Dr. Giuseppe Curigliano, MD, ein führender Experte für Brustkrebs und Arzneimittelentwicklung, erläutert, wie zielgerichtete Therapien die Behandlung von Brustkrebs revolutionieren, indem sie spezifische molekulare Strukturen angreifen. Er beschreibt die jüngsten Durchbrüche bei CDK4/6-Inhibitoren, Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten wie Trastuzumab Deruxtecan, PARP-Inhibitoren und Immuntherapien, die das progressionsfreie und Gesamtüberleben von Patientinnen mit verschiedenen Brustkrebssubtypen – einschließlich ER-positivem, HER2-positivem und triple-negativem Karzinom – erheblich verbessern.
Fortschrittliche zielgerichtete Therapie bei Brustkrebs: Wichtige molekulare Ziele und Behandlungen
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- CDK4/6-Inhibitoren bei ER-positivem Brustkrebs
- Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bei HER2-positiver Erkrankung
- PARP-Inhibitoren bei BRCA-mutiertem Brustkrebs
- Immuntherapie bei triple-negativem Brustkrebs
- Trop-2-gerichtete Therapie mit Sacituzumab Govitecan
- Agnostische, biomarkerbasierte Krebstherapie
- Die Zukunft der Präzisionsmedizin bei Brustkrebs
CDK4/6-Inhibitoren bei ER-positivem Brustkrebs
Für Patientinnen mit östrogenrezeptorpositivem (ER+), HER2-negativem Brustkrebs markieren CDK4/6-Inhibitoren einen bedeutenden Fortschritt in der zielgerichteten Therapie. Dr. Giuseppe Curigliano erläutert, dass diese Medikamente mit endokriner Therapie kombiniert werden, um die Krebszellteilung zu blockieren. Diese Kombination hat sich als hochwirksam erwiesen und verbessert entscheidende Behandlungsergebnisse wie das progressionsfreie Überleben, die Ansprechrate und das Gesamtüberleben.
Dr. Curigliano hebt zudem neuere bahnbrechende Daten vom ESMO-Kongress zum CDK4/6-Inhibitor Ribociclib hervor. In Kombination mit einem Aromatasehemmer zeigte sich eine deutliche Verbesserung des Gesamtüberlebens bei Patientinnen mit metastasiertem ER+ HER2- Brustkrebs. Er bezeichnet diese Ergebnisse als beispiellos und als Beginn einer neuen Ära der Hoffnung für diese große Patientinnengruppe.
Antikörper-Wirkstoff-Konjugate bei HER2-positiver Erkrankung
Die zielgerichtete Therapie für HER2-positiven Brustkrebs wurde durch eine neue Generation von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten (AWK) revolutioniert. Dr. Giuseppe Curigliano erörtert die eindrucksvollen Ergebnisse der klinischen Studie DESTINY-Breast03. Hier wurde das AWK Trastuzumab Deruxtecan in der Zweitlinientherapie bei metastasierter Erkrankung mit dem Standard T-DM1 verglichen.
Die Daten zeigten eine bemerkenswerte Verbesserung des progressionsfreien Überlebens von median 7 auf 24 Monate. Diese wirksame Therapie zielt spezifisch auf das HER2-Protein auf Krebszellen ab und liefert eine hochpotente Chemotherapie direkt an den Tumor, um die Wirksamkeit zu maximieren und systemische Nebenwirkungen zu minimieren.
PARP-Inhibitoren bei BRCA-mutiertem Brustkrebs
Für Brustkrebspatientinnen mit einer BRCA-Genmutation bieten PARP-Inhibitoren eine hocheffektive zielgerichtete Behandlungsstrategie. Dr. Curigliano nennt Olaparib und Talazoparib als Schlüsselmedikamente, die in der metastasierten Situation einen klaren Nutzen für das progressionsfreie Überleben gezeigt haben. Diese Medikamente nutzen eine spezifische Schwäche in BRCA-mutierten Krebszellen aus – ein Konzept, das als synthetische Letalität bekannt ist.
Der Nutzen von PARP-Inhibitoren weitet sich aus. Dr. Curigliano weist darauf hin, dass Olaparib mittlerweile auch adjuvant nach initialer Chemotherapie bei Hochrisiko-Patientinnen mit BRCA-Mutation im Frühstadium eingesetzt wird. In diesem Setting verbesserte die Behandlung mit Olaparib das invasive krankheitsfreie Überleben und zeigte einen positiven Trend beim Gesamtüberleben, um Krebsrezidive zu verhindern.
Immuntherapie bei triple-negativem Brustkrebs
Die Immuntherapie hat sich als entscheidende zielgerichtete Behandlung für eine Untergruppe von Patientinnen mit triple-negativem Brustkrebs (TNBC) etabliert. Dr. Giuseppe Curigliano erklärt, dass für Patientinnen, deren Tumoren den PD-L1-Biomarker exprimieren, die Kombination von Immuntherapie mit Chemotherapie überlegene Ergebnisse liefert. Dabei kommen die Checkpoint-Inhibitoren Atezolizumab und Pembrolizumab zum Einsatz.
Diese Kombinationsstrategie nutzt das eigene Immunsystem der Patientin, um Krebszellen zu erkennen und zu attackieren. Klinische Studien haben gezeigt, dass die Ergänzung der Chemotherapie durch Immuntherapie sowohl das progressionsfreie Überleben als auch das Gesamtüberleben bei PD-L1-positivem metastasiertem triple-negativem Brustkrebs verbessert – und damit eine neue Lebenslinie für diese aggressive Erkrankung bietet.
Trop-2-gerichtete Therapie mit Sacituzumab Govitecan
Ein neuartiges Ziel bei triple-negativem Brustkrebs ist Trop-2, ein Protein, das auf vielen Krebszellen hoch exprimiert wird. Dr. Giuseppe Curigliano beschreibt eine neue Klasse von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten, die entwickelt wurde, um dieses Ziel anzugreifen: Sacituzumab Govitecan. Dieses AWK bindet an Trop-2 und liefert seine Chemotherapie-Ladung gezielt in den Tumor.
Diese zielgerichtete Therapie hat in späteren Therapielinien bei metastasiertem TNBC signifikante Wirksamkeit gezeigt. Klinische Daten bestätigen, dass Sacituzumab Govitecan das Gesamtüberleben verbessern kann und damit eine wertvolle neue Option für Patientinnen darstellt, die unter anderen Therapien progrediert sind.
Agnostische, biomarkerbasierte Krebstherapie
Die Präzisionsmedizin entwickelt sich hin zu einem tumoragnostischen Ansatz in der Krebsdiagnostik und -behandlung. Dr. Giuseppe Curigliano erläutert diesen Paradigmenwechsel für Dr. Anton Titov. Statt Behandlungen basierend auf dem Organ, in dem der Krebs entstanden ist (z.B. Brust), auszuwählen, werden Therapien nun anhand spezifischer molekularer Alterationen innerhalb des Tumors gewählt – unabhängig von seiner Herkunft.
Diese Alterationen, wie RET- oder NTRK-Genfusionen, können bei etwa 1–2 % der metastasierten Brustkrebsfälle auftreten. Für diese Patientinnen stehen hocheffektive zielgerichtete Therapien wie Pralsetinib (für RET) oder Larotrectinib (für NTRK) zur Verfügung. Dieser agnostische Ansatz stellt sicher, dass jede Patientin die Chance auf eine Behandlung erhält, die auf die einzigartige Biologie ihres Tumors zugeschnitten ist.
Die Zukunft der Präzisionsmedizin bei Brustkrebs
Das Behandlungsspektrum von Brustkrebs wird heute maßgeblich durch seine molekularen Ziele definiert. Wie Dr. Curigliano ausführt, liegt die Zukunft in der fortgesetzten Entdeckung von Biomarkern und der Entwicklung immer ausgefeilterer zielgerichteter Wirkstoffe wie Antikörper-Wirkstoff-Konjugate. Das Gespräch mit Dr. Anton Titov unterstreicht, dass umfassende genomische Tests essenziell sind, um diese Ziele zu identifizieren und jede Patientin mit der wirksamsten, personalisierten Behandlungsstrategie zu versorgen.
Vollständiges Transkript
Dr. Anton Titov: Sie sind Direktor der Neuentwicklung innovativer Therapien am Europäischen Institut für Onkologie, wo wir uns befinden. Es ist eine wunderbare Einrichtung. Sie sind spezialisiert auf die Behandlung solider Tumoren, insbesondere Brustkrebs. Die Brustkrebsbehandlung ist in die Ära der Präzisionsmedizin eingetreten. Die zielgerichtete Therapie bei Brustkrebs hat die Prognose für Patientinnen verbessert. Was sind heute die wichtigsten molekularen Ziele neuer Brustkrebsmedikamente?
Dr. Giuseppe Curigliano: Vielen Dank, dass Sie so spät am Abend hierher gekommen sind. In meiner Einrichtung haben wir neue molekulare Ziele für Brustkrebs entsprechend des Subtyps. Betrachten wir östrogenrezeptorpositive und HER2-negative Erkrankungen. Die wichtigsten Ziele sind CDK4/6-Inhibitoren. Es sind spezifische Medikamente, die mit endokriner Therapie kombiniert werden. CDK4/6-Inhibitoren können das progressionsfreie Überleben, die Ansprechrate und das Gesamtüberleben verbessern.
Kürzlich, während des ESMO-Kongresses in Paris vor zwei Wochen, wurden neue Daten zu Ribociclib in Kombination mit einem Aromatasehemmer bei ER-positiver Erkrankung vorgestellt. Es gab eine deutliche Verbesserung des Gesamtüberlebens, die zuvor in dieser Population nie beobachtet wurde. Das sind beispiellose Daten.
Wenn wir zu HER2-positivem Brustkrebs übergehen, haben wir die neuen Daten zu Trastuzumab Deruxtecan. Im Rahmen der klinischen Studie DESTINY-Breast03 wurde Trastuzumab Deruxtecan mit T-DM1 verglichen. Es gab eine dramatische Verbesserung des progressionsfreien Überlebens von sieben auf 24 Monate. Dies ist ein Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das bei Zweitlinienpatientinnen mit HER2-positivem metastasiertem Brustkrebs spezifisch auf HER2 abzielt.
Für triple-negativen Brustkrebs möchte ich die Daten zu PARP-Inhibitoren für BRCA-mutierten Brustkrebs erwähnen. Olaparib und Talazoparib zeigten in der metastasierten Situation einen Nutzen für das progressionsfreie Überleben. Insbesondere Olaparib wurde auch im adjuvanten Chemotherapie-Setting für Hochrisiko-Brustkrebspatientinnen eingesetzt. Olaparib verbesserte das invasive krankheitsfreie Überleben mit Positivität im Gesamtüberleben.
Ein weiteres Ziel ist die Population mit PD-L1-positivem triple-negativem Brustkrebs. Für diese Population verbessern wir sowohl das progressionsfreie Überleben als auch das Gesamtüberleben durch die Kombination von Immuntherapie plus Chemotherapie. Die Immuntherapie war in diesem Fall Atezolizumab und Pembrolizumab.
Ein weiteres Ziel in der Patientinnenpopulation mit triple-negativem Brustkrebs kann Trop-2 sein. Wir haben eine neue Klasse von Antikörper-Wirkstoff-Konjugaten namens Sacituzumab Govitecan. Es kann das Gesamtüberleben in späteren Therapielinien verbessern.
Dr. Anton Titov: Die Krebsdiagnose spiegelt typischerweise den Ursprung und die Art des Gewebes wider, in dem der Krebs entstanden ist. Aber die Präzisionsmedizin bietet ein neues Paradigma in der Krebsklassifikation. Diese neue Klassifikation der Krebsdiagnose basiert auf spezifischen Mutationen im Tumor, unabhängig vom Krebsursprung im Organ oder Gewebe. Welche Möglichkeiten und Herausforderungen bringt eine solche biomarkerbasierte Krebsdiagnose und -behandlung für Patientinnen mit Brustkrebs?
Dr. Giuseppe Curigliano: Dies ist ein agnostischer Ansatz zur Krebstherapie. In der Vergangenheit leiteten wir viele klinische Studien zu Krebsmedikamenten, die organorientiert waren. Um ein Medikament für metastasierten Brustkrebs zuzulassen, sollte man die Population nach Organ oder anatomischer Region auswählen und das Standardbehandlungsregime mit der neuen Behandlung randomisieren. Der agnostische Ansatz ist völlig anders.
Man wählt Patientinnen nicht nach dem Ursprungsorgan aus, sondern nach einer spezifischen molekularen Alteration. Nehmen wir an, RET-Amplifikation oder NTRK-Amplifikation. Diese Arten von Alterationen können auch bei Brustkrebs häufig sein. Genalterationen sind in der allgemeinen Inzidenz von Brustkrebs nicht so hoch, aber 1 % bis 2 % aller metastasierten Brustkrebsfälle können RET- oder NTRK-Alterationen exprimieren, für die man eine zielgerichtete Therapie mit Pralsetinib oder Larotrectinib auswählen kann.
Also muss ich sagen, dass im Kontext der agnostischen mutationsbasierten Medikamentenzulassung auch Brustkrebspatientinnen profitieren können.