Parkinson-Krankheit verstehen: Ein umfassender Leitfaden für Patienten.

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Dieser umfassende Übersichtsartikel führender Parkinson-Experten zeigt, dass Parkinson weit mehr als eine Bewegungsstörung ist und zahlreiche Körpersysteme betrifft. Nicht-motorische Symptome treten oft Jahrzehnte vor den motorischen Problemen auf. Aufgrund der alternden Bevölkerung wird die globale Krankheitslast voraussichtlich erheblich steigen. In den USA werden die wirtschaftlichen Kosten von derzeit 52 Milliarden auf 79 Milliarden US-Dollar bis 2037 prognostiziert. Obwohl keine Therapie den Krankheitsfortschritt eindeutig verlangsamt, können Behandlungsstrategien – einschließlich Medikation, tiefer Hirnstimulation und multidisziplinärer Versorgung – helfen, Symptome zu kontrollieren und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern.

Parkinson-Krankheit verstehen: Ein umfassender Patientenratgeber

Inhaltsverzeichnis

Epidemiologie: Wer erkrankt an der Parkinson-Krankheit?

Die Häufigkeit der Parkinson-Krankheit steigt mit dem Alter deutlich an. Studien zeigen, dass Männer etwa doppelt so häufig betroffen sind wie Frauen. Die Erkrankungsraten liegen zwischen 47 und 77 Fällen pro 100.000 Personen ab 45 Jahren und steigen bei über 65-Jährigen auf 108–212 Fälle pro 100.000 Personen.

Weiße Menschen haben generell höhere Erkrankungsraten als Schwarze oder asiatische Menschen. Autopsiestudien zeigen jedoch ähnliche Häufigkeiten von Lewy-Körperchen (die charakteristischen Proteinablagerungen bei Parkinson) bei Schwarzen und Weißen, was eher auf diagnostische Unterschiede als auf biologische Ursachen hindeutet. Die Gesamtprävalenz liegt bei etwa 572 Fällen pro 100.000 Personen ab 45 Jahren.

Die Parkinson-Krankheit hat erhebliche gesundheitliche Folgen: Die alters- und geschlechtsbereinigte Sterblichkeit wird auf etwa 60 % höher als in der Allgemeinbevölkerung geschätzt. Die wirtschaftliche Belastung allein in den USA soll von 52 Milliarden US-Dollar im Jahr 2017 auf 79 Milliarden US-Dollar im Jahr 2037 steigen, was die wachsende Bedeutung dieser Erkrankung für Gesundheitssysteme und Familien unterstreicht.

Was genau ist die Parkinson-Krankheit?

Seit zwei Jahrhunderten wird die Parkinson-Krankheit klinisch anhand des charakteristischen motorischen Syndroms diagnostiziert, das Bradykinesie (Bewegungsverlangsamung) zusammen mit Ruhetremor, Rigidität und Störung der Stellreflexe umfasst. Diese Symptome resultieren größtenteils aus einer dopaminergen Dysfunktion im nigrostriatalen System, das die Bewegung steuert.

Heute wird Parkinson jedoch als multisystemische neurologische Erkrankung verstanden, die weit über Bewegungsprobleme hinausgeht. Nicht-motorische Symptome umfassen:

  • Schlafstörungen, insbesondere REM-Schlaf-Verhaltensstörung, bei der Patienten ihre Träume körperlich ausleben
  • Kognitive Beeinträchtigungen und bei vielen Patienten schließlich Demenz
  • Stimmungsveränderungen einschließlich Depressionen und Angstzuständen
  • Autonome Dysfunktion mit Verstopfung, Blasenproblemen und orthostatischer Hypotonie (Blutdruckabfall beim Aufstehen)
  • Sensorische Symptome wie Hyposmie (verminderter Geruchssinn) und Schmerzen

Diese nicht-motorischen Symptome gehen den motorischen Symptomen oft um Jahre voraus, was darauf hindeutet, dass sie die prodromale (frühe prämotorische) Phase der Erkrankung darstellen könnten. Die International Parkinson and Movement Disorder Society hat klinische Diagnosekriterien und Forschungskriterien für die Identifizierung dieser Prodromalphase etabliert.

Bei der Autopsie zeigen bis zu 90 % der klinisch diagnostizierten Parkinson-Fälle intraneuronale Ablagerungen von fehlgefaltetem α-Synuclein-Protein (sogenannte Lewy-Körperchen und Lewy-Neuriten). Diese Pathologie betrifft selektiv bestimmte Hirnregionen einschließlich Hirnstammkernen, dem peripheren autonomen Nervensystem sowie limbischen und kortikalen Arealen. Der Verlust von Dopamin produzierenden Neuronen der Substantia nigra ist ein weiteres charakteristisches Merkmal.

Ursachen und Risikofaktoren

Die Parkinson-Krankheit resultiert aus multiplen Ursachen mit sowohl genetischen als auch nicht-genetischen Faktoren. Bei etwa 20 % der Parkinson-Fälle wurden genetische Varianten mit großer Wirkung identifiziert. Dazu gehören:

Autosomal-dominantes Parkinson mit unvollständiger Penetranz umfasst Varianten in: LRRK2 (bei 1–2 % aller Fälle und bis zu 40 % der familiären Fälle vorhanden) GBA1 (kodiert für Glukozerebrosidase, bei 5–15 % der Fälle vorhanden, am häufigsten bei Personen mit aschkenasisch-jüdischer oder nordafrikanischer Abstammung) VPS35 und SNCA (bei weniger als 1 % der Fälle vorhanden)

Rezessiv vererbte Parkinson-Varianten umfassen PRKN, PINK1 und DJ1, die die meisten Fälle mit jungem Erkrankungsalter ausmachen. Diese rezessiven Varianten weisen tendenziell weniger nicht-motorische Merkmale und ausgeprägtere Dystonien auf als das typische Parkinson-Syndrom.

Für Personen ohne starke genetische Risikofaktoren wird die Heritabilität auf 20–30 % geschätzt, was auf signifikante Beiträge umweltbedingter Faktoren hindeutet. Wichtige Umweltrisikofaktoren sind:

  • Wohn- oder berufliche Exposition gegenüber Pestiziden (Paraquat, Rotenon, 2,4-Dichlorphenoxyessigsäure, Organochlorine, Organophosphate) oder chlorierten Lösungsmitteln (Trichlorethylen, Perchlorethylen) – assoziiert mit einem 40 % oder höher erhöhten Risiko
  • Hoher Konsum von Milchprodukten mit erhöhtem Risiko assoziiert, möglicherweise aufgrund von Bioakkumulation von Pestiziden wie Heptachlor in Milch
  • Leichte bis mittelschwere Kopfverletzungen assoziiert mit einem 31 % bis über 400 % erhöhten Risiko Jahrzehnte später
  • Weniger konsistente Assoziationen mit Metallbelastung, Typ-2-Diabetes, bestimmten entzündlichen Erkrankungen und Infektionen

Schützende Faktoren, die das Parkinson-Risiko zu verringern scheinen, sind Zigarettenrauchen, Kaffeekonsum und erhöhte körperliche Aktivität. Die meisten Forscher gehen davon aus, dass Kombinationen aus genetischer Suszeptibilität und Umweltexpositionen eher als Einzelfaktoren das individuelle Risiko bestimmen.

Krankheitsverlauf und Symptome

Die Parkinson-Krankheit beginnt typischerweise mit motorischen Symptomen, die oft asymmetrisch sind – eine Körperseite ist stärker betroffen als die andere. Patienten erleben zunächst Bewegungsverlangsamung und Tremor, die sich schließlich zu bilateraler Bradykinesie, Rigidität, Tremor sowie Gang- und Gleichgewichtsstörungen entwickeln.

Der zeitliche Verlauf der Progression variiert erheblich zwischen Individuen. Letztendlich führen diese Symptome zu funktioneller Beeinträchtigung und Verlust der Selbstständigkeit, oft aufgrund der kombinierten Effekte von motorischem und kognitivem Abbau, Stürzen und Frakturen.

Nicht-motorische Symptome gehen motorischen Problemen häufig um Jahrzehnte voraus. Dazu gehören:

  • Hyposmie (verminderter Geruchssinn)
  • Autonome Dysfunktion einschließlich Verstopfung, Blasenproblemen und orthostatischer Hypotonie
  • REM-Schlaf-Verhaltensstörung, bei der Patienten ihre Träume ausleben
  • Kognitive Veränderungen wie visuell-räumliche oder exekutive Dysfunktion

Kognitiver Abbau im Zusammenhang mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder Parkinson-Demenz entwickelt sich bei etwa 10 % der Patienten jährlich. Etwa 38 % der klinisch diagnostizierten Parkinson-Fälle und 89 % der Demenz mit Lewy-Körperchen-Fälle weisen auch Alzheimer-assoziierte pathologische Merkmale auf, was auf häufige Überlappungen zwischen diesen neurodegenerativen Erkrankungen hindeutet.

Behandlungsansätze

Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung, hochwertiger Schlaf und Vermeidung schädlicher Expositionen bilden die Grundlage für die Behandlung von Parkinson in jedem Stadium und wurden mit reduzierter Mortalität assoziiert. Leider hat keine verfügbare pharmakologische Therapie definitiv gezeigt, das Fortschreiten der Parkinson-Krankheit zu verlangsamen, trotz fast vier Jahrzehnten klinischer Studien.

Forscher glauben, dass Interventionen vor dem Auftreten motorischer Symptome oder bei nur biomarkerbasierter Evidenz der Erkrankung das Potenzial für Neuroprotektion erhöhen könnten. Aktuelle Forschung untersucht Behandlungen, die auf genetisch definierte Subpopulationen mit Varianten in GBA1 oder LRRK2 abzielen, sowie Glukagon-like-Peptid-Rezeptor-Agonisten.

Die Symptombehandlung muss individualisiert werden, da sich Parkinson bei jeder Person unterschiedlich manifestiert und entwickelt. Ein multidisziplinärer Ansatz ist ideal, unter Einbeziehung eines Neurologen, Psychiaters, Neurochirurgen sowie Physio-, Ergotherapeuten und Logopäden. Die Bedürfnisse von Patienten, Familienangehörigen und Pflegepersonen sollten regelmäßig neu bewertet werden, einschließlich Advance Care Planning und in schweren Fällen der Überweisung zur Hospizversorgung.

Medikamente gegen motorische Symptome

Orale Levodopa-Formulierungen bleiben die Hauptbehandlung für motorische Symptome, obwohl Tremor bei einigen Patienten weniger anspricht als Bradykinesie und Rigidität. Wenn Patienten nicht auf Levodopa ansprechen, sollte die Diagnose überprüft werden.

Die Wirkdauer nach einer Levodopa-Dosis (sogenannte "On"-Zeit) dauert typischerweise mehrere Stunden, verkürzt sich jedoch nach durchschnittlich 4 Jahren. Dies führt zu motorischen Fluktuationen, bei denen "On"-Zeiten mit Perioden reduzierten symptomatischen Nutzens ("Off"-Zeiten) abwechseln. Strategien zur Behandlung dieser Fluktuationen umfassen:

  • Erhöhung der Gesamtdosis oder Verkürzung der Dosierungsintervalle
  • Umstellung auf Retard-Formulierungen
  • Hinzufügen von Catechol-O-Methyltransferase (COMT)-Hemmern oder Monoaminoxidase B (MAO-B)-Hemmern
  • Einsatz nicht-dopaminerger Medikamente wie Amantadin und Istradefyllin

Häufige Nebenwirkungen von Levodopa sind Dyskinesien (unwillkürliche Bewegungen), Halluzinationen, Verhaltensprobleme, orthostatische Hypotonie und Übelkeit. Dopaminagonisten werden aufgrund ihres ungünstigen Nebenwirkungsprofils einschließlich Übelkeit, Schläfrigkeit, Schlafattacken, Impulskontrollstörungen und peripheren Ödemen heute seltener eingesetzt.

Bei schweren oder häufigen "Off"-Episoden umfassen Bedarfsstrategien subkutane Injektion oder sublinguales Apomorphin sowie inhaliertes Levodopa. In fortgeschrittenen Fällen kann kontinuierliche enterale Verabreichung von Levodopa über eine intrajejunale Pumpe oder subkutane Abgabesysteme eingesetzt werden.

Behandlung nicht-motorischer Symptome

Nicht-motorische Symptome tragen erheblich zur Krankheitslast bei, haben jedoch begrenzte evidenzbasierte Behandlungsleitlinien. Parkinson-assoziierte Demenz kann moderat auf Acetylcholinesterase-Hemmer oder Memantin ansprechen, wobei nur Rivastigmin aufgrund evidenzbasierter Reviews als klinisch nützlich eingestuft wird.

Depressionen und Angstzustände können mit selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmern, Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmern oder seltener Dopaminagonisten behandelt werden, unter sorgfältiger Beachtung von Arzneimittelinteraktionen. Das Management autonomer Symptome bleibt ein wichtiger ungedeckter Bedarf, mit verschiedenen Ansätzen für spezifische Symptome:

  • Speichelfluss behandelt mit sublingualen Atropin-Tropfen oder Botulinumtoxin-Injektionen in die Speicheldrüsen
  • Verstopfung behandelt mit erhöhter Ballaststoffzufuhr, Stuhlweichmachern oder Abführmitteln
  • Schlafstörungen potenziell gebessert durch kognitive Verhaltenstherapie, Melatonin oder niedrigdosiertes Clonazepam

Operative Optionen: Tiefe Hirnstimulation

Die Therapie mit tiefer Hirnstimulation (THS) beinhaltet die intrakranielle Platzierung dünner Elektroden entweder in den Nucleus subthalamicus oder die Globus-pallidus-Regionen des Gehirns. Diese Elektroden verbinden sich mit einem Neurostimulator, der unter der Haut in der Subklavikularregion platziert wird und elektrische Stimulation abgibt, die zur gezielten Behandlung individueller Symptome über die Zeit angepasst werden kann.

THS verbessert die Lebensqualität und lindert motorische Fluktuationen, mit durchschnittlich 3–4 Stunden zusätzlicher "On"-Zeit pro Tag. Kandidaten für THS haben typischerweise medikamentös schlecht kontrollierbare motorische Fluktuationen. Der Eingriff, die Patientenselektion und das laufende Device-Management werden typischerweise in spezialisierten Zentren mit Expertise in Bewegungsstörungen durchgeführt.

Wichtige Erkenntnisse für Patienten

Die Parkinson-Krankheit ist eine komplexe neurologische Erkrankung, die weit mehr als nur die Bewegung beeinträchtigt. Das Wissen, dass nicht-motorische Symptome oft Jahre vor den Bewegungsproblemen auftreten, kann zu einer früheren Diagnose und Intervention führen. Obwohl derzeit keine Behandlung das Fortschreiten der Krankheit verlangsamt, können viele Strategien die Symptome wirksam behandeln und die Lebensqualität verbessern.

Patienten sollten mit einem multidisziplinären Team zusammenarbeiten, um individuelle Behandlungspläne zu entwickeln, die sowohl motorische als auch nicht-motorische Symptome adressieren. Sich über neue Forschungsergebnisse zu informieren, insbesondere über solche, die auf bestimmte genetische Subtypen abzielen, könnte zukünftig Möglichkeiten für personalisiertere Behandlungsansätze bieten.

Am wichtigsten ist es, regelmäßige Bewegung, eine gesunde Ernährung, gute Schlafgewohnheiten beizubehalten und bekannte Risikofaktoren zu vermeiden, um die Symptome zu behandeln und möglicherweise den Krankheitsverlauf zu verbessern.

Quellenangaben

Originalartikel: "Parkinson's Disease" von Caroline M. Tanner, M.D., Ph.D., und Jill L. Ostrem, M.D.

Veröffentlichung: The New England Journal of Medicine, 2024;391:442-52

DOI: 10.1056/NEJMra2401857

Dieser patientenfreundliche Artikel basiert auf peer-reviewter Forschung führender Parkinson-Experten der University of California, San Francisco. Die Informationen wurden umfassend aus der ursprünglichen wissenschaftlichen Übersicht übersetzt, wobei alle sachlichen Inhalte, statistischen Daten und klinischen Empfehlungen erhalten blieben.