAD51D und TP53) bieten diese Ergebnisse präzisere Risikoschätzungen, die Empfehlungen zur Früherkennung und präventive Entscheidungen leiten können. Die subtypspezifischen Risikoinformationen sind besonders wertvoll, da sie Patientinnen helfen zu verstehen, für welche Art von Brustkrebs sie ein Risiko haben könnten.
Das mit dem Alter abnehmende Risiko bei mehreren Genen hat wichtige Implikationen für Früherkennungspläne. Frauen mit Varianten in diesen Genen könnten von intensiverer Früherkennung in jüngeren Jahren profitieren, mit möglicher Anpassung der Screening-Intensität im Alter.
Für Patientinnen, die bereits gentestet wurden und Ergebnisse für Gene erhalten haben, die diese Studie nicht mit einem signifikanten Brustkrebsrisiko assoziiert fand, können diese Ergebnisse Beruhigung bieten und unnötige Ängste oder invasive Präventionsmaßnahmen verhindern.
Einschränkungen: Was die Studie nicht beweisen konnte
Obwohl dies eine außergewöhnlich große und umfassende Studie ist, weist sie einige Einschränkungen auf. Die Forschung konzentrierte sich primär auf protein-trunkierende Varianten und seltene Missense-Varianten, evaluierte aber nicht umfassend alle möglichen Arten genetischer Variationen, die das Brustkrebsrisiko beeinflussen könnten.
Die Studienpopulation bestand überwiegend aus Frauen europäischer und asiatischer Abstammung, daher gelten die Ergebnisse möglicherweise nicht gleichermaßen für Frauen anderer ethnischer Herkunft. Weitere Forschung ist nötig, um zu verstehen, wie sich diese genetischen Risiken über verschiedene Bevölkerungsgruppen unterscheiden könnten.
Obwohl die Studie über 113.000 Frauen umfasste, waren die Zahlen der Trägerinnen für einige der selteneren Gene und Varianten immer noch relativ klein, was zu breiteren Konfidenzintervallen in den Risikoschätzungen führte. Dies trifft insbesondere auf das TP53-Gen zu, wo das Konfidenzintervall recht breit war (0,63-14,91).
Die Forschung konnte auch nicht alle möglichen Gen-Gen-Interaktionen oder die Wechselwirkungen dieser genetischen Risiken mit Umweltfaktoren, Lebensstilentscheidungen oder anderen nicht berücksichtigten genetischen Variationen berücksichtigen.
Empfehlungen: Handlungsorientierte Ratschläge für Patientinnen
Basierend auf diesen Ergebnissen sollten Patientinnen Folgendes über Gentests und Brustkrebsrisiko wissen:
- Bei erwogenem Gentest sicherstellen, dass das Panel die neun Gene mit starker Evidenz (ATM, BRCA1, BRCA2, CHEK2, PALB2, BARD1, RAD51C, RAD51D und TP53) umfasst und Ergebnisse für andere Gene ohne starke Risikoassoziationsevidenz nicht überbewerten.
- Bei Variante in einem Hochrisikogen (BRCA1, BRCA2 oder PALB2) mit der Ärztin über intensivierte Früherkennung ab früherem Alter sprechen und Beratung durch eine genetische Beratungsstelle für Präventionsoptionen erwägen.
- Bei Variante in einem moderaten Risikogen (ATM, BARD1, CHEK2, RAD51C oder RAD51D) mit der behandelnden Ärztin angemessene Screening-Strategien besprechen, die frühere oder häufigere Mammographien oder Brust-MRTs umfassen können.
- Subtypspezifische Risiken verstehen - Varianten in verschiedenen Genen prädisponieren für unterschiedliche Brustkrebsarten, was Screening-Ansätze und Therapieüberlegungen bei Krebsentstehung beeinflussen kann.
- Bedenken, dass das Risiko bei mehreren Genen mit dem Alter abnimmt, was Entscheidungen über Dauer und Intensität von Screening-Regimen beeinflussen kann.
- Bei Varianten in Genen ohne starke Evidenz für Brustkrebsrisikoassoziation vorsichtig mit alleiniger Basis wichtiger medizinischer Entscheidungen auf diesen Ergebnissen sein und diese mit einer genetischen Fachkraft besprechen.
Quelleninformationen
Originalartikeltitel: Breast Cancer Risk Genes — Association Analysis in More than 113,000 Women
Autoren: Breast Cancer Association Consortium
Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 20. Januar 2021
DOI: 10.1056/NEJMoa1913948
Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf einer begutachteten Forschung, die ursprünglich im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Die Informationen wurden umfassend übersetzt, um komplexe genetische Konzepte verständlich zu machen, während alle wissenschaftlichen Details, numerischen Daten und Forschungsergebnisse erhalten bleiben.