Monoklonale Gammopathie renaler Signifikanz: Wenn abnorme Proteine die Nieren schädigen.

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Dieser umfassende Übersichtsartikel behandelt die monoklonale Gammopathie renaler Signifikanz (MGRS) – eine Diagnose, bei der abnorme Proteine aus Blutzellen die Nieren schädigen, ohne dass klassische Krebskriterien erfüllt sind. Studien zeigen, dass 40–45 % der Patienten mit monoklonaler Gammopathie, die nierenbioptisch untersucht werden, an MGRS-assoziierten Erkrankungen leiden. Diese erfordern eine spezialisierte, klondirigierte Therapie statt konventioneller Immunsuppressiva. Der Artikel erläutert detailliert, wie diese Proteine unterschiedliche Nierenschäden verursachen, die hohe Rückfallrate nach Transplantation (ca. 90 % bei unbehandelten Patienten) sowie die Bedeutung frühzeitiger Diagnostik durch spezifische Blutanalysen und Biopsien.

Monoklonale Gammopathie renaler Signifikanz: Wenn abnorme Proteine die Nieren schädigen

Inhaltsverzeichnis

Einführung: Warum diese Diagnose wichtig ist

Nierenerkrankungen betreffen allein in den USA etwa 37 Millionen Menschen und sind eine bedeutende Ursache für Morbidität und Mortalität. Während Bluthochdruck und Diabetes die häufigsten Auslöser chronischer Nierenerkrankungen (CKD) sind, hat sich die monoklonale Gammopathie als wichtige, oft übersehene Ursache von Nierenschäden erwiesen – sowohl bei Patienten als auch bei manchen Ärzten.

Monoklonale Gammopathie bezeichnet abnorme Proteine, die von klonalen Plasmazellen oder B-Lymphozyten produziert werden und verschiedene Nierenstrukturen schädigen können. Dieser Beitrag konzentriert sich auf die monoklonale Gammopathie renaler Signifikanz (MGRS), bei der diese Proteine Nierenschäden verursachen, ohne dass die formalen Kriterien einer Krebserkrankung erfüllt sind.

Klassifikation der Bluterkrankungen

Monoklonale Gammopathien werden nach der Tumormasse (Anzahl abnormaler Zellen) und dem Vorliegen von Organschäden klassifiziert. Eine Behandlung wird meist nur empfohlen, wenn beide Kriterien zutreffen.

Die Diagnose eines multiplen Myeloms erfordert entweder über 10 % Plasmazellen im Knochenmark oder einen monoklonalen Peak von mehr als 3 g/dl im Blut, zusammen mit CRAB-Kriterien:

  • Hyperkalzämie (erhöhter Blutkalziumspiegel)
  • Niereninsuffizienz
  • Anämie (erniedrigte Erythrozyten)
  • Knochenläsionen

2014 ergänzte die International Myeloma Working Group drei weitere Kriterien, die ein Fortschreiten zum symptomatischen Myelom vorhersagen:

  1. Über 60 % Plasmazellen im Knochenmark
  2. Serum-freie-Leichtketten-Ratio > 100 bei beteiligter freier Leichtkette > 10 mg/dl
  3. Mehr als eine Knochenläsion in der MRT

Bei chronisch-lymphatischer Leukämie (CLL) umfassen Behandlungskriterien eine Lymphozytose (> 5000 Zellen/µl) plus Anämie, Thrombozytopenie, symptomatische Lymphknotenschwellung oder Splenomegalie.

Patienten, die die Tumormasse-, nicht aber die Organschadenskriterien erfüllen, erhalten Diagnosen wie smoldering multiples Myelom oder niedrigmaligne CLL. Bei Fehlen beider Kriterien liegt eine monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS) vor. Per Definition sollten MGUS- und smoldering-Myelom-Patienten keine Organschäden aufweisen.

Die diagnostische Lücke bei Nierenerkrankungen

Traditionelle Klassifikationen lassen eine Lücke für Patienten mit Nierenschäden durch monoklonale Proteine, die nicht die Tumormassekriterien einer Krebsdiagnose erfüllen. Aus hämatologischer Sicht haben diese Patienten zwar keinen Krebs, dennoch liegt eine klonale Störung vor, die eine spezifische Behandlung erfordert.

Historisch erhielten diese Patienten oft keine adäquate Therapie. Jahrzehntelang wurden Nierenschäden durch monoklonale Immunglobuline primär auf manifeste Krebserkrankungen wie multiples Myelom zurückgeführt. Erst seit Kurzem ist bekannt, dass nephrotoxische monoklonale Immunglobuline unabhängig von der Tumormasse Nierenerkrankungen auslösen können.

MGRS schließt diese Lücke, ohne die Definition maligner Prozesse zu verändern. Sie umfasst jede B-Zell- oder Plasmazell-Klonalität, die nicht die Krebsbehandlungskriterien erfüllt, aber ein nephrotoxisches monoklonales Immunglobulin produziert, das direkt oder indirekt Nierenschäden verursacht.

MGRS-assoziierte Nierenerkrankungen weisen drei Besonderheiten auf:

  • Sie sprechen schlecht auf Standard-Immunsuppressiva an
  • Die Rezidivrate nach Nierentransplantation liegt bei ca. 90 %, wenn die Gammopathie nicht vor oder direkt nach der Transplantation beseitigt wird
  • Betroffene haben ein erhöhtes Risiko, an hämatologischen Malignomen zu erkranken

Wie abnorme Proteine die Nieren schädigen

Monoklonale Immunglobuline können die Nieren über verschiedene Mechanismen schädigen, abhängig davon, ob sie von Erkrankungen mit hoher oder niedriger Tumormasse stammen.

Bei hoher Tumormasse (z. B. multiplem Myelom) ist der Hauptmechanismus die Leichtketten-Zylinder-Nephropathie: Monoklonale Leichtketten binden an Tamm-Horsfall-Protein in der Niere und bilden obstruktive Zylinder. Dieser Prozess erfordert hohe Spiegel serumfreier Leichtketten (meist > 150 mg/dl) und gilt nicht als MGRS-Läsion.

MGRS involviert typischerweise niedrigere Spiegel monoklonaler Gammopathie mit verschiedenen Schädigungsmechanismen. Am häufigsten kommt es zur Fehlfaltung monoklonaler Immunglobulin-Leichtketten-Fragmente, die toxische Amyloid-Multimere und -Fibrillen bilden, die sich im Gewebe ablagern.

Weitere Mechanismen:

  • Mutationen in Leichtketten, die den normalen Abbau behindern und Kristalle bilden, die Tubuluszellen schädigen
  • Monoklonale Immunglobuline mit ungewöhnlichen Eigenschaften (hydrophobe Reste, abnorme Glykosylierung, positive Ladung), die Aggregation und Ablagerung begünstigen
  • Kryoglobuline, die bei Körpertemperatur ausfallen und Entzündungen sowie Gefäßverschlüsse verursachen
  • Aktivierung von Komplementsystemen mit nachfolgender Entzündung und Gewebeschädigung
  • Zielrichtung spezifischer Nierenantigene ähnlich wie bei Autoimmunerkrankungen

Arten von Nierenschäden bei MGRS

Die meisten MGRS-assoziierten Nierenerkrankungen sind glomerulär, mit zwei Ausnahmen: Leichtketten-proximale Tubulopathie und kristallspeichernde Histiozytose.

MGRS-Läsionen werden nach dem Erscheinungsbild der Immunglobulinablagerungen im Elektronenmikroskop klassifiziert:

Organisierte Ablagerungen zeigen sich als: - Fibrillen (bei Immunglobulin-Leichtketten-Amyloidose) - Mikrotubuli (bei immunotaktoider oder kryoglobulinämischer Glomerulonephritis) - Kristalle oder Einschlüsse (bei Leichtketten-proximaler Tubulopathie)

Nicht organisierte Ablagerungen finden sich bei monoklonaler Immunglobulin-Ablagerungskrankheit (MIDD) und proliferativer Glomerulonephritis mit monoklonalen Immunglobulin-Ablagerungen (PGNMID).

Keine sichtbaren Immunglobulinablagerungen treten bei C3-Glomerulopathie mit monoklonaler Gammopathie und thrombotischer Mikroangiopathie assoziiert mit monoklonaler Gammopathie auf.

Der spezifische Nierenschaden bestimmt sowohl die Symptome als auch den geeigneten Therapieansatz.

Diagnose der MGRS

Die genaue Inzidenz und Prävalenz MGRS-assoziierter Erkrankungen ist unbekannt. Daten aus Olmsted County, Minnesota, zeigen, dass MGUS 7- bis 59-mal häufiger ist als glomeruläre Erkrankungen. MGUS-Raten sind bei Männern höher und steigen ab dem 50. Lebensjahr signifikant an.

Da glomeruläre Erkrankungen ebenfalls mit dem Alter zunehmen, ist die Kombination von Nierenerkrankung und MGUS nicht ungewöhnlich. Zwei unabhängige Studien fanden MGRS-assoziierte Erkrankungen bei 40–45 % der Patienten mit monoklonaler Gammopathie, die sich einer Nierenbiopsie unterzogen.

Mehrere klinische Indikatoren weisen auf mögliche MGRS hin:

  • Erhöhte Urinproteinausscheidung (> 1,5 g/Tag)
  • Abnormales Serum-freies-Leichtketten-Verhältnis
  • Mikrohämaturie

Bei Patienten mit monoklonaler Gammopathie und diesen Befunden oder raschem Nierenfunktionsverlust sollte eine Nierenbiopsie erwogen werden.

Bei Verdacht auf MGRS ist eine hämatologische Abklärung essenziell, um den verantwortlichen Klon zu identifizieren. Dazu gehören:

  1. Serum- und Urin-Proteinelektrophorese
  2. Immunfixation
  3. Serum-freier-Leichtketten-Assay
  4. Knochenmarkbiopsie (häufig zur Klonidentifikation nötig)
  5. Ggf. Lymphknotenbiopsie oder periphere Durchflusszytometrie
  6. Bildgebung (CT, ggf. PET) zur Lokalisation extraossärer Läsionen

Die Wahrscheinlichkeit, den Klon zu finden, variiert: Sie ist hoch bei AL-Amyloidose, MIDD und Leichtketten-proximaler Tubulopathie (Plasmazellklone), während ca. 50 % der Fälle immunotaktoider Glomerulonephritis CLL-Linien involvieren. Am schwierigsten ist die Klonidentifikation bei PGNMID, wo über 80 % der Patienten initial hämatologisch unauffällig sind.

Behandlungsansätze bei MGRS

Die Pathophysiologie der MGRS erfordert andere Strategien als bei autoimmunen Nierenerkrankungen oder hämatologischen Malignomen. Dieses Verständnis ist für den Behandlungserfolg entscheidend.

Während die Therapie autoimmuner Nierenerkrankungen auf histopathologischen Befunden basiert, zielt die MGRS-Behandlung auf den spezifischen Klon (B-Zell- oder Plasmazell-), der das nephrotoxische Immunglobulin produziert. Klongerichtete Therapien wirken signifikant besser als Standard-Immunsuppressiva wie Glukokortikoide, Calcineurininhibitoren, Mycophenolat-Mofetil, Cyclophosphamid oder niedrigdosiertes Rituximab.

Erfolgreiche Outcomes bei MGRS – einschließlich Erhalt der Nierenfunktion – erfordern klongerichtete Therapien, die früher malignen hämatologischen Erkrankungen vorbehalten waren. Zuvor gab es Bedenken hinsichtlich myelotoxischer Wirkungen prolongierter Alkylanzien-Therapie mit Risiko für myelodysplastisches Syndrom und akute Leukämie.

Neuere Anti-Myelom- und Anti-Lymphom-Therapien mit günstigerem Nebenwirkungsprofil haben die Prognose der MGRS verbessert. Die Behandlungsziele unterscheiden sich von denen der Krebsbehandlung: Da die meisten MGRS-Patienten (sofern keine extrarenalen Organe wie bei AL-Amyloidose beteiligt sind) keinen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand haben, steht der Nierenerhalt im Vordergrund.

Diese Unterscheidung ist entscheidend für die Abwägung von Nutzen und Toxizität, besonders bei Patienten mit fortgeschrittener CKD.

Bedeutung für Patienten

Für Patienten mit Nierenerkrankung und monoklonaler Gammopathie hat diese Forschung erhebliche Konsequenzen. Die Prävalenz der MGRS von 40–45 % bei biopsierten Patienten mit monoklonaler Gammopathie bedeutet, dass fast die Hälfte einen behandelbaren Zustand hat, der zielgerichtete statt Standardtherapien erfordert.

Die extrem hohe Rezidivrate nach Nierentransplantation (ca. 90 %) unterstreicht, wie wichtig die Identifikation und Behandlung des zugrundeliegenden Klons vor Transplantation ist. Ohne Beseitigung der Immunglobulinquelle bietet die Transplantation nur vorübergehende Linderung.

Patienten sollten wissen, dass bei MGRS ein Risiko für die Entwicklung hämatologischer Malignome besteht, was auch nach erfolgreicher Nierenbehandlung eine fortlaufende Überwachung notwendig macht.

Aktuelle Wissenslücken

Trotz Fortschritte bestehen wichtige Limitationen im MGRS-Verständnis. Die genaue Inzidenz und Prävalenz MGRS-assoziierter Erkrankungen sind unbekannt, was die Einschätzung des gesamten Gesundheitsproblems erschwert.

Diagnostische Heraushalten bleiben, besonders bei Erkrankungen wie PGNMID, wo über 80 % der Patienten trotz klarer Nierenschäden durch monoklonale Immunglobuline initial hämatologisch unauffällig sind. Diese Lücke deutet an, dass aktuelle Nachweismethoden manche Klone übersehen.

Forschungsergebnisse legen nahe, dass genetische Tests auf Marker wie BCL2 und t(11;14) zusätzliche Therapieoptionen bieten könnten, doch sind diese Ansätze noch nicht überall Standard.

Empfehlungen für Patienten

Basierend auf dieser Übersicht sollten Patienten mit Nierenproblemen Folgendes bedenken:

  1. Spezialisierte Abklärung einholen bei Nierenerkrankung und monoklonaler Gammopathie, da 40–45 % eine MGRS haben könnten
  2. Angemessene Diagnostik anfordern, inklusive Serum-freier-Leichtketten-Assay, Proteinelektrophorese und Immunfixation bei unklarer Nierenursache
  3. Nierenbiopsie erwägen bei monoklonaler Gammopathie plus Proteinurie (> 1,5 g/Tag), abnormalem Leichtkettenverhältnis oder Mikrohämaturie
  4. Klongerichtete Therapieoptionen besprechen mit Hämatologen und Nephrologen bei MGRS-Diagnose, da dieser Ansatz überlegene Ergebnisse liefert
  5. Zugrundeliegenden Klon behandeln vor geplanter Nierentransplantation angesichts der 90%igen Rezidivrate ohne adäquate Therapie
  6. Langzeitüberwachung beibehalten auch nach erfolgreicher Behandlung wegen des Risikos hämatologischer Malignome

Patienten sollten mit einem multidisziplinären Team aus Nephrologen und Hämatologen zusammenarbeiten, die mit den Besonderheiten der MGRS vertraut sind und aktuelle Therapieansätze anbieten können.

Quellen

Originaltitel: Monoclonal Gammopathy of Renal Significance

Autoren: Nelson Leung, M.D., Frank Bridoux, M.D., Ph.D., Samih H. Nasr, M.D.

Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 20. Mai 2021

DOI: 10.1056/NEJMra1810907

Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf begutachteter Forschung, ursprünglich veröffentlicht im The New England Journal of Medicine. Er bewahrt alle signifikanten Ergebnisse, Daten und klinischen Empfehlungen der Originalarbeit und macht die Informationen für informierte Patienten zugänglich.