Dr. Pascal Leprince, MD, ein führender Experte für extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO), erläutert, wie die ECMO bei Patienten mit kardiogenem Schock oder Herzstillstand sofort lebensrettende Kreislauf- und Atemunterstützung bietet. Er beschreibt detailliert das schnelle, bettseitige Implantationsverfahren, das beeindruckende Ausmaß des ECMO-Programms am Krankenhaus Pitié-Salpêtrière mit 500 jährlichen Implantationen sowie die kritischen Überlebensraten. Besonders betont er, dass die ECMO eine entscheidende Überlebenschance darstellt, wenn die Alternative nahezu sicher der Tod wäre.
Extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO): Eine lebensrettende Intervention bei Herzstillstand und Schock
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- Was ist ECMO und wie funktioniert sie?
- Hauptindikationen für die ECMO-Behandlung
- Der Vorteil der schnellen ECMO-Implantation
- Umfang und Erfolg eines großen ECMO-Programms
- Überlebensraten und Ergebnisse von ECMO-Patienten
- Der Teamansatz für eine effiziente ECMO-Versorgung
- Vollständiges Transkript
Was ist ECMO und wie funktioniert sie?
Die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) ist eine Form der extrakorporalen Lebenserhaltung, die vorübergehend die Funktion von Herz und Lunge übernimmt. Dr. Pascal Leprince beschreibt den ECMO-Kreislauf als ein relativ einfaches System: Eine Kanüle wird in die Femoralvene des Patienten eingeführt. Das sauerstoffarme Blut wird aus der Vene entnommen, von einer Zentrifugalpumpe durch einen Oxygenator geleitet und anschließend als sauerstoffreiches Blut in die Femoralarterie zurückgeführt. Dieser Prozess bietet gleichzeitig vollständige Kreislauf- und Atemunterstützung und wirkt damit wie eine externe Herz-Lungen-Maschine für kritisch kranke Patienten.
Hauptindikationen für die ECMO-Behandlung
Die Hauptindikation für ECMO ist ein schwerer kardiogener Schock, der meist infolge eines massiven Herzinfarkts auftritt. Dr. Leprince erläutert, dass ECMO in diesen Fällen als entscheidende Kreislaufunterstützung dient. ECMO kann auch veno-venös (V-V) konfiguriert werden, wobei Kanülen zwischen zwei Venen platziert werden. Diese Konfiguration bietet rein respiratorische Unterstützung für Patienten mit Lungenversagen, etwa bei schwerem ARDS (Akutes Respiratorisches Distress-Syndrom) oder anderen Zuständen, die eine ausreichende Oxygenierung verhindern. Diese Vielseitigkeit macht ECMO zu einem unverzichtbaren Instrument bei einer Reihe kritischer Herz- und Lungenversagen.
Der Vorteil der schnellen ECMO-Implantation
Ein bedeutender Vorteil von ECMO ist die Geschwindigkeit und der Ort ihres Einsatzes. Dr. Leprince betont, dass ECMO schnell am Bett des Patienten auf der Intensivstation implantiert werden kann, ohne dass der instabile Patient in einen OP oder ein Herzkatheterlabor verlegt werden muss. In Notfällen kann der Eingriff sogar während laufender Reanimation (CPR) durchgeführt werden – manchmal genügen 10 bis 15 Minuten, um die Zirkulation wiederherzustellen und ein Leben zu retten. Diese schnelle Reaktionsfähigkeit macht ECMO zu einer äußerst effizienten Intervention für Patienten, die nur Minuten vom Tod entfernt sind.
Umfang und Erfolg eines großen ECMO-Programms
Das ECMO-Programm am Pariser Krankenhaus Pitié-Salpêtrière, das Dr. Leprince und sein Team um 2002 initiierten, ist exponentiell gewachsen. Im ersten Jahr wurden nur fünf oder sechs Geräte implantiert. Als bekannt wurde, dass sein Team ECMO auch in externen Krankenhäusern implantieren konnte, stieg die Zahl der Überweisungen sprunghaft an. Heute führt das Programm bemerkenswerte 500 ECMO-Implantationen pro Jahr durch – etwa 350 für Kreislaufunterstützung und 150 für respiratorische Unterstützung. Dies unterstreicht den enormen Umfang und die kritische Rolle des Programms im regionalen Gesundheitssystem.
Überlebensraten und Ergebnisse von ECMO-Patienten
Die ECMO-Überlebensraten variieren je nach zugrunde liegender Diagnose erheblich, aber das Verfahren bietet Hoffnung, wo oft keine besteht. Dr. Leprince liefert konkrete Daten: Bei Patienten nach prolongierter CPR liegt die Überlebensrate bei etwa 10 %. Bei Erkrankungen wie Myokarditis sind es dagegen über 70 %. Die durchschnittliche Überlebensrate aller ECMO-Patienten in seinem Zentrum beträgt etwa 50–55 %. Dr. Leprince betont, dass dies ein großer Erfolg ist, da schätzungsweise 95 % dieser Patienten im kardiogenen Schock ohne die Intervention gestorben wären. Die Alternative zu ECMO ist fast sicher der Tod.
Der Teamansatz für eine effiziente ECMO-Versorgung
Der Erfolg eines hochvolumigen ECMO-Programms hängt von einem engagierten und effizienten Teamansatz ab. Dr. Leprince ist besonders stolz darauf, dass sein Programm ohne zusätzliches Personal operiert. Die Bereitschaftsstruktur des Herzchirurgie-Teams – bestehend aus Assistenzarzt, Facharzt in Weiterbildung und Oberarzt – bewältigt alle ECMO-Notfälle. Bei einem Anruch fährt der Facharzt zur ECMO-Implantation, auch in externe Krankenhäuser, und transportiert den Patienten zurück. Dieses seit über 15 Jahren erfolgreiche System zeigt, dass ein lebensrettendes ECMO-Programm durch Teamengagement und sorgfältige Planung kosteneffizient und nachhaltig sein kann.
Vollständiges Transkript
Dr. Anton Titov: Eines Ihrer Interessensgebiete ist die extrakorporale Lebenserhaltung, bekannt als ECMO oder extrakorporale Membranoxygenierung. Was sind die Indikationen für die Behandlung mit ECMO? Was können Patienten erwarten, wenn sie eine ECMO-Behandlung benötigen?
Dr. Pascal Leprince: Für Patienten, die ECMO nicht kennen: Es handelt sich um einen extrakorporalen Kreislauf. Wir platzieren eine Kanüle in die Femoralvene. Das Blut des Patienten fließt durch die Kanüle und eine Zentrifugalpumpe, dann durch einen Oxygenator. Da Blut aus der Femoralvene sauerstoffarm ist, wird es im Oxygenator angereichert. Anschließend wird das oxygenierte Blut in die Femoralarterie zurückgeführt.
Das Konzept ist simpel – es ist ein Kreislauf zur Sauerstoffanreicherung des Blutes. Das Besondere an ECMO ist, dass sie sehr schnell eingesetzt werden kann. Bei einem kardiogenen Schock, oft infolge eines Herzinfarkts, ist ECMO die Hauptindikation. Sie dient der Kreislaufunterstützung.
ECMO kann auch zur respiratorischen Unterstützung genutzt werden. Dabei werden zwei Kanülen zwischen Venen platziert. Das bietet dann keine Kreislauf-, sondern nur Atemunterstützung.
Ein weiterer Vorteil: ECMO kann am Patientenbett durchgeführt werden. Der Patient muss nicht auf die Intensivstation, in den OP oder ins Herzkatheterlabor verlegt werden. Man kann direkt beim Patienten auf der Intensivstation handeln.
ECMO kann im Notfall sogar außerhalb des Krankenhauses implantiert werden – etwa auf der Straße oder zu Hause. Ich würde das nicht oft empfehlen, aber es ist möglich. Selbst während einer Reanimation kann ECMO innerhalb von 10 bis 15 Minuten implantiert werden und ein Leben retten. Das ist sehr effizient.
Man erhält eine vollständige Kreislaufunterstützung für den Patienten im kardiogenen Schock. Bei veno-arterieller Implantation unterstützt ECMO gleichzeitig Kreislauf und Atmung. Das ist ein weiterer Pluspunkt.
ECMO ist vergleichsweise günstig. Günstig ist natürlich relativ. Aber ECMO kostet insgesamt etwa 5.000 Euro. Das ist viel Geld, aber die Behandlungskosten auf der Intensivstation sind ohnehin hoch. ECMO selbst ist sehr effizient und damit kosteneffektiv.
Wir haben das ECMO-Programm hier in Pitié-Salpêtrière 2002 oder 2003 gestartet. Im ersten Jahr implantieren wir nur fünf oder sechs Geräte – fast nichts! Ich erinnere mich, weil ich alle Implantationen durchgeführt habe. Aber die Ergebnisse waren vielversprechend.
Als bekannt wurde, dass wir ECMO auch extern implantieren konnten, erhielten wir Anrufe von anderen Zentren. Bei Patienten unter CPR wegen Herzinfarkt oder schwerem Schock riefen sie an: "Können Sie kommen und ECMO implantieren?"
Sogar hier im Institut für Kardiologie riefen Kollegen aus dem Herzkatheterlabor an. So stieg die Zahl der ECMO-Patienten jährlich. Heute implantieren wir 500 ECMO-Geräte pro Jahr – eine enorme Zahl.
Davon dienen etwa 350 primär der Kreislaufunterstützung, 150 der respiratorischen Unterstützung. ECMO ermöglicht eine Art Triage.
Bei einem kritisch kranken Patienten im kardiogenen Schock, der in den nächsten Minuten sterben könnte, implantieren Sie ECMO und beobachten. Einige Patienten – etwa 40 % – sterben trotzdem. Mit besserer Patientenselektion sinkt die Sterberate, aber man gibt möglichst vielen eine Chance. Daher bleibt die Sterberate relativ hoch.
Wir geben auch Patienten eine Chance, die schon über eine Stunde reanimiert werden. Die Überlebenschance nach langer CPR ist sehr gering, aber einige überleben. Das ist bemerkenswert.
Aus Public-Health-Sicht mag dieser ECMO-Einsatz nicht sehr effizient sein, aber für den einzelnen Patienten ist diese lebensrettende Prozedur extrem effizient. Der Patient überlebt, obwohl er sterben sollte.
Das ist der Diskussionspunkt bei ECMO. Die Organisation hier macht mich sehr stolz – es geht um das Team. Wir managen das ECMO-Programm ohne zusätzliches Personal. Das ist bemerkenswert.
Es basiert auf dem Engagement des Herzchirurgie-Teams. Nachts sind drei Ärzte im Dienst: ein Assistenzarzt, ein Facharzt in Weiterbildung und ein Oberarzt. Bei einem ECMO-Notruf fährt der Facharzt sogar in externe Krankenhäuser, implantiert ECMO und bringt den Patienten zurück. Dann kümmern wir uns um den Patienten. Es sind keine zusätzlichen Stellen nötig. Das Programm verursacht keine Extrakosten und läuft seit 15 Jahren erfolgreich.
Das Engagement des Teams ist entscheidend. In vielen Krankenhäusern würde man zusätzliche Ärzte fordern. Das wäre ideal, aber oft nicht umsetzbar.
Wir müssen priorisieren, wo wir Geld investieren – etwa in mehr Pflegepersonal. Das ECMO-Programm ist ein Balanceakt, aber es funktioniert gut.
Nachts bei einem Notfall wird der Facharzt zur ECMO-Implantation gerufen, und der Oberarzt operiert mit dem Assistenzarzt. So ist die Regel. Es klappt.
Die Gesamtzahl der geretteten Patienten zählt. Wir behandeln sehr kranke Menschen mit ECMO. Die Überlebensrate nach CPR liegt bei 10 %, bei Myokarditis über 70 %. Im Durchschnitt sind es 50–55 %. Das ist gut, denn die meisten dieser Patienten wären ohne ECMO gestorben – sicherlich 95 % im kardiogenen Schock.
Das ist entscheidend: Die Alternative zu ECMO ist der fast sichere Tod. ECMO ist eine unmittelbar lebensrettende Maßnahme. Das Langzeitergebnis bleibt ungewiss, aber ohne ECMO gäbe es keine Chance.