Behandlung des Zytokinsturms. Teil 1. Ursachen:  
COVID-19. CAR-T-Zelltherapie.

Behandlung des Zytokinsturms. Teil 1. Ursachen: COVID-19. CAR-T-Zelltherapie.

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Dr. Randy Cron, MD, ein führender Experte für das Zytokinsturmsyndrom, erläutert, wie die COVID-19-Pandemie diese lebensbedrohliche Immunreaktion ins öffentliche Bewusstsein rückte. Er beschreibt die Besonderheiten des COVID-19-Zytokinsturms im Vergleich zu anderen Syndromen und diskutiert wichtige Entzündungsmarker wie Ferritin und Interleukin-6. Zudem geht er auf die Ursprünge der Zytokinsturmforschung im Rahmen der CAR-T-Zelltherapie bei Krebs ein. Der Artikel beleuchtet außerdem verschiedene Behandlungsstrategien, die während der Pandemie erprobt wurden.

Zytokinsturmsyndrom: Ursachen, Diagnose und Behandlungsfortschritte

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COVID-19-Zytokinsturm

Dr. Randy Cron, MD, erklärt, dass die COVID-19-Pandemie entscheidend dazu beigetragen hat, das Bewusstsein für das Zytokinsturmsyndrom zu schärfen. Er betont, dass diese erhöhte Aufmerksamkeit für eine korrekte Diagnose und Behandlung unerlässlich ist. Ein unerkannter Zytokinsturm führe häufig zu schweren Verläufen.

Der COVID-19-Zytokinsturm unterscheidet sich von anderen Atemwegsinfektionen. Auch schwere Influenzastämme wie H1N1 (Schweinegrippe) können Zytokinstürme auslösen. Dr. Cron beschreibt die COVID-19-Variante jedoch in ihrer Ausprägung und ihren Laborbefunden als „vergleichsweise einzigartig“.

Entzündungsmarker und Diagnose

Ferritin dient als sensibler und breit einsetzbarer Marker für das Zytokinsturmsyndrom. Laut Dr. Cron sind erhöhte Ferritinwerte bei fast jedem Zytokinsturm zu beobachten. Typische Werte liegen im Bereich von Tausenden, Zehntausenden oder sogar Hunderttausenden.

Bei COVID-19-Patienten mit Zytokinsturmmerkmalen bewegen sich die Ferritinspiegel meist zwischen 1.000 und 3.000. Weitere wichtige Entzündungsmarker sind das C-reaktive Protein (CRP) und Interleukin-6. Diese Laborwerte unterstützen Ärzte bei der Diagnose und der Einschätzung der Schwere des Syndroms.

Dr. Cron beschreibt das Zytokinfreisetzungssyndrom als ein iatrogenes Problem im Rahmen von Krebstherapien. Es tritt bei Patienten mit refraktären Leukämien und Lymphomen auf, bei denen mehrere Chemotherapieprotokolle versagt haben. Die CAR-T-Zell-Therapie ist ein neuartiger, lebensrettender Ansatz, der jedoch mit diesem erheblichen Risiko einhergeht.

Etwa 20–30 % der Patienten, die eine CAR-T-Zell-Therapie erhalten, entwickeln ein Zytokinfreisetzungssyndrom. Diese Beobachtung lieferte wichtige frühe Einblicke in die Mechanismen von Zytokinstürmen. Erkenntnisse aus der Onkologie flossen in erste Behandlungsansätze für den COVID-19-Zytokinsturm ein.

Zielgerichtete Interleukin-6-Behandlung

Interleukin-6 erhielt während der COVID-19-Pandemie früh Aufmerksamkeit. Chinesische Forscher konnten dieses proinflammatorische Zytokin im Vergleich zu anderen – wie Interleukin-1 – relativ einfach messen. Zudem standen in China Reagenzien zur Blockierung der Interleukin-6-Signalgebung durch monoklonale Antikörper zur Verfügung.

Diese Medikamente zielen auf den Interleukin-6-Rezeptor ab und unterbrechen die Immunsignale. Die US-amerikanische FDA hatte diesen Ansatz bereits für das Zytokinfreisetzungssyndrom bei CAR-T-Zell-Patienten zugelassen. Frühe COVID-19-Studien basierten auf Fallserien statt kontrollierter Studien und lieferten uneinheitliche Ergebnisse.

Metaanalysen mehrerer Studien deuten darauf hin, dass die Interleukin-6-Blockade die Überlebenswahrscheinlichkeit leicht verbesserte. Dr. Cron merkt jedoch an, dass der Nutzen weniger ausgeprägt war als bei anderen Zytokinsturmsyndromen. Die besondere Natur des COVID-19-Zytokinsturms trug vermutlich zu diesen variablen Ergebnissen bei.

Weitere Zytokinziele

Während der Pandemie wurden neben Interleukin-6 auch andere Zytokine als Therapieziele untersucht. Interleukin-1 wurde zwar erforscht, jedoch weniger intensiv als Interleukin-6. Studien zu seiner Wirksamkeit beim COVID-19-Zytokinsturm lieferten widersprüchliche Ergebnisse.

Ein weiteres untersuchtes Zytokin war GM-CSF (Granulozyten-Makrophagen-Kolonie-stimulierender Faktor). Verschiedene Studien zu diesem Ziel führten zu ähnlich uneinheitlichen Resultaten. Weitere Zytokine wurden als potenzielle therapeutische Angriffspunkte erkundet.

Pandemiebedingte Forschungsfortschritte

Das globale Ausmaß der COVID-19-Pandemie ermöglichte beispiellose Forschungen zum Zytokinsturm. Dr. Cron betont, dass weltweite Studien umfangreiche Datenerfassungen erlaubten. Forscher untersuchten in zahlreichen Studien verschiedene therapeutische Ansätze.

Diese breit angelegten Forschungsbemühungen erweiterten das allgemeine Verständnis von Zytokinsturmsyndromen. Die Pandemie schuf die Voraussetzungen für große randomisierte, doppelblinde und placebokontrollierte Studien. Diese Goldstandard-Studien lieferten verlässlichere Daten als frühere Beobachtungsberichte.

Dr. Anton Titov, MD, moderiert diese Diskussion und fragt nach den Veränderungen im Wissen über Zytokinstürme seit Pandemiebeginn. Das Gespräch mit Dr. Cron unterstreicht, wie COVID-19 die Forschung und klinische Wahrnehmung des Zytokinsturms beschleunigt hat.

Vollständiges Transkript

Dr. Anton Titov, MD: COVID-19 hat das Zytokinsturmsyndrom ins allgemeine Bewusstsein gerückt. Was wissen wir heute darüber, das wir vor der Pandemie noch nicht wussten?

Dr. Randy Cron, MD: Wir haben vor einigen Jahren bereits kurz darüber gesprochen. Ein Silberstreif am Horizont dieser Pandemie ist meiner Ansicht nach, dass das Konzept des Zytokinsturms bekannter geworden ist. Wenn man nicht darauf achtet, wird man es nicht diagnostizieren. Und ohne Diagnose und Behandlung enden die Dinge oft ungünstig.

Weil COVID-Infektionen und andere Zytokinstürme ähnliche Merkmale aufweisen, hat dieser Überbegriff die Schwerkranken erfasst – jene, die hospitalisiert und oft intensivpflichtig waren.

Aber COVID ist ein ziemlich einzigartiger Zytokinsturm, selbst im Vergleich zu anderen respiratorischen Infektionen. Beispielsweise können aggressive Influenzastämme wie H1N1 viele Menschen töten und einen Zytokinsturm auslösen. Der COVID-Zytokinsturm ist jedoch relativ einzigartig.

Entzündungsmarker bei Schwerkranken – beispielsweise Ferritin – ist ein sehr sensibler, breiter Marker, den wir im Blut messen können. Er ist bei fast jedem Zytokinsturm erhöht.

Bei den meisten typischen Zytokinstürmen liegen die Werte im Bereich von Tausenden, Zehntausenden oder sogar Hunderttausenden. COVID-19-Patienten mit Zytokinsturmmerkmalen weisen dagegen meist Werte zwischen 1.000 und 3.000 auf. Das ist schon eigenartig.

Andere Marker steigen ebenfalls an, wie das C-reaktive Protein und Interleukin-6. Letzteres ist ein zirkulierendes Entzündungsprotein des Immunsystems, das Signale an Immunzellen mit entsprechenden Rezeptoren sendet.

Interleukin-6 erhielt früh viel Aufmerksamkeit, weil es in China, wo die ersten Fälle gemeldet wurden, vergleichsweise einfach zu messen war – im Gegensatz zu anderen Zytokinen wie Interleukin-1, dessen Messung schwieriger ist.

Aus welchem Grund auch immer, in China gab es Reagenzien zur Blockierung von Interleukin-6, aber kaum verfügbare Mittel zur Hemmung anderer proinflammatorischer Zytokine wie Interleukin-1.

Wir kannten bereits eine andere Art von Zytokinsturm, das Zytokinfreisetzungssyndrom, ein iatrogenes Problem. Es tritt bei Patienten mit refraktären Leukämien und Lymphomen auf – also Krebserkrankungen der weißen Blutkörperchen, bei denen multiple Chemotherapieprotokolle versagt haben und der Krebs immer wieder zurückkehrt.

Es gibt jetzt einige neuartige Therapien, bei denen modifizierte T-Zellen zurückgegeben werden. Eine davon ist die CAR-T-Zell-Therapie. Sie ist großartig, weil sie Leben rettet, die sonst an diesen refraktären Leukämien gestorben wären.

Allerdings entwickelten etwa 20 bis 30 % der Patienten bei der erstmaligen Anwendung dieser Therapien einen Zytokinsturm, das sogenannte Zytokinfreisetzungssyndrom. Dabei war Interleukin-6 stark erhöht.

Man zielte darauf mit monoklonalen Antikörpern ab, die den Rezeptor für Interleukin-6 binden und so die Signalgebung unterbrechen. Dieser Ansatz ist inzwischen von der FDA für diese Indikation zugelassen.

Früh in der Pandemie, weil diese Medikamente verfügbar waren und Interleukin-6 messbar war, wurde dieser Ansatz früh versucht. Die ersten Studien waren Fallserien – ob es 100 Menschen half oder nicht –, aber keine gut kontrollierten, randomisierten, doppelblinden klinischen Studien.

Dafür fehlte initially die Zeit. Leider ist dieses Virus und sein Zytokinsturmsyndrom relativ einzigartig. Daher waren die Daten sehr uneinheitlich.

Medikamentöse Therapien wie die Blockierung von Interleukin-6 – entweder des Zytokins selbst oder seines Rezeptors – zeigten bei einigen schweren COVID-Patienten Nutzen, bei anderen nicht.

Metaanalysen, die Daten aus randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studien oder großen offenen Studien zusammenfassen, deuten darauf hin, dass diese Therapien das Überleben wahrscheinlich leicht verbesserten, aber nicht im gleichen Ausmaß wie bei anderen Zytokinsturmsyndromen.

Diese Pandemie hat so viele Menschen weltweit betroffen, dass überall Studien durchgeführt wurden, um potenzielle Hilfe für Betroffene zu finden.

Interleukin-1 wurde beispielsweise bei weitem nicht so intensiv untersucht wie Interleukin-6. Einige Studien zeigten Nutzen, andere nicht.

Man hat sich auch andere Zytokine wie GM-CSF angesehen. Wiederum zeigten einige Studien Nutzen, andere nicht. Weitere interessante Zytokine wurden ebenfalls erkundet.