Brustkrebs beim Mann: Ein umfassender Leitfaden für Patienten.

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Männlicher Brustkrebs ist eine seltene, aber schwerwiegende Erkrankung, die etwa ein Prozent aller Brustkrebsdiagnosen ausmacht. Im Jahr 2018 wurden in den USA schätzungsweise 2.500 neue Fälle bei Männern festgestellt. Obwohl es Überschneidungen mit Brustkrebs bei Frauen gibt, weist die männliche Variante besondere biologische Merkmale auf. Dazu gehören eine überwiegend hormonrezeptorpositive Ausprägung – 99 Prozent der Tumore sind östrogenrezeptorpositiv – und ein höheres Durchschnittsalter bei der Diagnose von 67 Jahren. Die Behandlungsansätze stützen sich weitgehend auf Studien mit Frauen, da geschlechtsspezifische Forschung bislang begrenzt ist. Jüngste Fortschritte im genetischen Verständnis und in der genomischen Testung tragen jedoch dazu bei, die Therapie für männliche Patienten zunehmend individueller zu gestalten.

Brustkrebs beim Mann: Ein umfassender Leitfaden für Patienten

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie und Risikofaktoren

Brustkrebs bei Männern ist relativ selten und macht etwa 1 % aller diagnostizierten Brustkrebsfälle aus. Für 2018 wurde geschätzt, dass in den USA etwa 2.500 Männer die Diagnose erhalten und etwa 500 daran versterben würden. Die Inzidenz ist im Laufe der Zeit deutlich gestiegen – von 0,85 Fällen pro 100.000 Männer im Jahr 1975 auf 1,43 Fälle pro 100.000 Männer im Jahr 2011.

Das Lebenszeitrisiko für Brustkrebs liegt bei Männern bei etwa 1 zu 1.000, verglichen mit 1 zu 8 bei Frauen. Männer werden typischerweise in einem höheren Alter diagnostiziert als Frauen, im Durchschnitt mit 67 statt 62 Jahren. Schwarze Männer haben ein höheres Risiko als nicht-hispanische weiße Männer, und eine familiäre Vorbelastung mit Brustkrebs bei einem Verwandten ersten Grades verdoppelt das Risiko.

Mehrere spezifische Risikofaktoren für Brustkrebs beim Mann sind bekannt:

  • Genetische Mutationen: BRCA2-Mutationen (4–16 % der Fälle), BRCA1-Mutationen (0–4 % der Fälle)
  • Gene mit moderatem Risiko: CHEK2, PALB2 und andere
  • Strahlenexposition: Insbesondere durch Atombombenstudien mit klarer Dosis-Wirkungs-Beziehung
  • Hormonelle Faktoren: Erhöhte Östrogenspiegel (Männer im höchsten Quartil hatten ein 2,47-fach höheres Risiko)
  • Medizinische Erkrankungen: Klinefelter-Syndrom (47,XXY-Karyotyp, 50-fach höheres Risiko), Lebererkrankungen, Hodenanomalien, Adipositas und Gynäkomastie

Klinisches Bild und Diagnostik

Die meisten Männer mit Brustkrebs bemerken zunächst einen schmerzlosen Knoten hinter der Brustwarze (retroareolärer Tumor). Weitere Warnzeichen können Einziehungen der Brustwarze, Blutungen aus der Brustwarze, Hautgeschwüre oder geschwollene Lymphknoten in der Achselhöhle sein. Die häufigste Verwechslungsdiagnose ist die Gynäkomastie, eine gutartige Vergrößerung des Brustgewebes.

Bei Verdacht auf Krebs werden bildgebende Verfahren je nach Alter empfohlen: Bei Männern unter 25 Jahren ist Ultraschall die erste Wahl, ab 25 Jahren zunächst eine Mammographie, bei unklaren Befunden ergänzt durch Ultraschall. In der Mammographie zeigen sich männliche Brustkrebserkrankungen oft als unregelmäßige, sternförmige Verdichtungen hinter der Brustwarze.

Wegen geringer öffentlicher Aufmerksamkeit und fehlender Screening-Programme wird Brustkrebs bei Männern oft später entdeckt als bei Frauen. Männer haben typischerweise größere Tumore (im Schnitt 20 mm vs. 15 mm bei Frauen) und häufiger Lymphknotenbefall (42 % vs. 33 %). Jeder verdächtige Befund sollte durch eine Stanzbiopsie abgeklärt werden.

Pathologische Merkmale

Ohne routinemäßiges Mammographie-Screening werden nur etwa 10 % der Brustkrebsfälle bei Männern als duktales Carcinoma in situ (DCIS) erkannt. Die überwiegende Mehrheit (90 %) sind invasive Karzinome, meist vom Typ des invasiv duktalen Karzinoms.

Brustkrebs beim Mann weist im Vergleich zu Frauen besondere biologische Merkmale auf:

  • 99 % sind östrogenrezeptorpositiv (vs. 83 % bei Frauen)
  • 97 % sind androgenrezeptorpositiv (vs. 61 % bei Frauen)
  • Nur 9 % sind HER2-positiv (vs. 17 % bei Frauen)
  • Nur 1–2 % sind invasive lobuläre Karzinome (vs. 12 % bei Frauen)
  • Weniger als 1 % sind triple-negativ (negativ für alle drei Rezeptoren)

Genetische Studien zeigen, dass Brustkrebs bei Männern andere Mutationsmuster aufweist als bei Frauen. Es finden sich häufiger Mutationen in DNA-Reparaturgenen und seltener spezifische Mutationen in PIK3CA- und TP53-Genen, die bei Frauen häufig sind.

Prognose und Überlebensraten

Insgesamt haben Männer mit Brustkrebs etwas niedrigere Überlebensraten als Frauen, aber dieser Unterschied verschwindet weitgehend, wenn Alter und Erkrankungsstadium berücksichtigt werden. Männer sind bei Diagnose meist älter und können zusätzliche altersbedingte Gesundheitsprobleme haben.

Die 5-Jahres-Überlebensraten für Männer mit Brustkrebs nach Stadium sind:

  • Stadium I: 87 %
  • Stadium II: 74 %
  • Stadium III: 57 %
  • Stadium IV: 16 %

Schwarze Männer haben tendenziell schlechtere Outcomes als weiße Männer, wobei dieser Unterschied abnimmt, wenn Versicherungsschutz und Einkommen berücksichtigt werden. Die Überlebensraten haben sich über die Zeit für beide Geschlechter verbessert, bei Männern jedoch langsamer.

Männer mit Brustkrebs haben auch ein erhöhtes Risiko für Zweittumore, darunter:

  • Zweitmanifestation von Brustkrebs (knapp unter 2 % Risiko)
  • Melanom
  • Karzinome des Dünndarms, Mastdarms, der Bauchspeicheldrüse und der Prostata
  • Erkrankungen des lymphatischen und blutbildenden Systems

Behandlungsansätze

Da es keine randomisierten klinischen Studien speziell für Männer mit Brustkrebs gibt, werden Behandlungsansätze aus Studien mit Frauen übernommen. Die häufigste Operation ist die Mastektomie; nur 18 % der Männer mit Frühstadiumstumoren erhalten eine brusterhaltende Operation. Studien zeigen jedoch, dass brusterhaltende Therapie mit Bestrahlung gleichwertige Überlebensergebnisse bei möglicherweise besseren kosmetischen Resultaten bietet.

Strahlentherapie wird bei Männern oft zu selten eingesetzt: Nur 42 % der Männer mit Stadium-I-Krebs erhalten eine Bestrahlung nach brusterhaltender Operation. Bei Befall der Lymphknoten scheint eine Bestrahlung nach Mastektomie vorteilhaft zu sein.

Chemotherapie und zielgerichtete Therapien sollten Männern mit hohem Rückfallrisiko angeboten werden, ähnlich wie bei Frauen. Eine kleine Studie mit 31 Männern mit Stadium-II-Krebs und Lymphknotenbefall zeigte vielversprechende Langzeitergebnisse unter Chemotherapie: 80 % Überleben nach 5 Jahren, 65 % nach 10 Jahren und 42 % nach 20 Jahren.

Genomische Tests wie Oncotype DX (ein 21-Gen-Test zur Vorhersage des Rückfallrisikos) scheinen auch für Männer gültig zu sein, allerdings mit einigen Unterschieden:

  • 12 % der Männer hatten hohe Rezidivscores (≥31) vs. 7 % der Frauen
  • 34 % der Männer hatten niedrige Scores (<11) vs. 22 % der Frauen
  • Das 5-Jahres-Überleben für Männer mit hohen Scores betrug 81 % vs. 94,9 % für Frauen

Genetische Testung und Beratung

Wegen der starken genetischen Komponente sollten alle Männer mit Brustkrebs eine genetische Beratung und Testung in Betracht ziehen. BRCA2-Mutationen finden sich bei 4–16 %, BRCA1-Mutationen bei 0–4 %. Das Lebenszeitrisiko für Brustkrebs bei männlichen BRCA2-Trägern beträgt bis zum 70. Lebensjahr 6,8 %, bei BRCA1-Trägern 1,2 %.

Das National Comprehensive Cancer Network empfiehlt für Männer mit BRCA-Mutationen:

  1. Schulung zur Brustselbstuntersuchung ab 35
  2. Jährliche klinische Brustuntersuchungen
  3. Erwägung eines Prostatakrebs-Screenings (insbesondere für BRCA2-Träger ab 45)

Andere Risikogene sind CHEK2 (10-fach erhöhtes Risiko bei bestimmter Mutation) und PALB2 (1–2 % der Fälle). Genetische Beratung hilft bei der Planung angemessener Screening- und Risikomanagementstrategien.

Studieneinschränkungen

Diese Übersichtsarbeit zeigt mehrere Einschränkungen im derzeitigen Verständnis von Brustkrebs beim Mann auf. Die größte ist das Fehlen prospektiver Studien und klinischer Trials speziell für Männer. Die meisten Behandlungsempfehlungen stammen aus Studien mit Frauen und berücksichtigen biologische Unterschiede möglicherweise nicht ausreichend.

Die Seltenheit der Erkrankung führt zu kleinen Studien oder retrospektiven Daten einzelner Zentren, was die Ableitung fester Schlussfolgerungen erschwert. Langzeitdaten, besonders zu neueren Therapien und genomischen Tests, sind begrenzt.

Viele Studien weisen auch eine mangelnde Diversität auf, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf alle ethnischen Gruppen einschränkt. Die Unterrepräsentation von Männern in der Brustkrebsforschung hat erhebliche Wissenslücken hinterlassen, die gezielte Forschung erfordern.

Patientenempfehlungen

Auf Basis der aktuellen Evidenz sollten Männer auf ihre Brustgesundheit achten und Veränderungen umgehend melden. Konkret empfehlen wir:

  1. Achten Sie auf Veränderungen: Melden Sie Knoten, Brustwarzenveränderungen oder Schmerzen sofort Ihrem Arzt
  2. Kennen Sie Ihr Risiko: Besprechen Sie Familienanamnese und Gentestoptionen bei persönlicher oder familiärer Vorgeschichte
  3. Suchen Sie spezialisierte Versorgung: Behandeln Sie sich in Zentren mit Erfahrung in männlichem Brustkrebs
  4. Diskutieren Sie alle Optionen: Sprechen Sie mit Ihren Ärzten über chirurgische Wahlmöglichkeiten (einschließlich Brusterhalt), Bestrahlung, Chemotherapie und Hormontherapie
  5. Erwägen Sie Gentestung: Alle Männer mit Brustkrebs sollten genetische Beratung zur Risikobewertung in Anspruch nehmen
  6. Fragen Sie nach genomischer Testung: Lassen Sie sich zu Rezidivscore-Tests für Chemotherapieentscheidungen beraten
  7. Nachsorge: Führen Sie regelmäßige Kontrollen zur Überwachung auf Rückfälle und Zweittumore durch

Denken Sie daran: Brustkrebs beim Mann ist selten, aber behandelbar – besonders bei früher Erkennung. Proaktives Handeln und angemessene medizinische Versorgung können den Behandlungserfolg deutlich verbessern.

Quelleninformation

Originalartikeltitel: Breast Cancer in Men
Autorin: Sharon H. Giordano, M.D., M.P.H.
Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 14. Juni 2018
DOI: 10.1056/NEJMra1707939

Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf einer peer-reviewten Veröffentlichung im New England Journal of Medicine. Er gibt originale Daten, Statistiken und Befunde wieder und macht die Informationen für Patienten und Angehörige verständlich.