OCREVUS (Ocrelizumab) bei Multipler Sklerose

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OCREVUS (Ocrelizumab) ist ein intravenös verabreichtes Medikament zur Behandlung von Multipler Sklerose (MS) bei Erwachsenen, einschließlich rezidivierender Verlaufsformen und primär progredienter MS. Die Therapie beginnt mit zwei Initialdosen von je 300 mg im Abstand von zwei Wochen, gefolgt von einer 600 mg-Infusion alle sechs Monate. Obwohl OCREVUS wirksam ist, gehen mit der Anwendung bedeutende Risiken einher: Dazu zählen Infusionsreaktionen (bei 34–40 % der Patient:innen), erhöhte Infektionsanfälligkeit, ein möglicherweise erhöhtes Krebsrisiko sowie seltene, aber schwerwiegende Komplikationen wie die Progressive Multifokale Leukenzephalopathie (PML). Vor jeder Infusion sind ein Screening auf Hepatitis B und Immunglobuline sowie eine Vorbehandlung zur Senkung des Infusionsreaktionsrisikos erforderlich.

OCREVUS (Ocrelizumab) bei Multipler Sklerose: Ein Überblick

Inhaltsverzeichnis

Einführung in OCREVUS

OCREVUS (Ocrelizumab) ist ein verschreibungspflichtiges Medikament zur Behandlung von Multipler Sklerose bei Erwachsenen, das von der US-amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zugelassen ist. Es gehört zur Wirkstoffklasse der CD20-gerichteten zytolytischen Antikörper, die gezielt bestimmte Immunzellen angreifen, die an der Entstehung von MS-Symptomen beteiligt sind.

Das Medikament ist für zwei Hauptformen der Multiplen Sklerose zugelassen: schubförmige Verläufe (einschließlich klinisch isoliertem Syndrom, schubförmig-remittierender MS und aktiver sekundär progredienter MS) sowie primär progrediente MS. OCREVUS wird als intravenöse Infusion in einer medizinischen Einrichtung unter Aufsicht von Fachpersonal verabreicht.

Dosierung und Verabreichung

Die Behandlung mit OCREVUS folgt einem festgelegten Dosierungsschema unter ärztlicher Überwachung. Die Erstbehandlung umfasst zwei Infusionen à 300 mg im Abstand von zwei Wochen. Anschließend erhalten Patienten alle sechs Monate eine Einzeldosis von 600 mg, um die Wirksamkeit der Therapie zu erhalten.

Jede Infusion erfordert eine sorgfältige Vorbereitung. Das Medikament muss vor der Gabe verdünnt und über eine separate Infusionsleitung mit Spezialfilter verabreicht werden. Während der Infusion und mindestens eine Stunde danach werden Patienten überwacht, um mögliche Reaktionen frühzeitig zu erkennen.

Die Infusionsgeschwindigkeit ist aus Sicherheitsgründen genau festgelegt. Bei der ersten 300-mg-Infusion beginnt man mit 30 ml pro Stunde und steigert die Rate alle 30 Minuten schrittweise auf maximal 180 ml pro Stunde. Die Gesamtdauer beträgt in der Regel mindestens 2,5 Stunden. Folgende 600-mg-Infusionen dauern etwa 3,5 Stunden oder – bei guter Verträglichkeit – ca. 2 Stunden im beschleunigten Schema.

Erforderliche Voruntersuchungen

Vor Behandlungsbeginn sind mehrere Untersuchungen notwendig. Ein Screening auf Hepatitis B (HBV) ist verpflichtend, da OCREVUS bei aktiver HBV-Infektion nicht angewendet werden darf. Bei positivem Befund ist eine fachärztliche Begleitung durch Hepatologen vor und während der Therapie erforderlich.

Zusätzlich ist vor der ersten Gabe eine quantitative Bestimmung der Serumimmunglobuline notwendig. Bei niedrigen Werten sollte eine immunologische Beratung erfolgen.

Der Impfstatus muss vor Therapiebeginn überprüft werden. Lebendimpfstoffe sollten mindestens vier Wochen, Totimpfstoffe idealerweise zwei Wochen vor der ersten OCREVUS-Gabe verabreicht werden. Während der Behandlung sind Lebendimpfstoffe nicht empfohlen, da OCREVUS die Wirksamkeit von Impfungen beeinträchtigen kann.

Mögliche Risiken und Nebenwirkungen

Die häufigste Nebenwirkung von OCREVUS sind Infusionsreaktionen, die in Studien bei 34–40 % der Patienten auftraten. Mögliche Symptome sind Juckreiz, Hautausschlag, Nesselsucht, Gesichtsrötung, Atembeschwerden, Halsschmerzen, niedriger Blutdruck, Fieber, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit und Herzrasen.

Zur Vorbeugung erhalten Patienten vor jeder Infusion eine Vorbehandlung mit 100 mg Methylprednisolon (oder einem vergleichbaren Kortikosteroid) intravenös sowie einem Antihistaminikum (z. B. Diphenhydramin) 30–60 Minuten vor Beginn. Gegebenenfalls kann auch ein Fiebermittel wie Paracetamol verabreicht werden.

Bei schweren oder lebensbedrohlichen Reaktionen wird die Infusion sofort beendet. Bei leichteren Reaktionen wird die Infusionsgeschwindigkeit vorübergehend reduziert.

Infektionsrisiken und Behandlung

Unter OCREVUS-Therapie ist das Infektionsrisiko erhöht. In Studien traten Infektionen bei 58 % der schubförmigen MS-Patienten unter OCREVUS vs. 52 % unter REBIF auf. Bei primär progredienter MS waren es 70 % vs. 68 % unter Placebo.

Besonders häufig sind:

  • Infektionen der oberen Atemwege (40 % unter OCREVUS vs. 33 % unter REBIF)
  • Infektionen der unteren Atemwege (8 % vs. 5 %)
  • Hautinfektionen
  • Herpes-Infektionen wie Gürtelrose (2,1 % vs. 1,0 %) und Herpes simplex (0,7 % vs. 0,1 %)

Schwere Herpesverläufe mit Beteiligung des ZNS, der Augen oder der Haut wurden berichtet. Bei schweren Infektionen muss OCREVUS pausiert oder abgesetzt werden. Vor jeder Infusion wird auf aktive Infektionen geprüft; bei Vorliegen einer Infektion wird die Gabe verschoben.

Laufende Überwachung

Patienten unter OCREVUS benötigen regelmäßige Kontrollen. Eine seltene, aber schwerwiegende Komplikation ist die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML), eine Gehirninfektion durch das JC-Virus. Warnzeichen sind einseitige Schwäche, Koordinationsstörungen, Sehprobleme, Verwirrtheit oder Persönlichkeitsveränderungen. Bei Verdacht muss die Therapie unterbrochen und eine Diagnostik eingeleitet werden.

Die Immunglobulinspiegel sollten während und nach der Behandlung überwacht werden. Niedrige IgG-Werte gehen mit einem erhöhten Risiko für schwere Infektionen einher. Bei rezidivierenden Infektionen oder der Notwendigkeit einer Immunglobulinsubstitution muss ein Therapieabbruch erwogen werden.

Möglicherweise besteht ein erhöhtes Risiko für bösartige Tumore, insbesondere Brustkrebs. In Studien erkrankten 6 von 781 Frauen unter OCREVUS, aber keine unter REBIF oder Placebo. Die üblichen Vorsorgeuntersuchungen sollten wahrgenommen werden.

In Einzelfällen trat eine immunvermittelte Darmentzündung auf, die stationär behandelt werden musste. Anhaltender Durchfall oder andere Magen-Darm-Beschwerden sollten umgehend abgeklärt werden.

Besondere Patientengruppen

In der Schwangerschaft darf OCREVUS nicht angewendet werden, da tierexperimentelle Daten auf Schädigungen des Fötus hindeuten. Frauen im gebärfähigen Alter sollten vor Therapiebeginn über Familienplanung sprechen.

Bei Säuglingen, deren Mütter unter OCREVUS standen, sind Lebendimpfstoffe kontraindiziert, bis die B-Zell-Zahl (CD19+) normalisiert ist. Totimpfstoffe können verabreicht werden, die Immunantwort sollte jedoch überprüft werden.

Ältere Patienten haben ein erhöhtes Infektionsrisiko und benötigen besonders intensive Überwachung.

Quellen

Originaltitel: OCREVUS- Ocrelizumab-Injektion
Hersteller: Genentech, Inc.
Erste Zulassung USA: 2017
Letzte Aktualisierung: Juni 2024

Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf geprüften wissenschaftlichen Veröffentlichungen und den Fachinformationen zu OCREVUS. Bitte besprechen Sie Ihre Behandlung immer mit Ihrem behandelnden Arzt.